XTC :: The Big Express

In England nennt man sie inzwischen die Jhree wise man of pop“. Späte Reputation für eine Gruppe, die dem Rock seit Jahren neue musikalische Wege weist. Das kompositorische Talent von Andy Partridge ist unbestritten; neben Paul Weller ist er der große Innovator unter den Rock-Song-Schreibern. Aber während sich jener zuletzt auf die Roots im Jazz besann, strebt Partridge weiter vorwärts in Gefilde noch nie gehörter Melodie-Puzzles.

Daß ihm bei seiner ständigen Suche auf dem letzten Album MUMMER nicht alles zum Besten geriet, gibt er selbstkritisch zu: „Die Texte auf MUMMER hatten einen sehr begrenzten Horizont ungefähr in der Größe meines Gartens. THE BIG EXPRESS ist eine härtere Platte, auf der wir wieder über den Zaun blicken.“

Als inzwischen konsolidiertes Trio schlägt XTC auf ihrer neuen LP nicht nur härtere Töne an: es gelingt ihnen auch, die ruhigen, akustischen Elemente ihres Landausfluges mit der Schärfe früherer Produktionen zu verbinden. Das Resultat ist ein fesselndes Hörerlebnis, eine gekonnte Gratwanderung zwischen Kinderlied und abstrakten, mit Synkopen gespickten Melodieläufen, zwischen Hard Blues und psychedelischer Magie.

„Wake Up“, der Eingangstitel, von Colin Moulding geschrieben, klingt noch am konventionellsten: er erinnert an die „Black-Sea“-Phase. Doch schon „All You Pretty Girls“ zeigt auf, wie es weitergeht: Die ersten Takte, nach Beach-Boys-Manier gestrickt, münden in eine Art Ringelreihen-Vers, um danach in eine swingende Blues-Grundstruktur überzugehen – alles nach XTC-Rezept verfremdet.

„Shake You Donkey Up“ spielt mit schrägen Fiddle-Sounds; „This World Over“, der vielleicht im üblichen Sinn „schönste“ Song der Platte, hat eine mit Reggae-Touch unterlegte melancholische Melodie und steigert sich gegen Ende fast zur Symphonie.

Seite zwei beginnt mit der Alltagsgeschichte einer englischen „Smalltown“, ein mehrstimmig gesungener Marsch! „Reign Of Blows“ ist ein verzerrt-verfremdeter Hardrocker, doch das kompromißloseste Stück ist „Train Running Low On Soul Coal“ – hier werden XTC ihrem Namen gerecht: reine Ex-Stase. Wenn je einer eine Synthese zwischen Colemans „Free Jazz“ und Rock geschafft hat, dann Partridge mit diesem füntminütigen haßliebenden Seelenschrei.

Wovon man nicht sprechen kann, das soll man hören.