Peter Tosh – Bush Doctor
Die verblüffende Nachricht ging zum erstenmal vor einem halben Jahr um die Welt: den ersten Vertragskünstler für ihr eigenes Plattenlabel holten sich Mick Jagger und Keith Richard aus Jamaika. Peter Tosh, bis 1973 mit Bob Marley und Bunny Livingston das Herz der Wailers, ein unermüdlicher und unbeugsamer Kämpfer für Menschenrechte, Freiheit und die Freigabe von Marihuana, ein großer Songschreiber und großer Sänger, wagte sich nach „Babylon“, in die ausgelaugte westliche Zivilisation, und unterschrieb bei „Rolling Stones Records“. Wenig später ging er im Vorprogramm der Stones sogar auf US-Tournee. Gleichwohl ahnte selbst da niemand, wie eng der Bund zwischen dem Rasta und den Rockern noch werden würde: Seit wenigen Tagen gibt es nämlich ein Plättchen, auf dem singt Peter Tosh gemeinsam mit Mick Jagger eine Reggae-Nummer, und es ist einer der besten Songs des Jahres. Mehr über „Don’t Look Back“ an anderer Stelle in dieser Zeitschrift -Seite vier unten, Single des Monats.
Auch die übrigen Titel des Albums hinterlassen einen starken Eindruck. Peter Tosh gelingt es stets, einprägsame Melodien zu verarbeiten, und die prägnanten Themen aus seiner Gitarre nisten sich ebenso hartnäckig im Hinterkopf ein. Allerdings: wer mal das zweite Soloalbum von Peter Tosh gehört hat (es heißt „Equal Rights“, ist ein Meilenstein des Reggae und wurde von CBS hierzulande nicht veröffentlicht), traut jetzt seinen Ohren nicht der klare Roots-Reggae ist ersetzt worden durch einen höchst kommerziellen Pop-Reggae, der selbst das amerikanische Publikum weichkneten dürfte. Glücklicherweise steckt in Peter Tosh soviel Aufrichtigkeit und Erdverbundenheit, daß ihm all die hübschen Arrangements, hinter denen sicherlich auch der sanfte Druck der Stones steckt, (noch) nichts anhaben können. Begleitet von jamaikanischen Musikern hat er halt schöne, auf internationale Hörgewohnheiten zugeschnittene Songs eingespielt.
Nur: ob die Botschaft des sozialpolitischen Kämpfers in diesem Gewand noch durchkommt, das ist die Frage. „Peter Tosh und Jagger/ Richard – Rebellen, die sich zusammentun“, heißt es werbewirksam in einem PR-Text des Plattenkonzerns EMI. Aber genau das stimmt nicht. Mit dieser Platte ist Tosh nicht mehr Rebell, sondern Rock-Entertainer. Jamaikas Bob Dylan sozusagen. Was ja auch ganz nett ist.