Eno – Before And After Science
Leider wurde aus meinem Eno-Interview für diesen ME nichts – el maestro arbeitet bereits an einem neuen Album. Daher habe ich mich erst einmal mit seiner neuen LP „Before And After The Science“ auseinandergesetzt – eine höchst angenehme Beschäftigung. Eno scheint ohnehin nichts unter einem gewissen Niveau produzieren zu können. Selbst wenn man zu seiner versponnenen Tontraumwelt keinen Zugang findet, fasziniert sie immer aufs Neue.
Dies Album zum Beispiel ist innerhalb des Minimal-Music-Konzeptes, in dem sich Eno tummelt, wesentlich freier und realistischer. Der signifikante Eno-Sound stellt sich sofort bei „No One Receiving“ ein, und wirklich Spektakuläres geschieht nicht. Man hat das Gefühl, daß Eno nun weniger gespannt und hektisch seinen Ideen Zeit und Raum zur Entfaltung gönnt, anstatt zum nächsten bizarren Tonbild zu laufen. Auch im Gesang ist er ruhiger geworden; nur noch auf „King’s Lead Hat“ ist jene gepreßte, befremdliche Stimme da. Mit dem Gewitterschlagzeug und den nervösen Dissonanzen ist es das experimentellste und auffallendste Stück der LP. Instrumental hat Eno diesmal eine Traumbesetzung mit einer langen Liste von Musikern, die sehr sorgfältig nach der jeweiligen Stimmung eines Songs ausgewählt sind. Jackie Liebezeits Schlagzeug etwa hat man bei Can noch nie so unbeschwert und einfallsreich wie auf „Backwater“ gehört, und die Gitarrenparts von Fred Frith auf „Energy Fools The Magician“ und „Through Hollow Lands“ sind die behutsamsten und wärmsten, die ich seit langem auf einer elektronisch-orientierten LP zu hören bekommen habe.
Während Seite eins wesentlich rhythmischer und rockiger ist, an Bowie und das Live-Album von 801 erinnert, fällt Seite zwei sehr sanftmütig, beruhigend, melancholisch und verträumt aus und ist meist in den Molltonlagen angesiedelt. Wohltuend schwebt und gleitet diese Musik über die Haut wie warmes Badewasser oder die milde Spätsommersonne und ergänzt sich ideal mit den vier heiligenden Aquarellen von Peter Schmidt. Ganz sicher keine auffällige, aber dafür sehr sensible Platte.