Alan Vega – Collision Drive
Alle meine Freunde mögen diese Platte. Selbst eingefleischte Suicide-Puristen, die Alan Vegas ersie Solo-LP für einen einmaligen Rockabilly-Fehltritt hielten, sind jetzt ganz auf meiner Seite, zumal ich ihnen im vergangenen Herbst als DJ dauernd das jetzt schon legendäre Juke Box Babe“ um die Ohren geknallt habe.
Alan Vega braucht nicht wie die epigonalen Stray Cats und die besseren, aber unbekannteren schottischen Shakin‘ Pyramids in Raritäten-Shops nach Vorbildern zu suchen. Während des Korea-Krieges geboren, sah er in den 50er Jahren alle seine Helden noch zu ihren Lebzeiten im Fernsehen. Besonders taten es ihm anscheinend Gene Vincent und seine Blue Caps an, zweifelsohne die härteste Rock-Combo der ersten Generation.
So verwundert es nicht, daß der eher als Iggy-Pop- und -Reed-Fan bekannte Alan bei seinem zweiten (wenn man so will: psycho-analytischen) Solo-Ausflug „Be Bop A Lula“ virtuos nachsingt. Er hat seine Version gegenüber dem Original von ’56 um genau 21 Sekunden kürzer gehalten, da er wohl nicht so langanhaltend zu schluchzen vermag wie der vor gut zehn Jahren elendig verreckte „Sweet Gene Vincent“ (Ian Dury). Nicht nur deshalb beansprucht er das Copyright an dem Song, denn er hat in ihn auch gleich noch Henry Mancinis (!) Titelmelodie der hier nie gelaufenen TV-Serie „Peter Gun“ eingebaut.
Über fast die gesamte LP könnte man als Motto „a-doo-wop-a-wop/ a-doo-wop-a-wop“ stellen. Seite eins spricht allein durch seine Titel schon Rock-Bände: In „Outlaw“ fordert der durch das amerikanische Elend stark politisierte New Yorker vehement „more, more, more/ more for the poor“, in „Raver“ geht er auf ausdrücklichen COLLISION DRIVE! „Ghost Rider“ variiert sehr modern das alte Thema vom selbstmörderischen Motorradfahrer. Seine (tatsächlich existierende) Freundin Magdalena, die er gleich auf beiden Seiten besingt, wird von nun an so unsterblich sein wie „Tallahassie Lassie“, „Bony Maronie“, „Peggy Sue“, „Mary Lou“, „Long Tall Sally“ und „Sweet Jane“.
Die sperrigste Komposition, die noch am meisten an die übrigens weiterhin existierenden Suicide erinnert, ist das Schlußstück „Viet Vet“, in dem der Vietnam-Veteran Alan Veqa, der 68/69 in Südostasien ein ,deer hunter“ war, das verdrängte Kriegstrauma in einem über zwölfminütigen Urschrei weitaus eindringlicher verarbeitet, als es vor Jahren der mehrstündige Schmachtfetzen aus Hollywood „Coming Home“ tat. „Viet Vet“ ist für mich die bislang einzig diskutable musikalische Botschaft eines im Kriege geistig oder körperlich Versehrten seit „Ruby (Don’t Take Your Love To Town)“.
Wie seine musikalischen Ahnen zeigt Alan Vega, daß man auch in den 80er Jahren nur eine Stimme (von ihm selbst), eine Gitarre (MarkKuch), einen Bass (Larry Chaplan) und ein Schlagzeug (SesuColeman) braucht, um die Fetzen fliegen zu lassen.
Die Bewertung der Platte überließ ich einem alten Bekannten: Mr. Spock. Nach einem Zug durch die Gemeinde, bei dem er Elvis, Johnny Burnette, Buddy Holly, den Big Bopper, Johnny Kidd, Eddie Cochran und nicht zuletzt Gene Vincent auf Cloud No.9 bei einer Jam-Session traf, gaben sie ihm mit auf den Weg, er möge COLLISION DRIVE soviel Sterne wie möglich geben, wenn er mal wieder zurückkehrt. Ich möchte ihm nicht widersprechen.
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