„Das Ende vom Anfang“ – ein Film nach dem Knastroman „Treibjagd“ :: „Dingfest gemacht“
Wenn du den 38jährigen, freundlichen, hellwachen, vitalen Michael Holzner am Hamburger Jungfernstieg triffst oder vor einer Tasse Kaffee bei Planten un Blomen begegnest, wirst du nicht glauben, daß du hier einen Mann vor dir hast, der fünfzehn oder sechzehn Jahre seines Lebens in Heimen, Erziehungsanstalten und Gefängnissen verbrachte. Der aus unüberwindlichem Haß auf jede Autorität, vor allem auf den menschenverachtenden Geist der Knast-Szene wieder und wieder aus der Inhaftierung floh, der jahrelang gehetzt und verfolgt wurde und seine „kriminelle Biografie“ schließlich mit einer spektakulären Gefangenen-Revolte im Hamburger „Santa Fu“ krönte.
Michael Holzner hat – im besagten Santa Fu – ein Buch über seine Erlebnisse geschrieben, das vor vier Jahren unter dem Titel „Treibjagd“ veröffentlicht wurde (damals als Hardcover bei Hoffmann & Campe; inzwischen als rororo-Taschenbuch nachgedruckt). „Schreiben erleichtert“, sagt der Autor über seine Knast-Produktion. „Schließlich kann man als Hase nicht gegen tausend Hunde anrennen.“ Heute macht Michael Holzner ein Praktikum in einem Jugendheim in der Nähe von Lüneburg. Den Rummel um seine Person hat er zunächst einmal satt. Sogar einer Berliner Filmfirma, die seine „Treibjagd“ unter dem Titel „Das Ende vom Anfang“ inzwischen verfilmt hat, gab Holzner einen Korb: Nein, bei einer Public-Relation-Tournee durch die Kinos der Bundesrepublik wollte er nicht mitmachen.
Der von Michael Holzner ohnehin nicht euphorisch begrüßte Film – der Autor wirft dem debütierenden Regisseur Hans Christian Görlitz mangelnde Detailtreue vor – verarbeitet lediglich einen Teil des Romans. „Das Ende vom Anfang“ beschränkt sich unter Verzicht auf die Darstellung der sozialen Vorgeschichte und der späteren Knast-Karriere – auf die Vorgänge in den Heimen und Erziehungsanstalten, wo Benjamin Hollberg (so nennt Holzner seinen Roman-Helden) „dingfest gemacht“ wird, seinen .ihm zugewiesenen Platz“ vorfindet und beim Kohlenschleppen oder Tütenkleben. seinen Arbeitswillen beweisen“ darf.
Wer Michael Holzner persönlich kennt, ist zunächst etwas irritiert über die Besetzung der Hollberg-Rolle mit dem schmächtigen Berliner Schauspielschüler Michael Faß, der die Nöte des hypersensiblen, sich gegen jeglichen Drill auflehnenden Jünglings jedoch sehr überzeugend darstellt. Aber: Abgesehen von einer im Kino offenbar unverzichtbaren Liebesgeschichte, hat Görlitz‘ unspektakulär erzählter Film den großen Vorteil des authentischen, wirklichen Lebens, ist keine Story vom grünen Tisch eines Filmdramaturgen.
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