Rock-Spezialitäten
Zusammenspiel der Ereignisse: Während die englische Plattenindustrie ihre Preise für Maxi-Singles ein weiteres Mal deftig anhebt, kommen aus dem Lager der Independents eine Reihe guter LPs. Zum alten Preis.
Liebhabern des neuen Garagenbeats wärmstens ans Herz gelegt sei hiermit ATOM DRUM BOP, die erste Lp der Three Johns. Neun neue Songs kombinieren aufpeitschenden Trash-Beat mit Rückgriffen auf Blues- und Rock’n’Roll-Tradition, auch mittlere Tempi werden überzeugend integriert. Für die Three Johns ein überraschend vielseitiges Album im typischen Stil ihrer Singles/Maxis. (5) (Rough Trade Vertr.)
Fragt man im Spezi-Schallplattenladen nach der Gruppe Foetus, so bekommt man meist die abfällige Auskunft, daß alle Titel wegen ihrer Winz-Auflage längst vergriffen sind. Neu im Regal steht nun die LP HOLE, wo die Gruppe unter Scraping Foetus Off The Wheel agiert. Die Funk-Experimente der letzten LP DEAF sind einem äußerst dichten, aggressiven Sound gewichen, der wegen seiner schrägen Vokalund Instrumenten-Einsätze an frühe Zappa-Werke erinnert. Dazu derbe Horror-Texte im Industrial-Stil (Some Bizarre, 5).
Portion Control erfanden vor gut drei Jahren verstümmelten, rein synthetischen Mutanten-Disco, der nur auf Cassette erhältlich war. Die neue LP STEP FORWARD kann man nun auch Leuten empfehlen, die oberhalb der Erdoberfläche leben (RT-Vertr., 4).
Ein herrlicher neuer Sampler aus dem Umkreis von Television Personalities & Co. stellt die neuen Gruppen des Londoner „Creation“-Labels vor: X-Men, Pasteis, Jasmine Mlnks, The Loft, Blff Bang Pow! sind die Vorreiter einer neuen Modund UK-Psychedelia-Welle, welche den Geist der 60er-Rebellion ohne Energieverlust ins Jahr 84 transferiert: WOW! WILD SUMMER! Hier und heute unbedingt reinhören (RT-Vertr., 5)
United States, Westküste: den anhaltenden Neo-Psych-Boom ignorieren wir diesmal und stellen dafür zwei Außenseiter der dortigen Hip-Szene vor: zum ersten Phast Phreddle, ein junger Mann mit Jazz-Bärtchen und Hornbrille, der im allgemeinen als Poseur abgetan wird. Sein neues Album heißt LIM-BO – und sein Stil ist der lustvolle, leicht ange-wave-te Big-Band-Rhythm & Blues, dem Snakeflnger sein letztes Album widmete. Phreddie und seine Band Thee Precistons bieten dabei ein munteres Potpourri an bekannten Songs und ureigenen Werken. (Martian Rec. über Wishbone, Gräfin-Imma-Str., 4630 Bochum) (4).
Flipper gehörten zu den ersten Punk-Bands der Bay-Area, wobei schon auf ihrer ersten LP eine Vorliebe für zeitlupenhaften Dröhn-Beat zu erkennen war. Daran hat sich auf der neuen LP GONE FISHIN‘ nicht viel geändert, was stückweise überzeugt, die LP insgesamt aber zu einem anstrengenden Hörerlebnis macht (US-Import, 4).
Zwei New York Girls: Unter dem Namen Thick Plgeon macht die Künstlerin Miranda Stein intime, keyboardlastige Studio-Musik, die nicht an die Magie einer Laurie Anderson heranreicht, aber mit ähnlichem Ansatz Musik zum ruhigen Zuhören schafft (Factory, 3).
Lydia Lunch hat sich auf ihrer Mini-LP IN LIMBO musikalisch nicht weit von Vorgänger 13.13 (1982) entfernt: Zerrend-Iangsamer Rhythmus gibt Lydia reichlich Gelegenheit, ihr schneidend-schnurrendes Organ düstere Selbstbezichtigungs-Gebete verkünden zu lassen. Jim Sclavunos, hier am Sax, ist als Drummer von Trigger & The Thrlll Kings besser (RT-Vertr., 3).
Zurück nach England, wo das neue „Fever“-Label drei Bands auf Maxis vorstellt, die allesamt – nomen est omen – fieberkranke Rockabilly-Mutationen bringen: Cat Wax Axe Co (3), Barton & Harry (3) und Kill Ugly Pop!, deren EP GATOR BRt ATH RIOT mit semi-akustischer Schrammel-Gitarre klar den Vogel abschießt. (5) (alle RT-Vertr.)
Mehr Gitarren-Rock: The Inca Bables klingen auf „The Judge“ (Maxi) immer noch nach Birthday Party, haben aber ihre Lektion so gut gelernt (5);
Folk Devlls lassen sich auf ihrer neuen Maxi-EP von Richard Mazda produzieren, was „Beautiful; Monster“ irgendwo zwischen The Fall und The Alarm landen läßt. (5) (beide RT-Vertr.)
Nikki Sudden & Dave Kusworth sind seit ihrer JACOBITES-LP ein fester Geheimtip. Moderner Trashrock mit Anleihen beim Glitte.r-Sound dominiert auf vier neuen Songs, die auf der liebevoll gestalteten 17 cm-33 rpm-EP SHAME FOR THE ANGELS zu finden sind (RT-Vertr., 5),
„KRIMINALTANGO“ – schon wieder ein deutscher Evergreen, aber wenn die Toten Hosen dahinterstecken, ist mit Sicherheit Besonderes zu erwarten. Hervorragend der Gastauftritt des Fassbender-Schauspielers Kurt Raab, der hier echte Ganoven-Atmosphäre vermittelt. Dazu die unglaubliche Breitwandproduktion – ebenso faustdick haben’s ihre Macher hinter den Ohren (EMI, 5). 1 Die neue Berlin-Cassette SLEEP? mit neuen Tracks von der Tödlichen Doris, Blixa, Die Zwei, Die Haut etc. ist nun endlich erhältlich. Info über Kartell, Witteisbacher Str. 18,1 Berlin 31(4).
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