Karla Bonoff
Gesetzt den Fall, du magst eigentlich die Platten von Linda Ronstadt ganz gern, findest aber, daß ihre LPs zu stark nach stets demselben Muster gestrickt sind. Du hörst gern melodische Popsongs, etwas sentimental bisweilen, doch in Grenzen, attraktiv arrangiert, mit einem Schuß Rock drin und einem Hauch von Country. Warum versuchst du es nicht mit Karla Bonoffs Debütalbum?
Du hast den Namen noch nie gehört? Doch, doch, Linda Ronstadt hat gleich drei Songs von Karla Bonoff für „Hasten Down The Wind“ aufgenommen, und auch auf Bonnie Raitts letzter LP findest du einen Titel von ihr: „Home“. Ebenso wie „Home“ sind die drei Ronstadt-Aufnahmen „Lose Again“, „If He’s Ever Near“ und „Someone To Lay Down Beside Me“ auf „Karla Bonoff“ vertreten, aber das sollte dich nicht abschrekken: die Originalversionen halten dem Vergleich mit Lovely Lindas Fassungen allemal stand.
Karla Bonoffs Begleitband auf dieser Platte besteht aus den Musikern, die 1976 mit Linda Ronstadt durch Europa tourten: Andrew Gold (Piano und Gitarre), Waddy Wachtel (Gitarre), Dan Dugmore (Steel Gitarre), Kenny Edwards (Bassist und Produzent der LP) und Michael Botts (Schlagzeug). Wohl um Kenny Edwards mehr Freiraum in seiner Funktion als Produzent zu lassen, werden bei einigen Tracks LA’s bewährtes Rhythmus-Duo Leland Sklar und Rüssel Kunkel und für „Home“ Emmylou Harris‘ Taktgeber Emory Gordy und John Ware eingesetzt. Karla Bonoff befindet sich also in illustrer Gesellschaft, deren Spiel dank Edwards‘ Produktion den typischen Ronstadt-Sound weitgehend vermeidet. Die Arrangements sind weniger baß- und schlagzeugbetont, Piano, Gitarren und Stimmen dominieren im Klangbild.
Mit zwei Ausnahmen hat Karla Bonoff alle Songs selbst geschrieben, deren Thema zumeist die Liebe ist („Isn’t It Always Love“ heißt es gleichsam programmatisch in einem Titel) und die als wesentliches Merkmal eine prägnante, eingängige Melodie auszeichnet. Karla Bonoffs Gesang hat besonders in den hohen Tonlagen nicht Ronstadts Kraft (es mag ermüden, aber Vergleiche mit Lovely Linda sind bei bestem Bemühen nicht zu umgehen), ihre Interpretationen sind generell verhaltener und wirken persönlicher, was sehr vorteilhaft in Songs von Einsamkeit und verlorener Liebe zur Geltung kommt („If He’s Ever Near“ und „Lose Again“).
Die Qualität auch der neuen Songs „I Can’t Hold On“, „Falling Star“ und „Rose In The Garden“ weisen Karla Bonoff als bemerkenswerte Songschreiberin und Sängerin aus, deren erstes Album für meinen Geschmack frei von „Füllern“ ist.
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