Rock-Spezialitäten
Was für eine Stimme! Sandie Shaw, Pop-Ikon des Swinging London der 60er Jahre, läßt mit ihrer neuen Single/Maxi „Hand In Glove“ (Rough Trade) sogar ihren Riesenhit „Puppet On A String“ vergessen. Mit tatkräftiger Unterstützung der Smiths, die den backing beat besorgen, übertrifft Sandie alle Erwartungen und klingt selbst 1984 noch wie das angry young girl von 17 Jahren. (6)
Passend im Anschluß und von gleichwohl großer Klasse präsentieren sich The Damned unter dem Pseudonym Naz Nomad & The Nightmares: Cpt. Sensible & Co. verneigen sich vor den Flower-Power-Hits der 60er, die sie mit Geschmack und Engagement auswählten und für den (fiktiven?) Soundtrack GIVE DADDY THE KNIFE, CINDY (Big Beat/UK-Import) im originalen Psych-Sound nachspielen. Vom knallbunten Cover über die billige Orgel bis zum lila Vinyl so authentisch wie die Faust aufs Auge. (6)
Bauhaus haben sich bekanntlich aufgelöst: Sänger Peter Murphy ist mit Mick Kam im Studio, Bassist David Jay wandelt auf seinem Album ETIQUETTE OF VIOLENCE auf den Spuren eines Kevin Ayers. Das Rest-Duo Daniel Ash/Kevin Haskins legt unter dem Namen Tones on Tail nach einigen Maxis das Album POP vor: stimmungsvolle Musik, abgeschieden von allen großen Trends dieser Welt. Dunstig und unwirklich, zum Tanzen und Träumen. (4)
Marc Riley gehört zu den Abtrünnigen, die es wagten. Fall-Leader Mark Smith die Stirn zu bieten. Ergo mußte er gehen und gründete daraufhin The Creepers, von denen jetzt das Album CULL (RT-Vertr.) vorliegt. Die hier vertretenen Singles und Peel-Sessions machen deutlich, daß Riley nicht aus musikalischen Gründen The Fall verließ. Für Fall-Fans ein Muß. (5)
Schöner Trash-Country Billy im Cramps-Style kommt von der Orson Family auf ihrer zweiten Maxi-EP NO ONE WAITS FOREVER (New Rose/RT-Vertr.), die das Quartett in den Londoner Blackwing Studios aufnahm, wo man sich dem Einfluß von Depeche Mode & Co. jedoch konsequent widersetzte. (5)
Wer schleppende Gitarrenriffs und die melancholischen Sonqs eines Johnny Thunders liebt, dem sei JACOBITES (Glass/RT-Vertr.), die neue LP von Ex-Swell Map Nikki Sudden mit Dave Kusworth, empfohlen. Lang ausgespielte, elektrische Nummern wechseln mit akustischen Songs, die auch von Thunders‘ letzter LP HURT ME stammen könnten. (4)
Neue Maxis: Mitten ins Herz zielt das Comeback der Psychedelic Fürs. Ob zum Tanzen, Joggen oder in der Maisonne Räkeln: „Heaven“ (CBS) ist die klassische Ballade für alle Gelegenheiten. (5)
In den gleichen, leicht melancholischen Frühlingsgefühlen schweben New Order mit „Thieves Like Us“ (Factory). Nicht so eingängig wie seine Vorgänger, doch von sphärisch-erhabener Schönheit. (5)
Die Cocteau Twins leben von dem unzweifelhaften Talent der Sängerin Elizabeth Fraser (This Mortal Coll). Das neue Mitglied Simon Raymonde fügt sich unauffällig in die verhaltenen Studio-Klänge, die „The Spangle Maker“ (4AD)
im bewährten CT-Stil prägen. (4)
Nach all diesem Schweben in Balladen wünsche ich mir einen Hit für Killing Joke, die mit „Eighties“ (Polydor) die Träumerei beenden und ganz kräftig die alte Mutter Erde stampfen. Für eine fast vergessene Band ein gelungenes Comeback. (5)
Neue Namen aus den USA: Los Lobos sind eine Entdeckung des Slash-Labels, das uns schon die Violent Femmes brachte. Ihr Markenzeichen ist rauher, ungeschminkter Tex-Mex-Sound, mexikanischer Folk-Punk, wenn man so will. Für manche mag ihre Debüt-LP … AND A TIME TO DANCE schlecht gespielt klingen, doch andere sehen gerade in dieser ungestümen Wildheit den Reiz dieser Musik. (4)
Musikalisch völlig anders, doch ebenso kontrovers die New Yorker Gruppe Swans mit der LP FILTH (Zensor). Archaische Rhythmen, gepreßt-gequälter Gesang mit Texten voller Aufforderungen zur Gewalt, dazu schleppende Krach-Gitarren und Noise-Effekte aus Horror-Nestern für die Fans „extrem lauter, kaputter Rock-Musik“ (Pressetext). (3)
Von New York nach Düsseldorf, genauer bis vor die Haustür von Peter Hein, legendärer Ex-Fehlfarben-Sänger. der sich einer Pop-Karriere standhaft verweigert. Unter dem Namen Camp Sophisto arbeitet Peter Hein sporadisch mit Freunden, auch mit der Gruppe Family Five gehört er zum lebendigen deutschen Untergrund. Neue Platten gibt’s von beiden Gruppen: Die Mini-LP CAMOUFLAGE bringt elektrisch-perkussive Themen zwischen Disco-verwandtem und Neo-Psychedelic. (4)
Die LP der Family Five gibt es immer noch nicht, dafür wird die Single „Tagaus – Tagein“ vorgeschickt, die trotz des guten Bläserparts irgendwie nicht losgeht. Hier muß das Beste erst noch kommen. (3)
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