Rock-Spezialitäten
Die heißesten Eisen der Londoner Musikpresse sind z Zt. The Smiths: Erst kürzlich würdigte der NME ihre neue Single „This Charming Man“ (Rough Trade) als einen der allergrößten Pop-Songs, die je geschrieben wurden. Gitarre, Baß und Drums begleiten Morrisseys einmalige Stimme mit einer Präzision und Melodik, die der Konkurrenz das Fürchten lehrt. Unbedingt anhören. (6)
Ein Pop-Held von gestern: Julian Cope, Ex-Teardrop Explodes, hüllte sich zwei Jahre in Schweigen. Die angekündigte Solo-LP ist zu einer EP mit vier Songs (Phonogram-Import) zusammengeschmolzen, auf die man getrost verzichten kann: brüchige Sound-Collagen ersetzen keine Song-Ideen, zumal auch seine Stimme gelitten zu haben scheint. Too much acid? (2)
Jerry Dammers, Gründer der Specials und des Two-Tone-Labels, ist mit The Special AKA wieder aktiv. Mit „Bright Lights“ (Ariola) liegt eine Single vor, die gekonnt zwischen Ska, Soul und Afro balanciert. (4)
Überraschend in die englischen Top 20 gelangten The Sisters Of Mercy, bislang nur Eingeweihten ein Begriff. Nach kryptischem Intro steigert sich „Temple Of Love“ (RT-Vertrieb) in Höchstgeschwindigkeit zum voll tanzbaren, psychedelischen Klangrausch. (5)
Als Geheimtip gelten The Farmer’s Boys, deren erste LP GET OUT & WALK (EMI-Import) fröhliche Beat-Melodien mit Drumcomputern paart. Die Erstauflage der LP enthält eine Bonus-Maxi mit weiteren Beispielen witziger Partymusik. (3)
Allen Erwartungen widerspricht das Solo-Album von Dave Ball (Soft Cell): IN STRICT TEMPO (Phonogram-lmport) ist ein zurückhaltendes Elektronik-Werk von schwelender Spannung und hypnotischer Qualität. Mit dabei sind Genesis P. Orridge (Psychic TV), Virgin Prunes-Sänger Gavin Friday, Gary Barnacle (Sax) und einige Mambas. (5)
Fans krachiger Gitarren und Garagenrock-Spezialisten sollten ihre Oldies eine Weile vergessen: The Cramps haben endlich eine neue Platte – leider nur sechs Songs auf der Mini-LP SMELL OF FEMALE (RT-Vertrieb), dafür alles live und in gewohnt bester Sex-Voodoo-Qualitat. (5)
Aus gleich gutem Holz geschnitzt sind The Three Johns aus Leeds, die auf ihrer neuen Maxi zu treibender Rhythmusbox elektrisch geladenen Garagen-R&B zelebrieren: „A.W.O.L.“ (RT-Vertrieb), zwischen Velvet Underground und Johnny Burnette. (5)
Solider Punk-Rock im 77er-Stil kommt von den Newtown Neurotlcs aus England. BEGGARS CAN BE CHOOSERS bringt 10 eingängige Riffs mit schönen Chören und dem einfachen Pop-Feehng mancher früher Punk-Songs. (3)
Punk-Pioniere wie 999 dagegen haben sich inzwischen anderweitig orientiert: Auf ihrem neuen Album 13TH FLOOR MADNESS (Polydor-Import) findet sich synthi-lastige Rockmusik, wenig profiliert und vom Produzenten Alan O’Duffy allzu sehr auf amerikanische Durchschnitts-Bedürfnisse zugeschnitten. (2)
Abteilung Can und Nachfolger: Holger Czukay war in London mit Jan Wobble, U2-Axeman The Edge, Jaki Liebezeit und anderen auf Studio-Session, doch herausgekommen ist auf der Mini-LP SNAKE CHARMER (Ariola) kaum mehr als Routine, zumal Edge sich als einziger Newcomer in diesem Kreise zu sehr zurückhält.(3)
Da greift man lieber zu den Czukay/Wobble-Sessions von ’81, die auf FÜLL CIRCLE (Virgin) jetzt in LP-Länge vorliegen. (4)
Jaki Liebezeit taucht mit Wolfgang Spelmans (Ex-DAF) in der Gruppe Plaza Hotel auf: Die Sängerin auf „Bewegliche Ziele“ (Vertr.: Das Büro) nennt sich Tabu, vielleicht um Bemerkungen über ihren wenig imposanten Vortrag zuvorzukommen. (2)
„Was wäre die Welt/ohne die Idioten?“ fragt die Gruppe Bai Pare auf ihrem gleichnamigen Debüt-Album. Französischen Charme sucht man vergeblich, eher findet man entzückte Dekadenz mit deSade-Texten (Konkurrenz/EfA). (4)
Zum Schluß noch zwei Platten aus der Schweiz: Llllput, früher Kleenex, haben mit SOME SONGS (Rough Trade) nach langer Funkstille eine LP fertiggestellt, die von leichtem, ausgeruhtem Feeling beherrscht wird und rundum gefällt. Ein grober Schritt vorwärts für die Zürcher Frauenband. (4)
Und Rudolf Dietrich, auch ein Veteran der Schweizer Punk-Szene, hat eine neue Gruppe namens Blue China: vertrackte, sparsam instrumentierte Musik mit 68er-Beatles-Einflüssen, die bei entsprechender Stimmungslage faszinieren kann. Die LP SPIRITUAL BEAUTY gibt’s bei P.F. Records, Albistr. 111, CH-8038 Zürich. (3)
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