Der Nachtportier
Lilianu Cavani, Regisseurin des Nachtportier, ist eine engagierte, italienische Filmemacherin, die sich, für den Zuschauer unbequem, meist mit Themen der Vergangenheil auseinandersetzt. So drehte sie neben vielen anderen Filmen für das italienische Fernsehen eine Dokumentation über das Dritte Reich, die auf Protest der deutsehen Botschaft nicht gesendet werden durfte. Gerade bei diesen Dreharbeiten im KZ von Dachau kam ihr die Idee zu Nachtportier. Anlaß war eine altere, vornehme Dame mit einem Strauß roter Rosen, den sie an der abgerissenen Grundmauer eines Backsteinhauses niederlegte. Wie sich herausstellte, war sie eine jetzt in New York lebende italienische Partisanin, die mit achtzehn nach Dachau gekommen war und sich dort in einen deutschen Aufseher verliebte, der sie sexuell und psychisch mißbrauchte. Sie hat ihn nach ihrer Befreiung nie wiedergesehen, kehrt jedoch jedes Jahr an den Ort ihrer Qualen zurück, um einen Strauß Rosen niederzulegen.
Liliana Cavani recherchierte ähnliche Geschichten und entwickelte daraus den Nachtporticr, der die Gemüter so sehr erhitzte und eine ganze Skala von Emotionen wachrief. In Italien wurde der Film gleich nach der Premiere beschlagnahmt. Man gab ihn jedoch auf Protest berühmter Kollegen und der italienischen Filmindustrie wieder frei, nachdem die Cavani sich geweigert hatte, die verlangten Schnitte an dem Film vorzunehmen, und er als „Kunstwerk“ klassifiziert wurde. In Paris wurde er zum größten Erfolg, so daß man ihn zeitweise in vierzehn Kinos gleichzeitig aufführte, weil der Publikumsandrang so groß war. In Deutschland brachte man ihn erst anderthalb Jahre nach Fertigstellung in die Lichtspielhauser. Vielleicht weil er die deutsche Vergangenheit auf eine andere Art und Weise -vor allem in der vom Autor gedachten Form – wieder aufleben laßt, als dies bisher der Kali war. Denn bis dato wurden zumeist die Synchronisationen verfälscht, Szenen herausgeschnitten, oder gleich die Drehbücher geändert. Oder aber man fabrizierte heroische Abenteuer und Tollpatschereien a la de Fuenes. Nachtportier hat nichts von alledem.
Liliana Cavani will Nachlportier als einen psychologischen Film verstanden wissen, will der Realität ins Gesicht sehen. Leicht hat es der Zuschauer nicht, der Film ist unbequem, schockiert. Zeigt eine sado-masochistische Beziehung zwischen Täter und Opfer auf. Wie die alte Dame in Dachau, so kehrt auch hier das Opfer zurück. Max, der Nachtporticr. trifft in Wien eine junge Frau, Lucia, die er im KZ, als sie ein Mädchen von vierzehn und er ein SS-Offizier war, gequält und geliebt hat. Als sie sich wiederbegegnen, setzen sie Qual und Liebe fort.
Liliana Cavani hätte keine besseren Darsteller für Lucia und Max finden können, als Charlotte Rampling und Dirk Bogarde. Sie verstehen es ausgezeichnet, diese beiden Charaktere hautnah darzustellen. Hervorragend auch die Darsteller der ehemaligen SS-Kumpane von Max, die sich belastendes Material aus Kriegsverbrecher-Archiven besorgen, um es zu vernichten, Belastungszeugen aufspüren, um sie zu liquidieren. Und so endet der Film denn auch: Lucia und Max werden im Morgengrauen auf einer Brücke von ihnen erschossen. Man sollte den Film unbedingt gesehen haben, auch wenn er für manchen nicht so einfach zu verdauen ist.
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