Steve Winwood – Talking Back To The Night
Für jeden Kritiker gibt’s den einen oder anderen Musiker, bei dem er sein Mindestmaß an Distanz und Besonnenheit nur schwer bewahren kann. Sehr schnell möchte man den Zollstock beiseite werfen und sich nur noch in den neuen Klängen und Tönen seines Favoriten suhlen. Den Job als Kritiker verdammt man in solchen Momenten aufs Äußerste.
Mein „Problemkind“ heißt, wie sonst, Steve Winwood. Seit unendlich vielen Jahren begleitet er mich jetzt. 1966 entdeckte ich ihn als Mitglied der Spencer Davis Group. Ich war gefesselt von der ausdrucksstarken Stimme dieses minderjährigen weißen Engländers. Eine Stimme, wie ich sie nur von Schwarzen kannte. Ein Blues-Organ aus brodelnder Intensität und überschäumender Wärme. Als Wunderkind und „frühreifen Mozart der Popmusik“ (New York Times) feierten ihn damals die Kritiker. Für mich war er schlicht und ergreifend der genialste Rocksänger.
Dann Traffic, Blind Faith, erste Solo-Projekte.
Und heute nun TALKTNG BACK TO THE NIGHT. Vermutlich instrumental wieder im Alleingang eingespielt, was der Vorab-Kassette leider nicht klar zu entnehmen ist. Doch schon 1980 praktizierte Steve Winwood diesen Stil. Schrieb er damals noch im Verein mit mehreren Textern, so zimmert heute einzig und allein W. Jennings die Lyrics. Ergebnis: Eine größere Geschlossenheit in Wort und Sound.
Vom ersten bis zum letzten Ton strahlen die neun Songs eine unglaubliche Wärme und ausgewogene Schönheit aus. Die Disco-Rhythmen von ARC OF A DIVER sind zum Glück wieder herausgefiltert. Wohlklingende Balladen und zielstrebige Up Tempo-Nummern – getragen von einem pulsierenden Beat – bestimmen das Sound-Bild. Vielleicht nicht von solcher Aggressivität wie in Steve Winwoods Tanzboden-Feger „Time Is Running Out“ von 1977; doch im Schongang fährt der Klangzauberer keineswegs. Songs wie „Talking Back To The Night“, „While There’s A Candle Burning“ und „Still In The Game“ tragen das Stigma einer aufgekratzten Gitarre, die auf einem aufgewühlten Bodensatz aus Baß und Schlagzeug (vielleicht vom Synthesizer) kriecht.
Über allen Instrumenten steht jedoch Steve Winwoods Gesang. Eine unnachahmliche Stimme, schwarz wie Brikett-Ruß, die mal melancholisch-verträumt aus den Boxen schlüpft oder aber im vollen Vibrato dominiert. Manchmal singt dieser Steve Winwood wirklich wie ein Gott.
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