Der weiße Hai

Das Geschäft mit der Angst der Kinofans hat Zukunft. Am 19. Dezember rollt in den deutschen Filmtheatern der härteste aller Horrorfilme an: Der weiße Hai.

Um es gleich vorweg zu sagen, dieser Streifen ist gleichzeitig der erfolgreichste in der Geschichte des amerikanischen Filmgeschäftes. Am 20. Juni lief ‚Der weiße Hai‘ in den USA an – 87 Tage später hatte er bereits die bisher einmalige Rekordsumme von 425 Mill. DM eingespielt. Und das war erst der Anfang. Damit ist ‚Der Pate‘ glatt auf Platz zwei verwiesen.

Das Grauen breitete sich im ‚Weißen Hai“ erst zaghaft, dann aber mit Siebenmeilenstiefeln aus. Die Story – nach dem Bestseller von Peter Benchlev – beginnt auf der sonnigen Ferieninsel Amity vor der amerikanischen Ostküste. Ein junges Mädchen nimmt ein Bad im Schein der untergehenden Sonne. Wie romantisch! – Plötzlich jedoch wird sie aus dem Wasser geschleudert und dann in die Tiefe gerissen. Am nächsten Morgen findet Sheriff Brodv die grauenhaft verstümmelten Überreste der Vermißten. Der Mörder: ein Hai.

Sheriff Brodv will sofort die Strände sperren lassen. Aber der Bürgermeister und die Geschäftsleute fürchten um ihre Profite. Denn die Insel lebt gerade im Juni vom Tourismus. So bleibt alles beim alten, und als nächster fällt ein kleiner Junge dem Hai zum Opfer. Auch jetzt zögert der Gemeinderat. Er schickt erst mal eine ganze Haifänger-Flotte auf Jagd. Sie kehrt zurück und präsentiert einen Tigerhai: Er soll der große Killer sein.

Inzwischen ist ein Fachmann vom Ozeanischen Institut eingetroffen. Matt Hooper, jung, mutig, reich und verrückt, untersucht die Opfer und den erlegten Hai. Das Ergebnis: Das ist nicht der Killer. Es muß sich dabei um ein Monstrum handeln, neun Meter lang. Ein seltenes Exemplar, das in die Gewässer vor Amitv eingefallen ist und nun alles frißt, was ihm vor das riesige Maul und zwischen die handgroßen Sägezähne kommt. Hooper findet jedoch kein Gehör. Neue Touristen-Massen wälzen sich an den Strand, der Hai findet ein neues Opfer unter den Badenden. Brodys kleiner Junge entgeht knapp dem Tod. Da endlich wird gehandelt. Brodv, Hooper und der Hai-Jäger Quint besteigen Quints Schiff und nehmen die Jagd auf den Weißen Hai auf. Hin mörderischer, gnadenloser Kampf auf Leben und Tod beginnt. Aus den Jägern werden Gejagte. Bilder des Grauens wechseln mit Gefechtspausen, die die Spannung nur noch höher treiben. Nicht nur die beiden Überlebenden sind am Ende reif für die Klappsmühle. Auch die Zuschauer reagieren mit Schreckensschreien, Magenkrämpfen und die Sensiblen nachts darauf mit Alpträumen.

Und welcher Wahnsinnige hat sich all das ausgedacht? Steven Spielberg, der blutjunge Regisseur (er ist erst 27). wird in Hollywood als Wunderkind gefeiert. ‚Der weiße Hai‘ ist erst sein dritter Spielfilm. Aber bestimmt nicht sein letzter. Musik Express fragte den Regisseur: Kann man die Leute heutzutage nur noch mit Gewalt, Blut und Katastrophen ins Kino locken? Spielberg: „Wieso heute? Die meisten großen Filme hatten einen gewalttätigen Höhepunkt oder Schlußakkord. Das gilt ja selbst für viele klassische Theaterstücke. Nur – heute zeigt man alles deutlicher. Aber „Der weiße Hai“ ist kein Katastrophen-Film. Sondern ein Abenteuerfilm, der den Konflikt zwischen Mensch und Natur zeigt. Die Natur ist nun mal grausam.“

MUSIK EXPRESS: Trotzdem, dieser Film ist als Schocker angelegt …

Spielberg: „Aber die Natur ist doch schockierend. Vor hundert Jahren gingen die Menschen nicht baden und darum wurde auch kein Mensch in den flachen Küstengewässern von Haien angefallen. Jetzt wollen wir plötzlich auch die Küstengewässer beherrschen. Aber da haben wir eben Konkurrenz. Ich wollte die Gefahren zeigen, die die Natur für den Menschen bereithält, auch wenn er sich schon längst für den König aller Lebewesen hält. Ich zeige euch die Mysterien der Natur!“

MUSIK EXPRESS: Warum sind die Amerikaner so wild auf diesen Film?

Spielberg: „Die Lust an der Angst lockt sie vor die Leinwand. Der Schreck und die Bedrohung im Film ist für sie eine Herausforderung. Mein Film ist so realistisch, daß er bei den Zuschauern echte Angstgefühle hervorruft. Aber hinterher gehen sie dann fast alle lächelnd aus den Kinos – das ist wahr! Sie sind stolz, daß sie so mutig waren. Und sie sind wahrscheinlich froh, daß sie ihren Klappsitz lebend verlassen konnten.“

MUSIK EXPRESS: Und sind Sie stolz, die Dreharbeiten heil überstanden zu haben? Spielberg: „In gewisser Weise schon. Die gesamte Filmmannschaft war am Ende mit den Nerven runter … im Film wirkt ja alles so zivilisiert. Aber wir haben mit einer täuschend echt aussehenden Hai-Attrappe gearbeitet, wir wurden täglich von bluttriefendem Wasser umspült. Sechs Monate lang waren wir auf See, es war die Hölle. Hinterher wurde einer der Kabelträger verrückt. Er sagte: „So, jetzt gehe ich ins Wasser und ich schwimme um ganz Amerika herum. Und dann ging er wirklich …“

MUSIK EXPRESS: Welcher Film hat Ihnen die meiste Angst gemacht?

Spielberg: „Nicht ‚Der weiße Hai‘. Die schlimmsten Filme habe ich als Kind gesehen. Es waren „Pinocchio“ und „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, beide von Walt Disney. Und später „Die Brücke“ von Bernhard Wicki.“

MUSIK EXPRESS: Wie sind sie überhaupt auf dieses Thema gekommen?

Spielberg: „Ich las das Buch von Peter Benchley, und ich dachte mir:

‚Na, das ist ja ganz spannend, aber doch noch viel zu schwach!‘ Ich nahm mir also vor, die Untaten des Hais etwas brutaler auszumalen.“

MUSIK EXPRESS: Warum spielen die Frauen nur Nebenrollen in Ihrem Film? Setzen Sie damit die Tradition der jüngsten Brutalschocker – „Ein Mann sieht rot“, „Rollerball“ etc.-fort?

Spielberg: „Das ist Zufall. Aber eine Frau als hartgesottener Haijäger, das hätte doch wohl etwas blöde gewirkt. Ich würde nie eine Frau einsetzen, die keine vernünftige Rolle spielt. Bei mir gibt’s keine schmückenden Spielzeug-Puppen. Übrigens, Amerika hat im Moment sowieso nur zwei gute Schauspielerinnen: Barbra Streisand und Liza Minelli. Aber für alle Frauenfans habe ich gute Nachrichten: Ich fange jetzt in Hollywood mit einem neuen Film an. Er heißt „Close Encounters“ und hat zwei weibliche Hauptrollen. Zufrieden?“

MUSIK EXPRESS: Essen Sie gerne Hai?

Spielberg: „Mmh, ja doch. Aber nicht während der Dreharbeiten, dafür vorher und hinterher. Haifisch-Fleisch ist lecker, schmeckt ungefähr so wie Schwertfisch.“