Can – Cannibalism
Der Job des Kritikers, zumal des Plattenrezensenten, besitzt eine unüberbrückbare Eigenheit: Neue Platten sollen nach ein, zwei Wochen besprochen worden sein bis dahin hat der Kritiker eine abdruckbare, definitive Meinung geliefert zu haben. Die Eigenheit: Danach erst, mitunter ein Jahrzehnt lang, beginnt man mit der eben besprochenen Platte zu leben; man legt sie morgens, abends oder auch nicht mehr auf; hört in unterschiedlichsten Stimmungen und gerade noch super-fortschrittliche LPs tönen nach einigen Jahren langweilig, weil langst vom Trend eingeholt.
Wüßte ich es nicht besser, dann konnte man mir CANNIBALISM 1981 als brandneues Doppelalbum einer neuen Kölner Band unterjubeln derart zeitlos klingen also jene Songs, die Can zwischen 1969 und 1974 aufgenommen und hier kompiliert haben. Übrigens auf einem in England schon länger erhältlichen Album, das erst jetzt auch zu uns kommt. Inbegriffen sind Stücke aus LPs wie MONSTER MOVIE, SOUNDTRACKS, TA-GO MAGO, EGE BAMYASI, FUTURE DAYS und SOON OVER BABA-LUMA, namentlich solche Can-„Hits“ wie „Father Cannot Yell“, „Spoon“, „Dizzy Dizzy“, „You Doo Right“ oder „Mushroom“. Ein wunderbarer Einstieg für neue Can-Freunde, eine Gelegenheit für Alt-Cans, ihre Sammlung aufzufrischen und natürlicherweise überflüssig für Can-Freaks, weil die ja alles schon auf den regulären LPs besitzen.
Nach wie vor hinterläßt Can-Musik, obwohl gemäß Stereo HiFi ziemlich perfekt eingespielt (Holger Czukay), den Eindruck des zwar Vollkommenen, aber zugleich Erweiterungsfähigen der geneigte Hörer kann (und soll?) mit- und weiterdenken. Daneben überzeugt die musikalische Vielfarbigkeit. Man versuche einmal, „Soup“, „She Brings The Rain“ und „Father Cannot Yell“ stilistisch unter einen Hut zu bringen. Trotzdem sind stets Can als Macher erkennbar: Durch Jackie Liebezeits repetitive Schlagzeugarbeit, Irmin Schmidts subtile Keyboards und Michael Karohs „unnormales“ Gitarrenspiel. Im übrigen ist das Cover reich bebildert und beschriftet, allerdings: Wer singt „She Brings The Rain“? Und noch eines: Alle Can-LPs, inklusive der vorliegenden, sind auf dem neuen Spoon-Label über Teldec Importdienst erhältlich. Halleluwah!
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