Meistersinger & Ihre Kinder

Neun Jahre ist es her, daß die Nürnberger Gruppe „Ihre Kinder“ einen steinigen Acker zu bestellen begann: rockorientierte Musik und deutsche Texte zusammenzubringen. Der kommerzielle Flop war damals programmiert, die Früchte ihrer frühen Müh‘ ernteten andere. Jetzt, zur Boomzeit der deutschsprachigen Szene, melden sich mit Sonny Henning und Ernst Schultz plötzlich auch zwei der verschollen geglaubten „Kinder“ zurück. Beide haben, jeder für sich, die altehrwürdigen Nürnberger Meistersinger als akustische Ahnen identifiziert: Grafiker Schultz im ersten Song seiner Sololangrille, Henning gleich bei der kompletten Namensgebung seiner Band.

Bei Sonny Henning hört man durch, daß er nach „Kinder“-Split und „Tränengas“-Versuch viel in Ami-Clubs getingelt hat. Seine in Eigenregie produzierten und gemixten Songs sind streckenweise richtig funky – auf dieser stilistischen Wellenlänge schwimmen vor allem Bassist Alf Schmukker und der farbige Trommler Herva Middleton. Henning badet immer noch und mehr denn je in selbstquälerischresignativer Lyrik. Nimmt man ein nervendes Nonsens-Stück wie „Bär sucht Honig“ einmal aus, singt und seufzt er eigentlich von nichts anderem als von „schlechten Zeiten“ (Songtitel). Drop-out- und Selbstmordphantasien, Lebensleere und Orientierungslosigkeit: aus Text und Musik wuchert Aschermittwochstimmung. Leckgeschlagene Seelen sollten diesen Henning stets gut dosiert genießen – er zieht unerbittlich runter.

Im Vergleich mit derlei sensiblem Plattenpsychogramm mutet Schultz‘ (nach „Paranoia Picknick“) zweites Soloalbum fast wie ein Stück easy-listening an. Statt ausweglosem Weltschmerz ist hier eher flüchtiges Herzeleid oder nostalgische Wehmut angesagt. Musikalisch bewegt sich Schultz ziemlich geschmacksicher auf dem weitläufigen Pop-Parkett. Langsame, gefällige, satt instrumentierte Songs geben den Ton an. Hier lugt mal ein Stück Schlagermentalität durch, dort kommt’s dafür um so rockiger. Eine kleine Verbeugung vor dem bisweilen durchschimmernden Udo L. („Tief im Süden“) ist genauso im Programm wie eine Bearbeitung des schmerzlich-schönsten Liebeslieds, das Henning noch zu gemeinsamen „Kinder“-Tagen geschrieben hat („Nie vergeß ich wie es war“). U.a. mit im Studio: Kristian Schultze und Muck Groh.