Platte des Monats
Mit der Gang Of Four können wir einen eindeutigen Sieger vermelden. Dennoch wurde das verbissene Kopf-an-Kopf-Rennen erst durch eine „1“ des Kollegen Bauduin CZuckerbäckerwerk“) zum Nachteil von ABC entschieden (Ach, du Windbeutel… – Red). Die Platte des Monats geht – wie gehabt – als zusätzliche Prämie an die ersten 50 Neu-Abonnenten. Siehe unsere Abo-Anzeige auf Seite 63.
Gastkritiker ist diesmal Kommissar Falco vom Wiener Rauschgift-Dezemat höchstpersönlich. Seine Kurz-Kommentare: Joe Jackson: „Absolut m ein Mann dieser Runde groovy Grund-Konzeption mit gekonnter Farbe von den Keyboards und Percussion, zeitlos wirkungsvoll in Szene gesetzt.“ Gang Of Four: .Damit kann man momentan gar nicht schiel liegen. Vielen Dank undGrüße an David Byrne & Co.“ Steve Winwood: .ArcOiA Diver war ein Ereignis. Die Neue halte ich für weniger frisch. Man wird halt zu oft an seinen eigenen Vorgaben gemessen.“ Kraan: „Als ehemaliger Schüler des Faches E-Bass an der Wiener Jazz-Akademie gebe ich hier die 5. Abgesehen von allen modischen Attitüden hat sich diese Form der Rockmusik ihren Platz an der Sonne hart erkämpft.“ Neue Singles Bevor wir in den monatlichen Plattenreigen einsteigen, lassen wir diesmal einen entschiedenen Gegner all dieser Pop-Vergänglichkeiten zu Wort kommen: .Do you know what you look /beloreyou goou/?“fragenThe Fall und meinen damit, daß wir lieber an andere Dinge denken sollten. Recht haben sie! Und trotz leichten Moralisierens ist „Look, Know“ eine prima Single im typischen, rauhen Fall-Stil. So bodenständig und kämpferisch wie Pete Townshend gern wäre (Kamera). Zu den (weiteren) Hits: Hört man Yazoo’s „Don’t Go“, dann weiß man, wie langweilig Vince Claike seine Ex-Gruppe Depeche Mode gefunden haben muß. Hier fehlt jede Süßlichkeit, dafür gibt es endlich den Elektronik-Bluesrock. Der stämmigen Sängerin kann man fast schon die «tierische Röhre“ nachsagen, die früher modern war. Kurios! Dennoch angenehm, weil stramm und kein bißchen ordinär (Mute/lntercord). Routiniert und lustlos dagegen Bow Wow Wow mit einer verlegenen Neuauflage des Uralt-Fetzers J Want Candy“, dessen Auswahl allein schon für wenig ausgeprägte Geschmacksnerven spricht. Annabella’s Stimme klingt sogar ein wenig ausgebrannt (RCA). Auch flau: Midge Ure und seine Version von JNo Regrets“. Grobschlächtig und mit auffallend schlechtem Gesang bleibt der Ultravox-Sänger meilenweit hinter der sieben Jahre alten Fassung der Walker Brothers zurück. Dennoch in den britischen Top Twenty wer sagt, die Plattenindustrie wäre in der Krise? (Ariola). Noch ein gelungenes Oldie-Wiedersehen: The Belle Stars mit dem Airo-Sommer-Hit der nostalgischen achtziger Jahre, „Qco Dco“. Viel Getrommel, trotzdem fröhlich (Teldec). Und wer die 101. Version von JLouie Louie“ braucht: Pinker Tone (Superman, Zorro & Dracula) bringen sie in Elektronik (RCA).
Zum besseren: Eine Kategorie für sich sind Dexy’a Midnight Runners. Ihr „Come On Eileen“ vereinigt strammen britischen Pop, Beach Boys, Fußballgesänge und ureigene, kämpferische Nordländer-Seele zu einer brodelnden Mischung. Spannend gemacht, die Single des Monats (Phonogram). Apropos Fußball: Nur noch statistischen Wert hat die Siegerhymne der englischen Fußballnationalmannschaft; „This Time („Well Gonna Make It‘)“ ist dank der Smokie-Köpfe Chris Norman & Pete Spencer, die bei Produktion und Komposition gute Arbeit geleistet haben, musikalisch recht akzepta bei, besser als in diesem Genre üblich (Boots-Vertrieb). Zwei bisher unveröffentlichte Tracks auf der Rückseite der 12″-Fassung lohnen die Anschaffung der neuen Associates-Single „Club Country“ (soweit es die Fans betrifft). Die A-Seite bringt einen der glänzendsten Songs aus ihrer LP SULK in langer Fassung. Ein Muß! (WEA). Dieselben äußeren Merkmale bei der neuen 12* von The leardrop Explodes: „Tiny Childien“, überaus ruhig, ist die überraschende Auskopplung aus WILDER, auf der Rückseite ein neuer Song und eine lange Live-Fassung von „Sleeping Gas“; auf der Bühne zeigt sich die Band wie gewohnt in bester Form. Braucht man ebenfalls! (Phonogram).
An einem Cole Porter-Song versucht sich das englische Duo Everything But The GirL Ihre Version von „Night And Day“ ist die Underground-Single des Monats! Die zart verstärkte Gitarre träumt gebrochene Jazz-Akkorde, Tiracey Sängerin der Marine Girls, singt wie die Fee im rauschenden Ballkleid (Cherry Red/lntercord). Gleich danach auflegen: Die 12′-EP der Sängerin Hermine, deren sechs Songs jeden Sonntagnachmittag versüßen. Hermine singt Songs von Nick Löwe über Roy Orbison bis zu „The Thrill Is Gone“ in wunderschönen, ausgefallenen Arrangements. Sehr intelligent (Crammed/Eigelstein). Über verschlungene Importwege erreicht uns das Vinyl-Debüt des Kinostars wider Willen Christiane F.: Die 12′ „Gesundheit!“ ist in New York entstanden und erscheint auf dem in LA ansässigen Posh Boy-Label. Vor typisch New Yorker Elektro-Beat singt sie deutsche und englische Depri-Zeilen und klingt wie eine Mischung aus Grace Jones und Andrea Mothes von Nichts: interessant und hörbar.
In England startet Paul Weiler von The Jam sein eigenes Label zur Förderung junger Talente: Respond Records heißt es, und die ersten Veröffentlichungen stammen von der leicht Jazz-beeinflußten Rockabilly-Band The Rimshots, deren Sänger Wigg auf „Sweet Talk“ schon jetzt wie Louis Armstrong klingt, und dem Frauentrio Dolly Mixture, die sich ihren hübschen Popsong „Everything And More“ von Damned-Leuten produzieren lassen. Auf der B-Seite gibt’s ausgeklinkte Kammermusik (beide Deutsche Grammophon). Nochmal The Damned: Ihre neue Single „Lovely Money“ erscheint auf Bronze Records und verrät nichts mehr von der Punk-Herkunft der vier verrückten Engländer, sondern erinnert an die alte Bonzo-Doq-Band (siehe Importe im vorletzten Heft), deren VivStanshall sogar leibhaftig mitmischt. Locker, swingend, humorig, und sogar eine hübsche Melodie.
WohlaiTangierte Elektronik und flotte Melodien auf „Figures“ von Zaine GriH. Wir warten auf die LP (Polydor). Eine stilgerechte 25 cm-Single bringt uns der alte Geheimüp Vic Godard mit seiner Band Subway Sect Seine Schwäche für die swingenden Schlager der frühen Fünfziger dominiert auch auf „Hey Now (Fm In Love)“. Der moderne, ausgefeilte Sound gibt dem Song zusätzliche Dimensionen. Der bestaussehende Mann dieser Riege! (London) Noch ein paar Maxis: In die Discos geschafft haben es die Electric Guitars mit ihrem Song „Language Problems“. Stampfender Rhythmus, gut kombinierte Gesangsspuren und eine nie an Effekten sparende Produktion hinterlassen bei entsprechender Lautstärke die gewünschte Wirkung. Ansonsten bleibt’s Durchschnitt (Teldec/Süff). Wie es tanzbar und originell geht, zeigen Rip Rig & Panic mit “ You’re My Kind Of Climate“. Knakkige Rhythmen voller überraschender Wechsel und Free-Passagen, für die Band ungewöhnlich kommerziell, aber kein Stilbruch, sondern eben nur die fröhliche Seite dieser Nu-Jazzer (Ariola-Import). Verwandt, doch nicht so ideenreich: „Spill The Beans“ von Bluxt, deren letzte Deutschlandtour so sehr enttäuschte. Das etwas limitierte Gruppenkonzept wird hier technisch recht gut in Szene gesetzt, aber so richtig hängen bleibt von Blurt heute nichts mehr (Red Flame).
In Deutschland kämpfen wir gegen die Neue Deutsche Welle: An vorderster Front die Berlinerin Nina Schultz, die sich auf ihrer Maxi weigert, nur ein einziges Wort in deutsch zu singen und stattdessen englische Bock-Idioms benutzt. Trotz des Akzentes ein guter Entschluß. Die vier Songs sind in mäßig schnellem Beat gehalten, sehr einfach und recht hübsch, Allerwelts-Pop-Ihvialitäten ohne gequälten Witz (Rip Off-Vertrieb). Schon älter, aber trotzdem sehr gut: Die Fehlfarben und „14 läge“, stilistische Fortführung ihrer unterbewerteten zweiten LP mit schönem, glatten Deutsch-Funk und gutem Text. Besser als der Rest (EMI). Stumpfer Kartoffel-Reggae, politische Reime und Künstler-Tiefgang auf „Sonne Statt Reagan“, der inhaltlich berechtigten, ansonsten jedoch völlig überflüssigen Debüt-Single des Dokumenta-Stammgastes Joseph Beuys. Provinziell (EMI).
Stiff Records kümmern sich jetzt auch intensiv um den deutschen Markt: ein deutsches Büro wurde bei Uwe Tessnows Line-Label eingerichtet, erste Veröffentlichung ist „Tatü lata, die Post ist da“ von Telefunk Musikalisch recht hübsch und modisch, textlich mal wieder nur Quatsch. Aber ein Anfang. – Um mehr Eigenständigkeit bemühen sich Nerv, deren Vergangenheit beim Populär-Jazz ä la Volker Kriegel lag. Die drei Songs klingen allesamt recht englisch, gesungen wird zweisprachig. Am besten gefällt „Overweight/Übergewicht“. Auch die Düüls lassen hin und wieder grüßen. Interessant (Biber). Kai Falke
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