James Chance And The Contortions – Live In New York City
Hier ist Musik für die Wanderlust-Stimmung um 4 Uhr morgens, wenn der Mensch entscheiden muß: Bleibt er in der Nacht, oder gleitet er ab in den Tag. Dschungel-Musik für Bambas. Freifliegende Surf-Parade in den Abwässerkanälen.
Das New Yorker Label Reachout International bringt zwei Live-Mitschnitte auf Cassette heraus, die nie auf Vinyl zu haben sein werden:
LIVE IN N.Y. von James Chance (mit den Contortions) läuft 60 (!) Minuten und bietet Material in ausgezeichneter Aufnahme-Qualität aus der Zeit Ende ’80/Anfang ’81. Abgemixt von Herrn Chance persönlich. Er bläst sein Saxophon unter selbstauferlegter/freiwilliger Selbstkontrolle und singt. Er verschmilzt den Schmalz von Sinatra mit dem Schweiß des James Brown. Seite 2 hat auch die beiden Discolitas als Unterstützung am Mikrophon, und der Defunkt-Bläser Joe Bowie steht im freien Funk-Fall cool bei den Stücken „Money To Burn“, „Contort Yourself“. Der Atem stockt beim Besten: Chances Interpretationen von „That Old Black Magic“ (Sinatra), „I Got You, I Feel Good“ + „King Heroin“ (beide: James Brown). Alles Andere/Wichtige steht in den begleitenden Worten von Glenn O’Brien (der die Rubrik BEAT in Warhols‘ INTERVIEW Zeitung hat).
8 Eyed Spy, aus New York, hieß die Gruppe von Volt-Barby-Doll Lydia Lunch (Gesang), die ihre Musiker so oft wechselt wie andere Leute Streichhölzer. Nach 8 Eyed Spy hatte sie ihre Devil Dogs (eine Blues-Band), heute nennt sie ihre neue Gang 13/13. LIVE wurde von DBs-Mann Chris Stamey aufgenommen, im Jahr ’80. Dauer: 35 Minuten. Weitere Aufnahmen sollen auf einer LP erscheinen (Fetish Records), zusammen mit Studio-Takes der 8 EyedSpy.
„But I’ve gone so extremely OUT, that the only way back is IN.“ (Frau Lunch im Mai ’80) Die Wände sind schwarz. Lydia, die aussieht, als hätte sie die Grace-Jones-Wild-Pose schon bei ihrer Geburt ausgespuckt, jault frei in den Grenzgebieten Schimpfen-Singen-Sprechen; eine grölende Öl-Göre, während die Band (der begabte und leider verstorbene George Scott, Baß; der Ur-Teenage Jesus And The Jerks Schlagzeuger Jim Sclavunos; Pat Irwin, heute bei den Raybeats, am wimmernden Saxophon und Gitarre; Michael Paumgardhen, Gitarre) zeigt, daß man brutale Musik strukturieren kann! Bluesiger Rock. Mit einer unglaublichen Version von „Run Through The Jungle“ (Creedence Clearwater Revival). Die Qualität der Cassette ist roh – doch so ist die Musik.
QUEEN OF SIAM entstand vor 8 Eyed Spy, erschien Ende‘ 7 9 auf dem New Yorker ZE-Label, dann, 1980, bei Celluloid in Paris, und ist nun hier zu haben, seitdem Ariola das Celluloid-Material vertreibt. Apropos Daten: Lydia und Mr.Chance waren früher zusammen bei Teenage Jesus, wo jeder, bis auf den Sax-Spieler, den gleichen Rhythmus klopfte. Lydia folterte ihre Gitarre. Auch zu hören bei ihrer Nach-Teenage-Band Beirut Slump, deren Single „Staircase“ (Migraine Records, 1979) traumhaft ist! Doch zurück zur Lebenslust. J’ve blackened the walls as I suller my youth, I’ve got the cancer of birth and I ask What’s the use?‘ There’s knives in my drain, and there’s shafts in my brain .. .“ verführt Lydia mürbe bei „Knives In The Drain“, während vernebelter Nachtclub-Jazz-Swing mit einer kratzenden E-Gitarre (Void-oid Bob Quine) kollidiert. Mehr Broadway-Stimmung, wenn ihre schmutzige Stimme Billy Holidays „Gloomy Sunday“ schmalzt und „Spooky“ von den Classic IV’s interpretiert.
QUEEN: zwischen Beat und Acappella mit Orchestermanipulation. Entfaltet die verdeckten Seiten des Lebens. Ach ja/so: L.L. ist katholisch erzogen, und Poet. Und sie hat doch Schuldgefühle 5 (8 Eyed Spy) 6 (der Rest).
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