Herbert Grönemeyer über Streaming: „Bono und ich sind da verschiedener Meinung“
Während seiner DAUERND JETZT-Albumvorstellung in Berlin findet Herbert Grönemeyer auch klare Worte über U2 und Musikstreaming: Wenn Streamingdienste weiterhin so funktionieren wie jetzt, blieben die Künstler auf der Strecke.
Am Dienstagabend, drei Tage vor der Veröffentlichung, stellte Herbert Grönemeyer mit seiner Plattenfirma Universal Music in Berlin sein neues Album DAUERND JETZT vor. Im Restaurant „Grill Royal“ sprach der 58-jährige Musiker und Schauspieler unter anderem über den Entstehungsprozess der neuen Songs, über „Band Aid 30“, über seine bevorstehende Tournee – und, auf Nachfrage aus dem Publikum, auch über Streaming. „Sie haben sich neulich mit Bono zerstritten, nachdem U2 ihr neues Album SONGS OF INNOCENCE überraschend und kostenlos bei iTunes als Download eingestellt hatten. Ihr neues Album, Herr Grönemeyer, wollen Sie hingegen wieder nicht im Stream anbieten. Warum wollen Sie Ihre Fans nicht die Möglichkeit bieten, Ihre Musik für relativ geringes Geld anzuhören?“, so lautete die Frage. Und so lautete Herbert Grönemeyers ungekürzte Antwort im Wortlaut:
„Entstanden ist diese Auseinandersetzung, als ich bei einem Panel auf dem Reeperbahn Festival war. Da ging es in einer Debatte um kleine Labels, Musik und Wirklichkeit von Musik. Genau am Tag davor hatten U2 das getan. Ich hatte bis dahin noch keine Zeit mit der Band zu sprechen, in der Zwischenzeit haben wir dazu telefoniert. Sie selber haben ja auch eine Presseerklärung herausgebracht, nachdem sie gemerkt haben, dass die Aktion vielleicht nicht ganz so klug war.
Mir geht es bei der Debatte darum: Man kann der Generation, die jetzt in ihren Zwanzigern und damit groß geworden ist, nicht vorwerfen, dass sie sich Musik im Grunde genommen immer umsonst herunterladen konnten. Aber ich glaube, besonders wenn man sein Leben lang mit jungen Künstlern arbeitet, muss man denen das Gefühl vermitteln, dass Musik einen Wert hat. Ich glaube, man sollte eine Kampagne machen, in der junge Musiker erklären, dass sich da jemand Gedanken macht und sich Mühe gibt. Und wenn du das haben möchtest, zahle bitte dafür – der oder die Musikerin muss schließlich auch seinen Lebensunterhalt damit bestreiten. Ein Bild nimmst du auch nicht einfach von der Wand und hängst es dir zuhause hin. Bei Musik ist es das Gleiche.
Ich bin natürlich ein alter Dinosaurier, komme aus einer ganz anderen Zeit, bin aber auch Romantiker, weil ich davon träume, dass man sich irgendwann wieder hinsetzt, seinen Freund einlädt und sagt: ‚Pass mal auf, ich habe hier die neue, keine Ahnung, Killers oder The Hives, und die hören wir uns gemeinsam an.‘ Ich denke, Musik hat einen Wert. Auch junge Künstler geben sich verdammt viel Mühe, und wenn man denen sagt: ‚Du kannst Dir noch soviel Mühe geben, Du wirst nie was daran verdienen‘, weil es verschleudert oder den Leuten hinterhergeschmissen wird, dann wehre ich mich dagegen. Und das kam in der Situation gerade sehr ungünstig, das ist das falsche Signal. Wünschenswert wäre, dass man es schafft, dass sich alle an einen Tisch setzen und Künstler, Plattenfirmen und Streaminganbieter gemeinsam einen Dienst entwickeln, der eine neue Dimension eröffnet und gleichzeitig dafür sorgt, dass man in Kategorien denkt. Dass Leute bestimmte Beiträge zahlen und dementsprechend zum Beispiel auch Platten hochladen können.
Aber so wie es im Moment ist, kann das nicht weitergehen. So werden die Künstler auf der Strecke bleiben. Das System ist, so wie es ist, meiner Meinung nach im Moment noch nicht ausgereift. Und ich finde, da muss man eben warten, bis es ausgereift ist. Wir sind alle, auch die Journalisten, dazu aufgerufen, zu erklären: Pass auf, da sitzt jemand, gibt sich Mühe und bastelt da etwas, ganz vorsichtig und liebevoll. Und wenn dir das gefällt und du es gerne besitzen möchtest, dann zahle da bitte deinen Obolus für. Den Tischler bezahlst du am Ende ja auch für seine Arbeit. Wir müssen da also alle gemeinsam drüber reden. Und da kam das zustande mit Bono. Wir verstehen uns gut, ich bin ihm unendlich dankbar, wir kennen uns und sind befreundet. Trotzdem kann man in manchen Dingen auch getrennter Meinung sein. Wir haben uns danach wieder einigen können, aber die Aktion kam, denke ich, zu einem etwas ungünstigen Zeitpunkt.“
Herbert Grönemeyers 14. Album DAUERND JETZT erscheint am 21. November 2014.