Damon Albarn live: So war es beim Konzert im Astra Kulturhaus in Berlin


Er kann Britpop, er kann Space-Rock, er kann HipHop, er kann Afrobeat, er kann chinesische Opern. Und die große Show auf der kleinen Bühne, die kann Damon Albarn auch.

Als Damon Albarn vergangenen September zum letzten Mal in Berlin auftrat, tat er das als Headliner des nach der Stadt benannten Festivals vor tausenden Fans mit seiner alten Band Blur. Zehn Monate später stellt er seine erste Soloplatte EVERYDAY ROBOTS in deutlich kleinerem Rahmen vor: Das Astra fasst in etwa 1.500 Menschen und war für diesen Abend lange Zeit nicht ausverkauft. Zwar chartete das Album in den hiesigen Top Ten, das bedeutet in Deutschland mittlerweile aber nicht einmal mehr 10.000 verkaufte Exemplare.

Und wer das Album besitzt, der hat 45 Minuten ruhige Melancholie im Regal stehen. Muss man vielleicht nicht live sehen. Hört man sich lieber bei Rotwein im Sessel an und weint sich in den Schlaf. Dann spielt an diesem Abend auch noch die deutsche Fußballnationalmannschaft und so stehen tatsächlich schwarz-rot-goldene Gestalten vor dem Club und versuchen, ihre Tickets loszuwerden.  „Das kann jetzt auch einfach ein sehr langweiliger Abend werden“, orakelt ein Kartenbehalter in der Warteschlange. Ganz von der Hand zu weisen ist das erst mal nicht. Nach dem rein instrumental agierenden Support der Paradise Bangkok Molam International Band langweilt Albarn die Besucher mit öden Dub-Grooves. Die zu erwartende Weed-Wolke bleibt aus. Das Publikum ist zu gesetzt. Man hat keine Chance.

Gegen 21.30 Uhr dann die Erlösung: Albarn trottet auf die Bühne. Seit einigen Jahren geht er etwas gebückt. Aufpassen muss der 46-Jährige , dass ihm demnächst kein Buckel wächst. Wunderschön ist er freilich dennoch und beginnt mit „Lonely Press Play“ aus seinem neuen Album, auf dem die sich durch das ganze Schaffen des Londoners ziehenden Themen Isolation und Vereinsamung  kulminieren. Da steht er nun, singt traurige Lieder – „Everyday Robots“ ist der zweite Song des Abends –, reißt aber immer wieder die Arme hoch und animiert zu mehr Applaus und Bewegung.

Die Privatperson Damon Albarn, die zuhause sitzt und viel reflektiert, unterscheidet sich stark von ihrem Alter Ego als Rampensau. Ab dem dritten Stück, der ersten Gorillaz-Single „Tomorrow Comes Today“, atmet der auf, der ein reines Soloprogramm befürchtet hat. Albarn spielt sich durch so ziemlich alle seine Bands. Kurios dabei oft die Auswahl: Statt einem Blur-Kracher spielt er, neben dem berührenden „Out Of Time“, die ’97er-B-Seite „All Your Life“. Zwar eröffnet er den Zugabenblock mit dem Jahrzehnthit der Gorillaz, „Clint Eastwood“, verweist sonst aber mit einem Albumtrack wie „Slow Country“ auf die Affenbande. Immer ein Hit und dann kein Hit.

Bei The Good, The Bad & The Queen erzielt diese Formel das Ergebnis „Kingdom Of Doom“ und „Three Changes“. Albarns weitgehender Verzicht auf die ganz großen Hits wie „Song 2“ und „Feel God Inc.“ fällt niemandem auf. Das Publikum vertraut, streift bei Solo-Songs wie „Photographs (You Are Taking Now“) Gänsehaut über, schüttelt die beim Afrobeat von Rocket & Juice & The Moon wieder ab und singt zu Ehren eines der Chormitglieder „Happy Birthday“.

Die Bühnengröße ist Albarn, der mehrmals die Hauptattraktion beim Glastonbury, dem größten Open-Air-Festival der Welt, war, mittlerweile egal. Die Musik hat sein Ego überholt. Wie wenig ihm am Superstar-Dasein liegt, zeigt er unmittelbar nach der Show, als er durchs Publikum schlurft und sich vor der Halle in einem Bierzelt die letzten Minuten des Deutschlandspiels ansieht.