Tony Williams Lifetime – The Old Bum’s Rush
Hört sich ein alter Tony Williams-Fan diese neue Scheibe von ihm an, so wird er anfangs bestimmt enttäuscht sein. Von diesem Weltklasse-Drummer, der mit seinem Spiel neue Massstäbe setzte und mit Leuten wie McLaughlin und Jack Bruce zusammenarbeitete, hätte man alles andere erwartet. Während er früher hinter seiner Schiessbude ständig explodierte und dazwischenwirbelte, hält er sich jetzt mehr an seine eigentliche Funktion als Schlagzeuger. Er tut bei oberflächlichen Hinhören nicht mehr, nur wie er es tut. Und da gibt es immer noch Leute, die Ginger Baker für den Grössten halten! Auf seinen früheren Aufnahmen spielt Tony einen etwas nervösen, überspannten und energiegeladenen Jazz, der immer wieder in freie Improvisationen ausartet. Doch inzwischen scheint er sich weitgehend von seinen Ego-Problemen gelöst zu haben. Die Musik wirkt ruhig, ausgeglichen und selbstsicher. Mit der fantastischen Sängerin Tequila zog er das grosse Los, mit ihr erhält jedes Stück Farbe und Aussagekraft. Inzwischen enthalten seine Kompositionen wesentlich mehr Rock-Elemente und auch ein fröhlicher Südamerikaner schimmert durch. Neben Tony besonders hervorzuheben wäre Organist Lewis Webster, der sich sehr gut in die Musik einfühlt und ihr oft mit abstrackten Mustern den i-Punkt aufsetzt. Tony’s Vater bläst ab und zu am Saxophon mit.
An vergangene Lifetime-Zeiten erinnert nur noch ‚Mystic knights of the sea‘, sehr rhythmisch ist ‚The boodang‘, melodiös ist ‚You make it easy‘. Das Titel-Stück ist eine längere Blues-Improvisation, ansonsten aber immer ein jazziger Swing im Vordergrund. Man sollte diese Scheibe zumindest dreimal anhören, bevor man sich ein Urteil erlaubt. Hätte ich sie im letzten ME rezensiert, wäre sie eher schlecht weggekommen, doch heute finde ich sie durchweg schön, teilweise auch spannend.
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