Charme und Scharfsinn :: Platte des Monats
Der gleiche Charme. Der gleiche Wiu. Der gleiche unablässige, entwaffnende, für einen gerade 23-jährigen Songschreiber so überaus bemerkenswerte Scharfsinn, der Ihnen auf Adam Greens letztem Album FRIENDS OF MINE begegnet ist, wird Ihnen auch auf GEMSTONES begegnen. Versprochen. Sie brauchen nicht einmal lange danach suchen: Wer 15 Songs in 30 Minuten unterbringt, kommt umweglos zur Sache. Und nicht ein einziges Mal davon ab. Adam Green muss Zeit in der Musik als etwas Kostbares begrei fen, sonst würde er es machen wie so viele vor und neben ihm; seine zumeist brillanten Ideen verschachteln oder verhüllen oder au fs Äußerste verschnörkeln, bis schließlich wenig überbleibt.
Dabei geht es Green, seit er die Moldy Peaches und sein noch stark von Anrifolk und LoFi-Trotz beeinflusstes Solodebüt hinter sich gelassen hat, in erster Linie eben nicht um den künstlerischen Minimalismus, den man in solchen Fällen gern bemüht: Die Streichersätze von FRIENDS OF MINE waren ebenso Schmuck werk wie jetzt auf GEMSTONES die honigweichen Pianobeigaben und manch herzerfrischende Keyboardspielerei. Luxus, aber kein Überfluss. Bescheidenheit, aber kein Geiz. Solche Grenzen sind es, die Adam Green in seinen Songs auslotet; künstlerisch höchst wirkungsvoll und mit einem Feingefühl, in dem er tatsächlich schon den Großen ähnelt, mit denen er letzthin immer häufiger verglichen wurde: Serge Gainsbourg, Lee Hazlewood, Van Dyke Parks. Atemberaubend, wie rasant sich im Opener „Gemstones“ eine Passage in die nächste reiht, wie zwischen behäbigen Akustikgitarren und putzigem Orgelpfeifen oft nur ein Drumbreak liegt und all das binnen Sekunden wiederum weggewischt werden kann von einem neuen, ganz andersartigen Stück. Eines, das exaltiert daherkommt wie „Over The Sunrise“. Das pocht und schwankt wie „Before My Bedtime“. Eines, das mit Romantik und Melancholie berückt wie „Who’s Your Boyfriend“ oder aber den Hörer verschämt schmunzelnd bis spöttisch lachend hinterlässt wie „Choke On A Cock“, in dem sich Adam Green seinem Präsidenten mit dem gleichen bissigen Sarkasmus nähert wie einst derTeenie-Pop-Chanteuse Jessica Simpson: „I’d be so happy if l got to meet George Bush“, schwärmt er und verheißt: „I would dance on NBC/And say George Bush shook hands with me/Then I’d go and choke on a cock.“ Derartige Bildhaftigkeit ist man gewohnt von Adam Green, greifbare politische Statements dagegen nicht. Überhaupt sollte man gar nicht erst versuchen, die Überraschungsmomente eines Albums zu zählen, auf dem sich „Dostojewski“ auf „Fab Moretti“ reimt und auf dem die Musik bevorzugt genau dann einen Haken schlägt, wenn man am wenigsten damit rechnet. Der Versuch, etwas auf gemstones zu kalkulieren, endet ungefähr so: Das ist Flamenco! Nein, jetzt ist’s ein Blues! Ah, die Pianoballade! Nein, doch Rock’n’Roll!
Am Ende weiß man immerhin: Adam Green ist seit seinem letzten Album FRIENDS OF MINE ein noch großartigerer Entertainer geworden – und zwischen Altersweisheit und Beatnik-Poesie doch derselbe unanständige Geschichtenerzähler geblieben. „Chubby Princess“ hat er ein Lied überschrieben und verzichtet in „Carolina“ ähnlich ungeschminkt auf schmalzig-verrenkte Liebeserklärungen: „Herbreasts tastejustlikebreakfast.“Es wäreihm freilich zu plump (und seiner Musik ohnehin nicht angemessen), würde man Adam Green textlich allein auf solche Anstößigkeiten beschränken – womit sich denn auch die ernsten, zuweilen fast philosophischen Ansätze auf GEM-STONES erklären: „Beauty is evil, immaculate evil“, sinniert Green im zauberhaften „He’s The Brat“. Wenn man Schönheit so definiert, hat gemstones das Zeug zur schlimmsten,bösartigsten, verachtungswürdigsten Platte des Jahres. VÖ.10.1.5
www.adamgreen.net
Discografie: 2001 Adam Green 2003 Friends Of Mine 2005 Gemstones (alle Rough Trade/Sanctuary/Rough Trade)
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