1. Futurologischer Congress – Schützt Die Verliebten

Preisfrage: Wann kam zuletzt wirklich interessante Musik aus Berlin? Für die Antwort muß man weit zurückdenken. Weil aber der Blick zurück sowieso nur im akademischen Rahmen was bringt, blicken wir nach vorn und erkennen: den 1. FC! So kürzt sich der 1. Futurologische Congress aus Berlin ab, der zumindest bei seinem Antrittskonzert im Hamburger „Versuchsfeld“ wahre Triumphe feiern konnte.

Der 1. FC ist ein „offenes Projekt“, etwa vergleichbar mit der englischen B.E.F. (British Electric Foundation). Begonnen hat es mit den Musikern U.W.A. Heyder und Johann Sebastian Wastel, sowie dem Studiotechniker Jens T. Tröndle und dem Produzenten Rudolf O. Wagner. Inzwischen machen auch die Sänger Miko Laj Czak und Marion Deu Ssing als feste Mitglieder mit, dazu einige Gastmusiker.

Das Album klingt vor allem „modern“ – also viele Sequencer, Rhythmuscomputer, Syncussion, Vocoder und Casio, die wenigen konventionellen Instrumente (Gitarre, Schlagzeug, Saxofon) werden selten, aber immer sehr geschmackvoll eingesetzt.

Damit wären wir auch schon beim größten Vorzug des 1. FC gegenüber all den andern Synthie-Bands:

Die Spieler des ersten FC haben Geschmack, zumindest Stil beim Arrangieren. Die Musik klingt nie nach einer absichtlich eingeschlagenen Richtung, obwohl sich natürlich die Einflüsse von DAF über Soft Cell (besonders im Titelsong) bis zu Orchestral Manoeuvres nicht überhören lassen.

Die Texte sind zwar neudeutscheinsilbig (wann lernen die Texter endlich wieder, daß man auch lange Zeilen füllen kann?), umschiffen aber geschickt die derzeit grassierenden Peinlichkeiten.

Einzig der Gesang macht Probleme – Zwar meidet der 1. FC sowohl Gabi Delgados Düsternis als auch Annette Humpes Krächzen, doch klingen die Stimmen leider immer, als ob es um eine „Botschaft“ ginge: eitel, verkrampft und zickig.

Aber spätestens nach ein paar Zeilen rettet irgendwer aus dem Synthie-Heer die Situation mit einem pfiffigen Melodiebogen („Rote Autos“, „Schützt die Verliebten“, „Neuer Morgen“) Jetzt müßte der 1. FC nur noch ein paar Weltklasseleute für den Gesang einkaufen.