ROCK-SPEZIALITÄTEN
Beginnen wir mit einer älteren Platte, für die sich nicht nur hierzulande keiner zu interessieren scheint, obwohl sie perfekt in das Programm von IRS/Illegal-Records (Romeo Vold, Wall Of Vodoo etc.) passen würde und mit deren Unterstützung (das bedeutet weltweite CBS-Distribution) ein Hit sein könnte: ZIMMER-KAMPF von der West-Coast-New-Wave-Band Moev (Go-Records). Zwischen britischem Drama-Rock, Talking-Heads-Tempo und -Komplexität und US-Underground-Aggro. Eine breitwandige Produktion mit viel Gitarren- und Keyboard-Attacken, aber schnell und jenseits von Rock-Pschees (5).
Überhaupt: Gitarren sind wieder in, jedenfalls im Untergrund. Die Barracudas bleiben eine gute Band, auch wenn man sie in England nicht mehr hören will, und sie sich inzwischen vom französischen Indie-Konzern New Rose vertreiben lassen. Wer kann schon auf eine Band, die klingt wie die Byrds mit Punk-Sensibihtät, aufgespeedet und wütend, verzichten? Ohne Zögern 5 für MEAN TIME.
New Yorks Number-One-Junkie Johnny Thunders greift ebenfalls auf die Dienste der Underground-Rockbegeisterten Franzosen zurück: Bei New Rose gibt es das dritte superrauhe Live-Album mit nicht totzukriegenden Klassikern wie „Lome, Louie“, „Gloria“ und Johnnys Parade-Stück (bis jetzt auf jeder seiner Live-Platten enthalten), dem alten Contours- und Tremeloes-Hit „Do You Love Me“. Wie immer superrauh, superhart, voller Verspieler und Galgenhumor („Too Much Junkie Business“). Als Dreingabe gibt’s ’ne Maxi mit fünf neuen Stücken. (IN COLD BLOOD-5).
Wichtiger bleibt allemal der Gun Club, der fünf schmutzige Passionen zwischen Punk-Garage und Hardcore-Country-Suff auf seiner DEATH-PARTY-LP festgehalten hat, die mit zwei Monaten Verspätung auch von der deutschen Ariola irreführend als Disco-Maxi angeboten wird, ohne das hervorragende-Originai-Cover. Die Musik, zu der sich Vandalen und Desperados aller Länder vereinigen können.(5) Was Tav Falco, Gun Club und Alan Vega in Amerika sind, wollen Die Goldenen Vampire für Deutschland nachvollziehen: Kaputt-Radikal-Rock mit deutschen Texten, was erstaunlich gut klappt, ohne allerdings die Qualität der Originale zu erreichen (Mini-LP: HINTER DER GRÜNEN TÜR, Zensor, (4)
Zu den intelligenten, seit Jahnen wenig beachteten Außenseitern gehört auch Anette Peacock, die mit BEEN IN THE STREETS TOO LONG jetzt den zweiten Longplayer rmt Kostproben ihrer fast 20jährigen Arbeit zwischen Jazz, Synthi-Pop (lange bevor es diesen Begriff gab) und Solo-Ballade veröffentlicht. (Ironie records, 5)
Nigel Burnham heißt ein junger Mann, der vor drei Jahren den Sampler HICKS FROM THE STICKS mit unbekannten Gruppen aus der britischen Provinz zusammenstellte. Wahl, Clock DVA, Secüon 25 und viele andere verdanken dieser Platte ihre Karriere. Jetzt hat er mit THE BEST OF YOUR SECRETS SAFE WITH US… eine Folgeplatte vorgelegt, die neben talentierten New-Wave-Pop-Hofmungen (Thrash, Chameleons, Sun Yama) die Möglichkeit bietet, selbst zum Pop-Star zu werden. Wer sich zur beigefügten Bonus-Single mit Rhythmus-Tracks die beste Melodie ausdenkt und aufnimmt, kriegt einen Plattenvertrag. (4, LP, Statik) Rubrik: Talentiert, poppig, aber aus unerklärlichen Gründen noch nie in den Charts. The Times, eine Gruppe aus dem Umfeld der TV Personalities, sind seit Jahren aktiv. Eine erste LP mit individuell handgemaltem Cover in limitierter Auflage war zum Sterben schön. Jetzt gibt’s eine zweite mit sentimentalen, einfühlsamen Songs im Stile der britischen Sixties zum Thema TH1S IS LONDON, die nur knapp schwächer ist als das seltene Debüt (ARTPOP-Records, 5 ).
In dieselbe Rubrik gehören Monochrome Set. Nach drei bnllianten regulären LPs kommt jetzt ein Sampler mit ihren Hits, die nie welche wurden. Alle in anderen Versionen als auf den LPs, einige von Radio-Sessions, andere von längst vergriffenen Singles (VOLUME, CONTRAST, BRILLIANCE, Cherry Red, 5). Carroel ist eine Sängerin, die ihre ungewöhnliche, aggressiv-leidenschaftliche Stimme nur von akustischem Standbaß und dezenter Percussion begleiten läßt und trotzdem den Raum füllt, eine Lydia Lunch der Kammermusik, große Klasse (Red Flame, Mim-LP, 5).
Mari Wilsons Maxi „Wonderful“ enthält drei Songs ihrer LP, ist also nur für den sparsamen Menschen interessant, die sich eine Kurzfassung dieser Platte wünscht. Als Einzelsongs sind die drei Titel nicht das, was man von ihren Singles gewohnt war Verschleiß? (Compact, 4).
Aztec Camera haben den sensiblen Folksong „Walk Out To Winter“ tanzbar gemischt und verlängert, auf der B-Seite setzen sie gar eine Heavy-Gitarre ein. Stilwende bei Englands talentiertester Indie-Pop-Band? (Maxi, RoughTrade, 5) Stefan Svoboda
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