Elektronik/Avantgarde
William Ackermann, Chef des Labels für zeitgenössische Kammer- und Klaviermusik Windham Hill, den man in seinem Gitarrenund Kompositionsstil mit Pat Metheny und Ralph Towner vergleichen kann, liefert mit dem fünften Album PAST LIGHT VISITING (Windham Hill TA-C-1028, Vertrieb Teldec Import) wieder den Beweis, daß aktuelle Instrumentalmusik nicht zwischen den Extremen intellektualistischer Überforderung und sanft dahinplätschernder Unterforderung (nach dem Motto „Zuhören – leicht gemach“) pendeln muß.
Diese zeitlosen Miniatur-Tongemälde mit phantasievollen Besetzungen vermeiden jedes Zugeständnis an freundlich-heitere Schönwetter-Muzak, bewahren aber den Sinn für zeitgemäße, konzertant-verspielte Träumereien. (5) Filigrane Tongewebe von den mehrstimmig geführten Saiteninstrumenten Gitarre, Baß, Leier und Hackbrett werden von den schwäbischen Multi-Instrumentalisten Martin Kolbe & Ralf Illenberger auf der LP TRONIC (Wundertüte TUT 118/ Vertrieb: Deutsche Austrophon) geflochten, eingebettet in eine flauschige Synthesizer-Daunendecke und in atmosphärische Bezüge wie Gong-Rauschen, Glocken-Kling-Klang und energetische Befreiungsversuche von Stimm-Orkan Anne Haigis. Daß die beiden nicht vorhaben, uns nur einzulullen, zeigen sowohl textliche Seitenhiebe an die Adresse der Umweltverschmutzer als auch jazzig-ruppige Einschläge.) Gitarren, akustisch wie elektrisch, 6- und 12saitige, mit verschiedenen Zusatzgeräten und Phrasierungstechniken stehen im Mittelpunkt der folgenden LPs. Der Tschad-Konflikt und der Befreiungskrieg in Nicaragua sind die Kriegsschauplätze im Soundtrack UNDER FIRE (WEA 923965-1), aber lärmende, hochdramatische Orchester-Szenen kann man aus der Filmpartitur von Jerry Goldsmith für Orchester mit Latin Percussion, elektronische Tasteninstrumente, obligate Panflöte und Gitarre nur selten heraushören. Dafür durchdringt die lichtüberflutete Helle der lateinamerikanischen Hemisphäre jeden Takt, ohne daß aufdringlich-sentimentale oder verbrauchte Kompositionsmuster zum Zuge kommen. (5) Gitarrist Michael Sagmeister hat, abgesehen von den Ausbrüchen von Christof Lauer am Tenorsax und Albert Mangelsdorff an der Posaune, einige Akzente mit der vorausgehenden LP gemeinsam: Sein filigranes Gitarrenspiel, die sensiblen Percussion- und Synthesizer-Einsätze von Michael Küttner und Thomas Heideprien sowie die allgemeine impressionistisch-verhangene Grundstimmung. (5) Ein optimistisches Feeling vermittelt die Gruppe Viomando, die mit einem vielsaitigen Konzept (außer Percussion, zwei E- und A-Gitarren, Mandoline, Violine, Baß) „abseits eines auf Schnellkonsum gestylten Wellenkonformismus“
(Cover-Text) einen Beitrag zur deutschen Szene leisten will und sich dabei die Folklore aus aller Herren Länder in jazzig-aufmunternden Pharasierungen vorknöpft. (Hansa 205872-320). Beim einzigen, schweren Titel „Entry To The Dharma“ vom VIOMANDO-Debüt, der mit der Gitarrenphrasierungstechnik von John Mc Laughlin aus der SHAKTI-Phase liebäugelt, kann man Parallelen ziehen zu BHAIRA-VA von der elfköpfigen Frankfurter Musikkommune Iviron; dieses Ensemble macht den Versuch, die Alban-Berg-Richtung (lyrischer Expressionismus), die mit Sopran-, Alt-Stimme und Cello wiederauflebt, Indo-Jazz-Fusion, Irish Folk und Rhythm & Blues-Feeling auf einer Mini-LP zur Diskussion zu stellen. Christof Lauers Gast-Saxophon verströmt auch hieran den „Pforten der Wahrnehmung“ spirituelle Energie. (SS 7103/ Trion Sound, Ginnheimer Landstraße 200, 6000 Frankfurt 50, Telefon 51 51 88).
6- und 12-saitige Gitarren, Mandoline, Tamboura, Keyboards, Flöte, Baß, Drums und Percussion tauchen nicht nur bei Iviron, sondern auch bei Gandalf auf. Die aktuelle LP MAGIC THEATRE (WEA) ist für den Hörer, der sich zum ersten Mal der Magie Gandalf’scher Betörungskunst hingibt, sicher eine mystische Offenbarung, aber für den Kenner der drei ersten Werke ergeben sich unter dem Strich zu viele Selbstplagiate, daher diesmal nur (4) Leichter historischer Stoff, schwer gemacht — ein Motto, das für das Projekt von Thomas Wilbrandt in Zusammenarbeit mit Simon Jeffes vom Penguin Cafe Orchestra, dem Elektroniker Klaus Buhlert und dem Philharmonia Orchestra zutrifft. Das kompositorische Basis-Material von Vivaldi wird hier neuen Einflüssen ausgesetzt, ohne den handelsüblichen Schubladen wie Klassik-Rock-Synthese oder elektronische Realisation von Originalpartituren zu verfallen.
Viel Raum für Assoziationen, die der musikalische Bilderbuchbogen von der Morgendämmerung bis zum Abschied umspannt, setzt auch der sechsseitige Covertext frei, der faszinierend geschrieben ist und ausnahmsweise einmal nicht in subjektiv-barocken Manierismen über die Qualitäten von Musikern und LP-Werk schwelgt. (5)
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