Die morbide Karriere des „Elephant Man“
Das Leben des „Elephant Man“ findet sich mittlerweile in verschiedenen Dokumentationen bzw. Erzählungen wieder. David Bowie stand in der Rolle des mißgestalteten John Merrick in einem Bühnenstück von Bemard Pommerance am Broadway auf der Bühne. Regisseur David Lynch distanzierte sich bei der Arbeit an seinem gleichnamigen Film, ‚The Elephant Man/Der Elephanten Mensch“ jedoch ausdrücklich von dieser Fassung und zeichnete ein nahezu magisches Bild aus der Epoche der Industriellen Revolution, in der unglückselige Freaks wie Merrick als beliebte Ausstellungsobjekte galten.
„I want to make art populär!“ David Lynch.
Zeit/Ort: Viktorianisches England (um 1880) Londoner EastEnd. Der Arzt Fredenck Treves (Anthony Hopkins), wißbegierig und auf der Jagd nach Freaks (unser Mann ist Chirurg), entdeckt auf dem Rummel einer Freak-Show John Merrick (John Hurt). Merrick, ein junger Mann, geistig hochentwickelt, ist seit Geburt körperlich völlig entstellt (die Krankheit heißt Multiple Neurofibromatose). Merncks Kopf, der dem Zuschauer des Films lange Zeit durch einen Sack verborgen bleibt, hat die Form einer enormen, grotesk geschwollenen Knolle. Die Deformationen seines ganzen Körpers sind durch die kosmetische Maske und das Make-Up (beides perfekt!) bis ins grausamste Detail wiedergegeben. Memck kann sich nur selbst durch die Augen und den Laut Klang seiner Stimme ausdrücken (das leuchtende kleine Auge, das aus dem Wulst an Deformation herausscheint, beherrscht unsere Aufmerksamkeit mindestens genau so, wie der übrige Körper, die Maske, die der Schauspieler Hurt er ist nicht zu erkennen – mit Leben eranfüllt). Merricks morbide Karriere in der Rummel-Freak-Show ist so abstoßend, daß die Behörden manchmal seine öffentliche Zurschaustellung verbieten (er wird in der Show als DER ELEPHANTEN MENSCH angeboten! Der richtige John Memck – denn dies ist eine wahre Geschichte – war überzeugt, daß seine Körperverformungen daher rührten, daß ein Zirkuselephant seine mit ihm schwangere Mutter angefallen hatte).
Der Arzt Treves will dem Elephanten-Menschen zu einem normalen Leben verhelfen und holt ihn zu sich ins Whitechapel Hospital, wo er seine letzten vier Jahre verbringt. Im Alter von 27 stirbt John Merrick, nachdem er zu einer Art Liebling Hätschelkind Exot der Londoner Aristokratie geworden war.
Der Film stellt sich nicht nur durch seine Schwarz-Weiß-Technik intensiv ein auf die Stimmung der Viktorianischen Zeit. Das Schwarz-Weiß nimmt dich raus aus unserer Real-Weit und wirft dich zurück in die dunkle teuflische stinkende Epoche der Industriellen Revolution. Industrie-Bilder und -Geräusche füllen den Film; Fabriken Qualm rasselnde Maschinen – David Lynch scheint fasziniert davon. Und vor in dieser Szenerie zeichnet Lynch den Charakter des Elephanten-Menschen, einen unglaublich ausgeglichenen, romantischen, intelligenten Merrick, der, eingeschlossen im Körper eines Freaks, an die menschliche Natur glaubt, nach ihr bohrt. Jedoch unsicher und scheu ist. Als er vom wütenden Mob in einer Ecke der Bahnhofstoiletten bedroht wird, tönt das Monster den scheinbar normalen, gesunden Menschen entgegen: „Ich bin kein Tier! Ich bin ein menschliches Wesen! Ich … bin … ein Mensch“. Die Sympathie des Zuschauers liegt beim Verdammten.
Es ist erstaunlich, wie schnell der Schock, den Merricks Äußeres hervorruft, im Verlauf des Films verfliegt und seine Intelligenz, sein Geisteszustand die „Oberhand“ gewinnen!
In der Zeichnung der Außenseiter Freaks retten den aus dem Hospital geflohenen Merrick aus den Händen des brutalen Alkoholikers Bytes, der den E.-Menschen ausstellt erinnert Regisseur David Lynch an Tod Brownings FREAKS aus dem Jahre 1932: sie verhalten sich menschlich. Die wahren Monster sind die Normalen. Die, die mit Merrick zusammentreffen, reagieren unterschiedlich: Neugierde. Angst, Ablehnung und brutale Feindseligkeit (Betrunkene fallen in sein Zimmer ein und demütigen ihn) und ehrliches Interesse, Anteilnahme, Sorge (der Arzt, z.B.) David Lynch, der mit seiner Horror-Fantasie ERASERHEAD bekannt wurde, setzt auch hier Film-Illusion ein. Zaubert visuell. Viele Szenen beginnen oder enden im Dampf Rauch; so auch der Anfang, wo in Zeitlupe furchtbringende Bilder Visionen einer wilden‘ trompetenden Elephantenherde, überlagert mit der sich windenden Mutter, gezeigt werden. Schatten, Suspense, Spannung und Sentimentalität bestimmen den ganzen Film, bringen ihn in die Nahe eines Horror-Streifens. Fremde, Isolation. Einer der stärksten Momente bleiben die Nächte in einem sonderbaren Randgebiet, wo die Freaks ihre Zirkuswagen stehen haben, eine zwingende Metapher, die darauf verweist, daß DER ELEPHANTEN MENSCH uns auch ins Mystische, in die Magie taucht. Leben an der Kante…
Nach-Wort: Der Film basiert auf demselben Quellenmaterial wie das Theaterstück von Bemard Pomerance mit David Bowie als John Merrick (Regisseur: Jack Hofsiss), steht aber mit dem Stück selbst in keiner Beziehung.
Inzwischen hat sich eine Art ELEPHANT MAN Industrie entwickelt, man versucht, die Populantat, die der Stoff durch die Bowie-Besetzung in der Broadway-Aufführung gewonnen hat, auszunutzen: nicht weniger als fünf Bücher werden unter dem Titel THE ELEPHANT MAN angeboten. „The Elephant Man And Other Reminiscences“, zuerst 1923 veröffentlicht, vom Arzt Frederick Treves selbst geschrieben, enthält zehn Seiten zum Fall Merrick. „The Elephant Man“ von Christine Sparks ist das Skript des Films, umgewandelt in eine Erzählung. „The True History Ot The Elephant Man“ (Michael Howell Peter Ford) ist eine Stoffsammlung. „The Elephant Man“ von Bernard Pomerance ist das Skript des Theaterstücks. Und das beste informativste bleibt das Virqin-Buch „The Elephant Man The Book Of The Film“: Hintergrundinformation zum Fall zur Krankheit zu den Dreharbeiten und sehr gute Photos (das Gesicht ohne Sack, die Herstellung der Filmmaske).
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