Mit episch ausgewalzten Stücken zwischen R&B, Soul und HipHop meldet sich der umtriebige Superstar nach sieben Jahren eindrucksvoll zurück.

Auch wenn er beim mal wieder hundsmiserablen „Wetten, dass…?“ einen passablen Elvis gab und sich im Booklet seines neuen Albums, bei ersten Liveauftritten und im Video zur Single „Suit & Tie“ als gegelter Crooner im Anzug mit Fliege und Hut präsentiert: Musikalisch völlig neu erfunden hat sich Justin Timberlake mit THE 20/20 EXPERIENCE nicht.

Zwar wirbeln direkt zu Beginn des Openers „Pusher Love Girl“ zuckersüße Streicher herauf, die tatsächlich einen munter drauflos croonenden Timberlake in Aussicht stellen – doch als nach einer halben Minute ein verschleppter Beat einsetzt, JT gleich mal recht sexy ins Falsett hochrutscht und sich bald ein wunderbar warmer Background-Gesang dazugesellt, zeigt sich: zum Glück doch kein Swing, sondern vielmehr R&B, Soul und HipHop als wesentliche Konstituenten eines Albums, das unverkennbar von Timberlake stammt, dabei jedoch in seiner im Folgenden stetig changierenden Klangästhetik ein extrem fett produziertes, detailverliebtes Füllhorn an Ideen darstellt. So eklektisch klang der Mann aus Memphis, Tennessee nie. THE 20/20 EXPERIENCE ist sein drittes Album in elf Jahren.

Dass hier jemand richtig Spaß an der Arbeit hatte, wird nicht nur klar, wenn Timberlake die Zeit im Studio als „wahrscheinlich beste Zeit meiner Karriere“ bezeichnet. Es flowt, groovt, klackert und knistert, dass es eine Freude ist. Umso schöner, dass der amerikanische Superstar sich einen feuchten Kehricht für das gängige Drei- bis Vier-Minuten-Radiopop-Format interessiert: Gerade mal drei (!) der zehn Songs gerieten kürzer als sieben Minuten. So lassen sich auch die Höhepunkte ausgiebig genießen: Neben retrosouligen Ohrenschmeichlern wie „That Girl“ wären da vor allem das von indischen Tablas angetriebene „Don’t Hold The Wall“, die in Dynamik, Frische und Ausdruck sehr gelungene „OFF THE WALL“-Hommage „Let The Groove Get In“ und die finale Ballade „Blue Ocean Floor“ zu nennen. Besonders Letzteres dürfte durch seine wabernden Klangflächen und Pianotupfer, zu denen Timberlake Eskapistisches dichtet, nachhaltig im Ohr bleiben. Ganz am Ende dann tatsächlich noch mal kurz die Streicher, welche aber bald deutlich vernehmbar im Meer versenkt werden – was er uns damit wohl sagen will?