DARKSIDE


Matador/Beggars/Indigo

Ambient und House und Hyper-Blues und Psychedelic-Rock-Jams ohne Rock. Das Debütalbum der neuen Band von Nicolas Jaar und Dave Harrington.

Es gab ja bisher mindestens drei verschiedene Nicolas Jaars. Den introvertierten Künstler, der 2011 im Alter von 21 Jahren sein Debütalbum SPACE IS ONLY NOISE veröffentlicht hat: ein immer noch gültiges postromantisches Manifest zwischen Deep House und noch deeperem Ambient, gleichermaßen abstrakt und organisch. Dieser Nicolas Jaar war nach eigenen Angaben vom fragmentierten Minimal-Techno des deutsch-chilenischen Produzenten Ricardo Villalobos beeinflusst. Dann gibt es den Solokünstler Nicolas Jaar, der „live“ im Club genau weiß, wann er den Drop zu droppen hat, um die Crowd anständig zu pleasen. Und dann ist da noch der Nicolas Jaar, der zusammen mit einer Band die Tracks von SPACE IS ONLY NOISE auf der Bühne zu Songs gemacht hat. Und genau hier setzt Darkside an, die neue Band, die der New Yorker gemeinsam mit seinem Tourgitarristen, dem Multiinstrumentalisten Dave Harrington, gegründet hat. Bisher auf der Habenseite von Darkside: eine EP aus dem Jahr 2011 und der hoch gelobte, semi-offizielle Remix des Daft-Punk-Albums RANDOM ACCESS MEMORIES unter dem Projektnamen Daftside vom vergangenen Sommer. Darkside ist dann wohl die vierte Inkarnation des 23-jährigen US-Chilenen, mit der er versucht, den Bühnensound der dritten Inkarnation zurück ins Studio zu holen.

„Golden Arrow“, der erste Track auf PSYCHIC, darf als Schlüssel zur Musik von Darkside verstanden werden. Ziemlich genau zur Hälfte seiner elfeinhalbminütigen Spielzeit verwandelt sich „Golden Arrow“ – von einem impressionistischem Ambient-Stück, das auch schon mal was von Neuer Musik gehört hat, in einen von Funkyness gesegneten krautrockigen Jam. Ist das ein Cello, das da zu hören ist? Und improvisiert dieses Cello über das Riff von „Smoke On The Water“? Nicolas Jaar und Dave Harrington wandeln in jener stilistischen Grauzone, die der Underground der Nullerjahre sich selbst geschlagen hat, um dem zum Overground gewordenen Underground eineinhalb Schritte voraus zu sein. Es ist kein Rock, es ist keine puristische Elektronik. Es ist eine weitere Form der Zwischenmusik.

Die epische Sinfonie „Golden Arrow“ will alles auf einmal sein, und das fast achtminütige „The Only Shrine I’ve Seen“ ist auch so ein Ding, aus dem andere Produzenten mindestens vier Tracks machen würden. Im Gegensatz dazu: die knapp 90-sekündige Miniatur „Sitra“ mit ihrer von Pianotupfern begleiteten Ambience; sie könnte ein Outtake aus SPACE IS ONLY NOISE sein. In „Heart“ ist eine ausgefranste Blues-Gitarre zu hören. Die Melodie, die sie spielt, hat in ihrer Beschwingtheit fast schon Pop-Hit-Qualität. Dafür, dass der Song kein Pop-Hit wird, sorgt die dezente Ambience, das Bekenntnis zum stillen Break, der Wille, Songstrukturen auch einmal aufzubrechen.

Wenn Nicolas Jaar mit seinem Debütalbum die Grauzone zwischen House und Ambient ausgeleuchtet hat, ist das Projekt Darkside der Versuch, das Ergebnis von damals auf eine festere, weniger flüchtige Grundlage zu stellen, ihm den Rahmen einer Band zu geben. Es gibt Sting-artigen Gesang und zerfahrene Gitarrensounds auf PSYCHIC, psychedelische Bilder in Schwarz-Weiß gemalt, House-Beats zu Funk-Licks, Rock-Jams ohne Rock, und immer wieder lugt der archaische Blues, zu dem auch David Lynch nicht nein sagen würde, durch die Soundritzen. Aber das alles kommt zu keiner Zeit auch nur in die Nähe von Rockmusik, wie wir sie kennen.

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