Aswad – New Chapter

Vor fünf Jahren erschien Aswads erstes Album. Und ebensolange spiele ich nun schon den unbeirrbaren Propheten, felsenfest überzeugt, daß ihr jeweils nächster Streich alles vom Tisch fegt, was je außerhalb von Kingston fertiggestellt wurde. Aswad haben mittlerweile fraglos einen Härtegrad erreicht, der sich an all dem, was im letzen Quartal bei Channel One oder Tuff Gong en vogue war, messen kann. Wenn sie heute im Londonder „Rainbow“ Einzug halten, sind die Tickets binnen Stunden vergriffen. Jahrelang produzierten die vier in schöner Regelmäßigkeit Killer-Singles wie „Rainbow Culture“ oder „Finger Gun Style“; „Warrior Charge“ wurde sogar vergoldet… Aswad liefern wortgewandte Situationsbeschreibungen. Fintenreichtum und Homogenität ihrer monströsen Rhythmusgebilde sind und bleiben im UK unerreicht, sie haben Integrität, Stil, Durchhaltevermögen …

„He who drowns in his tears will ding on to the memory,’hopelessly clutching onto yesterdays properties…“ Autobiographisch oder metaphorisch? NEW CHAPTER ist beides, der Blick zurück auf alle Durststrekken und Disharmonien, auf zwei Alben – das zu seichte, von Fremdeinflüssen unterminierte HULET und ihre letztjährige Chronik SHOWCASE – und vor allem der akkurateste und bewegendste Lagebericht von der Front, der je in Worte gefaßt wurde. Aswad sind meilenweit davon entfernt, in Selbstmitleid aufzugehen, rat- und tatlos auf die bevorstehende Evakuierung ins gelobte Afrika zu vertrauen. Sie artikulieren all das, was ’79 und ’80 noch in der Theorie steckengeblieben war und im vergangenen Sommer explodierte: der Eklat in Brixton, in Mosley, in Toxteh… living in these tenements / crying and applying to their Council for assistance every day / now that their tribulations so sad / now that their environment so bad…“ Und Notwehr ist allemal legitim! NEW CHAPTER fällt düster und pessimistisch aus, ohne daß je Resignation durchdringt. Verhaltener Zweckoptimismus, zwischen Paranoia und Nonchalance, nicht bloß ein Spiegel der Ereignisse, sondern auch der Versuch, die eigene Identität abzuschirmen und zu erhalten. „I said you must be blind can’t you see mankind / when we read and discover ourselves / the injustices of this here government… “ Und sie argumentieren nicht mit biblischen brimstone & fire-Verwünschungen, sondern mit einem Vokabular, was auch jeder historische Analphabet problemlos bewältigen kann.

1981 war Aswads Jahr und NEW CHAPTER der Prüfsstein für ihre Standfestigkeit, möglicherweise das wichtigste Reggae-Album, was je in Britannien entstand. Und ich bin überzeugt davon, daß Brinsley, Drummie, Tony und Levi sogar NEW CHAPTER noch übertreffen können…