Großer Abgang für Darkside: So war ihr letztes Konzert
Im August gaben Nicolas Jaar und Dave Harrington ihre vorläufige Trennung bekannt. Letzte Woche nun gaben Darkside ihr letztes Konzert im heimatlichen Brooklyn.
Wie inszeniert man seinen eigenen Abgang? Eine Frage, die sich Dave Harrington und Nicolas Jaar sicherlich vor ihrem letzten Konzert als Darkside gestellt haben. Stillschweigend die Tour zu Ende bringen und dann das Bandprojekt auflösen? Implodieren und die Tour abbrechen? Oder ein letztes Konzert in seinem Heimatort ankündigen, dort sein Bestes geben und eine Party für Freunde, Familie und Fans schmeißen? Jaar und Harrington entschieden sich für die letzte Variante, und das war sehr gut so.
Allein die Location: ein alter Freimaurer-Tempel aus dem Jahre 1907. Seit 1977 ist diese Nachbildung von König Salomons Tempel auch für Nicht-Freimaurer geöffnet, und in den letzten Jahren ein mehr oder weniger beliebter Austragungsort für Konzerte. Mehr, weil die Räumlichkeiten einfach großartig sind: eine Mischung aus alter Turnhalle, Theater und verbotener Dachkammer, mit seltsamen Symbolen und Freimaurer-Parolen an den Wänden. Und dieser mysteriösen Aura, die daher rührt, dass niemand weiß, was genau darin früher eigentlich abging. Weniger beliebt ist der Masonic Temple wegen seiner legendär lausigen Akustik, doch die war an diesem Freitagabend in Ordnung, offensichtlich hatten Darkside neben ihrer beeindruckenden Lichtanlage auch gleich ein paar Abmischer mit Ohren mitgebracht.
Seit Jaar und Harrington im August ihre vorläufige Trennung angekündigt hatten, war das Konzert ausverkauft. Knapp 1.200 Glückliche hatten Tickets ergattert, weniger Glückliche versuchten es bis zum Schluss: in einem Forum bot ein Fan an, “I will blow anybody who can sell me two tickets. I don’t care how gnarly your dick is.”
Um 21 Uhr ging es los, und Opener Valentin Stip, ein französischer DJ von Jaars hauseigenem Other-People-Label, wippte eine gute Stunde gebückt über seinem Laptop und entlockte ihm ein hypnotisch-hymnisches Set, das, wenn es später, alle da und alle druff gewesen wären, sicherlich in Tanz-Ekstase gemündet wäre. Aber das Publikum kam erst peu à peu und war noch relativ nüchtern. Dennoch hinterließ Stips Set eine elektrisierte Atmosphäre.
In der folgenden Pause, in der sich – ungewohnt für strenge New Yorker Verhältnisse – trotz eingeschalteter Deckenbeleuchtung ziemlich Viele ziemlich ungehemmt dichtzogen, klang Miles Davis “Guinnevere” in voller Länge vom Band – und erwies sich als perfektes Bindeglied zwischen Stips klarem Elektrosound und dem folgenden Darkside-Set. Denn der war: dreckig. Gut dreckig!
Eineinhalb Stunden lang spielten Jaar und Harrington ihr komplettes und um einige Songs, die es nicht auf ihr Album geschafft hatten, erweitertes Repertoire. Doch während Tracks wie “Golden Arrow” oder “Freak, Go Home” in ihrer Studioversion manchmal etwas zu kalkuliert klingen können, entfalteten sie live an diesem Abend eine fast primitive Urgewalt, der sich niemand entziehen konnte. Es war vor allem Harringtons entfesseltes Gitarrenspiel, vielleicht ja gestärkt durch seine aktuellen Solo-Aktivitäten, das gepaart mit den grell-blendenen Explosionen von der Lichtwand die Rezeptoren im Hirn verschmelzen ließ, bis bei allen nur noch glücklich-pulsierende Lava im Kopf brodelte. Doch auch Jaar schien im Vergleich zu einem Auftritt im letzten Jahr in Berlin lockerer, gelöster, traute sich am Mikrofon mehr – und zauberte damit nicht nur bei seinen Verwandten, die vom oberen Rang aus zuschauten, ein stolzes Lächeln auf die Lippen, sondern löste bei allen Anwesenden das Gefühl aus, bei etwas Besonderem dabei gewesen zu sein.
Um noch einmal auf den oben zitierten, verzweifelten Forum-Poster zurückzukommen: man kann nur hoffen, dass er noch Tickets bekommen hat, auch ohne die angebotenen Dienste ausführen zu müssen. Aber selbst wenn: es wäre es wert gewesen.