Kim Wilde – Select

Kim Wilde bleibt mit SELECT mindestens genauso durchschaubar und diplomatisch wie erwartet. Sie umgeht neurotischen Exhibitionismus, skandalöse Enthüllungen, überhaupt alles Extreme, kurz – sie gibt nichts preis, jedenfalls nichts, was Rückschlüsse auf ihr Innenleben zuließe. Dazu kennen Bruder Ricky und Vater Marty Wilde die Tricks und Kniffe aus einem Jahrzehnt Teen-Pop viel zu gut, sie wählen den kürzesten Weg moderat, sophisticated – und treffen die breiteste Schicht.

SELECT ist die selbstverständliche und legitime Lust am Augenblick völlig ohne Anspruch. Kims beinahe schon aseptische Kühle (die diesmal durch Rickys schrille und schneidende Produktion noch verstärkt wird) und ihre phantastische Ungezwungenheit beim Umgang mit den banalsten Gefühlsduseleien zeigen auf SE-LECT, daß Kim Wilde nicht bloß zwei Singles und ein halbes Dutzend Bravo-Titelseiten wert war. Sie nimmt zwar wieder bedenkenlos jeden Platz ein, den ihr die Familien-Hierarchie zuweist, findet sich in ihren Rollen aber durchaus zurecht; mal verliebt, mal kleinlaut, mal kindlich und immer ein wenig verträumt. Bei „View From A Bridge“ sind wir darum auch schon fast geneigt, ihr alles abzukaufen:“…and just don’t know what’s fact or fantasy/cause when I below the bridge I see it’s me …“ SELECT ist nichts anderes als ein meisterhaft inszenierter Bluff. Zusammenhängender, ohne die Berg- und Talfahrt des Debüts in zwei-Hits-acht-Lückenbüßer-Manier. Schwachstellen gibt es eigentlich nur da, wo sich Kim auf Noosha Fox-Niveau herabläßt und Ricki die Stimmung mit allzu penetranten Strings verpfuscht.

Ansonsten: Clever zusammengesetztes, ungeniertes Theater mit einem Schuß Selbstironie und ohne jeden Anflug von Seriosität. Nicht mehr, nicht weniger – und das ist allemal genug.