Chet Baker – You can’t go Home Again
Chet Bakers Beitrag zum amerikanischen Jazz ist unumstritten. Der durch Alkohol und Drogen stark gebeutelte Trompeter hatte es in den letzten Jahren zwar sehr schwer, sich auf der Szene zu behaupten. Doch wenn er irgendwo auftauchte, sorgte er für eine Sensation. Die letzte löste er im November 1974 aus, wo er mit seinem langjährigen Mitstreiter Gerry Mulligan in der New Yorker Carnegie Hall das legendäre Reunionkonzert gab, welches auch auf Schallplatte mitgeschnitten wurde (CTI/Metronome). Seither hatte man nicht mehr viel von ihm gehört. Gerüchten zufolge war er in einer Heilanstalt, wo er sich von seiner Drogensucht heilen lassen hat.
Für seine jüngste Plattenproduktion hat ihm nun sein Produzent und Arrangeur Don Sebesky eine Band ins Studio geholt, die Garant für eine hervorragende Produktion ist. Ron Carter (Baß), Tony Williams (Schlagzeug) und Ralph McDonald (Percussion) sorgen für einen treibenden, aber niemals hektischen Rhythmusteppich. Man kann ohne Umschweife zugeben, daß diese Rhythmusgruppe derzeit die Weltrangliste im Jazz anführt. Don Sebesky bedient das Piano selbst, und an der Gitarre gibt sich John Scofield ein Stelldichein. Scofield war auch beim Carnegie Hall-Konzert mit dabei.
Den Auftakt bildet Cole Porters Klassiker „Love For Sale“, bei dem nach einer kurzen Einleitung von Baß, Schlagzeug, E-Piano und Percussion Chet Baker alleine das Thema aufgreift, es dann an den Saxophonisten Randy Brecker weitergibt bis sich beide in einer genial arrangierten Swingphrase treffen. Baker bestätigt hier seinen starken Einfluß auf den modernen Jazz. Sein Markenzeichen, den coolen Ansatz mit sehr wenig Vibrato, hat er immer noch, und das macht ihn zu einem der lyrischsten Trompeter unserer Zeit. Das zweite Stück auf Seite 1 ist Bud Powells Komposition „Un Poco Loco“ aus dem Jahr 1953. Neun Minuten und zwanzig Sekunden treiben sich die neun beteiligten Musiker zu Höchstleistungen an. Der marschierende Swing mit dem simplen Thema wird im Mittelteil von einem Dreivierteltakt aufgenommen, bei dem Chet Baker mit ungebrochener Energie eines seiner schönsten Soli bläst. Daß Titelstück stammt von Don Sebesky und wurde nach einer Novelle des amerikanischen Schriftstellers Thomas Woolfe konzipiert. Don Sebesky hat mit dieser Ballade einen Klassiker geschaffen. „You Can’t Go Home Again“ war Paul Desmonds letzte Schallplattenaufnahme. Sein Solo ist der Abgesang eines der wichtigsten Musiker, die der Jazz je hervorgebracht hat. Das Schlußstück „El Morro“ war unter dem Titel „The Rape Of El Morro“ eine der erfolgreichsten Sebesky-Kompositionen. Das Stück ist eine ideale Bereicherung für Chet Bakers neues musikalisches Konzept, verschiedene Stilformen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Sebesky hat hier eine Möglichkeit geschaffen, südamerikanische Folklore mit modernem Jazz sehr geschmackvoll zu verbinden.