Die 50 besten Platten des Jahres
50
Joan As Police Woman
The Deep Field
PIAS/Rough Trade
Mit ihrem dritten Album hat sich Joan Wasser auf die Suche nach Magie begeben. Wenn sie darüber singt, hört man ihr an, dass sie eine echte Aufgabe vor sich hat. Da haben wir es leichter. Wir brauchen ihr nur zuzuhören, schon spüren wir den Zauber. Die Musik pendelt sich auf den Soul, Jazz und Soft-Rock der 70er-Jahre ein, ist deshalb aber noch lange nicht einfach zu durchschauen. Wasser agiert stets aus ihrem Instinkt heraus und klammert sich nicht an eine Vorlage. Sie offenbart sich, geht in die Tiefe und sprengt die Fesseln. Ein Fall von später Blüte. Thomas Weiland
49
Peaking Lights
936
Domino/Good To Go
Die beste Platte zur Retro-Diskussion 2011. Das, was das Ehepaar aus Wisconsin hier zu Gehör bringt, bestätigt sowohl die Gilde der Kritiker, die die Übermacht der Archive für den Zusammenbruch des Pop verantwortlich machen, als auch die Hoffnungsfrohen, die aus den alten Klangspuren des Unterbewussten ein neues Halleluja hören. Peaking Lights haben ihre Lieblingsmelodien in die Wiege des kosmischen Dub gelegt, unter dem schönen Geschaukel der ersten Tage wird eine geheimnisvolle Glücksmusik geboren, die sich der Stimmen ihrer Ahnen in jedem Moment erinnert. Frank Sawatzki
48
Cults
Cults
In The Name Of/Sony Music
Verwackelte Do-It-Yourself-Ästhetik, auf die man sich bei Vimeo und in den einschlägigen Blogs rasch einigte. Zuckersüßer Junge-Mädchen-Gesang, der sich sowohl bei Phil Spector als auch bei The Jesus & Mary Chain bediente. Lo-Fi, der bei allen Verzettelungen immer dem Diktat des Popsongs folgte: Dass Lily Allen Cults als erste Band für ihr „In The Name Of“-Label verpflichtete, überraschte kaum. Dass das Debütalbum aber dann ebenso stark wie die vorab ausgekoppelte Single „Go Outside“ war, schon eher. Beste Nummer: „You Know What I Mean“. Jochen Overbeck
47
Washed Out
Within And Without
Domino/Good To Go
Die gute alte Chillwave. Rauschte auch 2011 wieder über uns hinweg. Gemeinhin fasst man unter diesem Begriff Musik zusammen, die es mit elektronischen Mitteln ruhig angehen lässt. Das kann sich dann schon mal harmlos anhören. Bei Ernest Greene von Washed Out ist das nicht so. Er setzt nicht nur auf übereinander geschichtete Synthesizersounds und Flüsterstimme. Dance-Beats, Geige und Piano kommen hinzu und sorgen für eine Stimmung, bei der man sich näherkommt. In der Regel ist Indie-Musik ja cool und abweisend. Diese hier sagt: Mach mir ein Baby. Thomas Weiland
46
The Weeknd
House Of Balloons
http://the-weeknd.com
Wie viel gute und kostenlose Musik verträgt ein Musikjahr eigentlich? Das erste von zwei Gratisalben des Kanadiers Abel Tesfaye hat jeden Hype verdient. In neun Tracks wurden sämtliche Register gezogen, die andernorts zur Lachnummer verkommen sind. Es war düster, eindeutig zweideutig, sexy, verworren und gespickt mit Samples und Andeutungen an Siouxsie & The Banshees, Beach House (!) und Aaliyah. R’n’B, von dem man rote Ohren bekommt, sich der Kleidung entledigt, für den Abend davor und den Morgen danach. „He’s what you want, I’m what you need …“ Christopher Hunold
45
M83
Hurry Up, We’re Dreaming
Naïve/Indigo
Stünde ein Kind alleine vor dem Kleiderschrank, es würde die buntesten Sachen rauspicken und sich alles in dreifachen Lagen überstülpen. M83-Kopf Anthony Gonzalez ist wie so ein Kind. Er eignet sich an, was Pop hergibt, egal, ob es zusammenpasst: Doppelalbum als Format, Zola Jesus für ein paar Takte, ein „Where The Streets Have No Name“-Intro, ein Mädchen, das minutenlang zum Discobeat seinen Traum erzählt. Das klingt albern. Aber es bringt einen auch zum Strahlen. Weil es maßlos ist, ein Versuch Grenzen zu sprengen. So was tun sonst wirklich nur Kinder. Sassan Niasseri
44
Noel Gallagher’s High Flying Birds dto.
Sour Mash/Indigo
Ist das eine Platte des Jahres? Es ist eine. Natürlich. Schon allein deshalb, weil es die erste nennenswerte Äußerung von Noel Gallagher nach dem Ende von Oasis ist. Zum anderen aber auch, weil es dem älteren Gallagher – im Gegensatz zu seinem Brüderchen Liam mit Beady Eye – hier gelingt, die Magie ihrer ikonografischen ehemaligen Band zumindest teilweise einzufangen. Ein bisschen Oasis ist nun mal immer noch besser als das, was die meisten anderen Bands zu bieten haben. Außerdem sind die Streicher gleich im Eröffnungssong so großartig unverschämt. Thomas Winkler
43
Lykke Li
Wounded Rhymes
Atlantic/Warner
Dieses Album sei das Ergebnis einer „totally fucked up“-Liebesgeschichte, sagte Lykke Li, während der Interviews zu ihrer zweiten Platte. In der Tat: Wo Youth Novels vor knapp vier Jahren den Übergang von der Jugend ins Erwachsenendasein bilanzierte, ging’s mit dem größtenteils in Los Angeles geschriebenen Zweitling rein in die große Traurigkeit. Dass die Platte nie in den Kitsch ab-rutscht, ist einem alten Bekannten zu verdanken: Björn Yttling, der schon das Debüt produzierte, stattete die Songs mit wuchtigen, bisweilen morbide anmutenden Arrangements aus. Jochen Overbeck
42
Hot Sauce Committee Part Two
Capitol/EMI
War es dem allgemein schwindenden Interesse an kommerziellem HipHop geschuldet, war der Veröffentlichungsweg – kein „Part One“, dann aber ein Pt. 2, der identisch mit „Part One“ ist – zu schlingernd? Das achte Album der Beasties floppte. Die Band klagte scherzhaft, das Album sei noch nicht mal vor Veröffentlichung unrechtmäßig im Internet gelandet. So gering sei das Interesse gewesen. Dabei hat HSCPT alles, was man von den New Yorkern will: Ohrwurm-Hooks, Teenager-Lyrics, Punkrock-Ausflüge. Aber vielleicht hatte man das alles auch schon als Hello Nasty. Stephan Rehm
41
Bill Callahan
Apocalypse
Drag City/Rough Trade
Den Albumtitel kann man als Wegweiser nehmen: Apocalypse ist nicht unbedingt eine freundliche Platte, keine, die sich wie ihr Vorgänger über Arrangements definiert, die man als schön bezeichnen könnte. Stattdessen baut Callahan Gra-vitationsfelder, die irgendwo zwischen altem Folk, Freejazz, Spoken Word und staubiger Distortion liegen. In „Universal Applicant“ und „America“ führt das zu einer Unruhe, der man sich als Zuhörer schon öffnen muss. Belohnt wird man am Ende mit dem großen „One Fine Morning“. Besser als hier klang Bill Callahan selten. Jochen Overbeck
40
21
XL/Beggars/Indigo
Man kann sicher darüber streiten, ob es unbedingt vonnöten war, dass der Soul so flächendeckend zurückkehrte. Worüber man aber nicht streiten kann: Dass 21 die grassierende Nostalgie mit den heute gültigen Produktionsstandards versöhnte. Das erklärt den massenhaften Erfolg, aber weil Adele Laurie Blue Adkins auch noch eine beeindruckende Stimme ihr eigen nennt, mit der sie ein paar sehr gute Songs zu einsamer Größe aufzuplustern versteht, ist dies nicht nur die beste Retro-Soul-Platte des Jahres 2011, sondern auch die beste Soulplatte, die im Jahr 2011 überhaupt möglich war. Thomas Winkler
39
Wild Beasts
Smother
Domino/Good To Go
Von der „extraordinary beauty“ von Smother schwärmte der „Guardian“, und das umschreibt die nordenglischen Artrocker mit dem passgenauen Namen im Allgemeinen wie speziell auch ihr drittes Album perfekt. Extraordinary ist die subtile Sogkraft dieser pulsierenden (Elektro-)Popsongs und extraordinary ihre Zartheit vor allem in Hayden Thorpes Falsett. Im hellsten Ton und schönster Poesie besingt er (mit Tom Fleming als Yang) die dunklen Triebe des Tieres namens Mensch. Dass einem ganz Bang und ganz seltsam warm werden kann. Oliver Götz
38
Death Cab For Cutie
Codes And Keys
Atlantic/Warner
Auf den Fotos, die ihr siebtes Album begleiten, hatten Death Cab For Cutie den Schluffi-Look alter Tage gegen Tweed und Zwirn eingetauscht. Musikalisch ließ sich Ähnliches feststellen: Den bereits auf dem Vorgänger in Aussicht gestellten Abschied vom Gitarrenrock mit „O.C., California“-Soundtrack-Kante folgen sie weiterhin, erlauben sich stattdessen ausgedehnte und Aufmerksamkeit erfordernde Ausflüge in eine Art 2.0-Indie-Prog. Am besten sind sie immer dann, wenn sie das Neue mit der alten Simplizität verbinden, etwa im unklar räsonierenden „Some Boys“. Jochen Overbeck
37
Beirut
The Rip Tide
Pompeji Records/Indigo
Die Nachwirkungen des mehrjährigen Aufenthalts im Tollhaus der Balkanblasmusik sind abgeklungen, und wenn der Kater dem durchschnittlichen Blues des Abends weicht, dann kann daraus wunderbare Sehnsuchtsmusik erwachsen. Man hätte dem Jungen mit der Rote-Armee-Mütze nicht mehr so eine konzise, klare und formschöne Platte zugetraut, über die neun Songs von The Rip Tide beweist der Amerikaner Zach Condon, dass er auch vor seiner Haustür die großen melancholischen Momente auflesen kann – es gab keine Trompeten, die herzzerreißender waren 2011. Frank Sawatzki
36
SBTRKT
SBTRKT
Young Turks/XL/Beggars/Indigo
2011 sollte dann doch noch nicht das Jahr werden, in dem Dubstep ins Epizentrum des Pop stürmte. James Blake mag als junger König des Soul die Saison abgeschlossen, Zomby den Preis für die vollendete elektronische Irritation gewonnen haben. Die größte integrative Leistung gehört dem Briten Aaron Jerome, auf seinem Album durften ausgesuchte Vokalisten von Little Dragon bis Sampha Bassmusik, R’n’B und Glitch in einen mit historischen Anspielungen aufgeladenen Clubkontext katapultierten. Der Mann mit der Maske gab ein Versprechen ab: Dubstep ist der Pop 2012. Frank Sawatzki
35
Art Department
The Drawing Board
Crosstown Rebels/!K7/Alive
Wesentlichen Anteil am Minitrend des Jahres, den Soul zurück in die elektronische Musik zu bringen, hatten Art Department. Das relativ neue Duo aus Toronto mit den relativ alten Bekannten Kenny Glasgow und Jonny White operiert im Koordinatensystem House (zwischen Chicago und Minimal), lässt aber die Türen offen für Infusionen aus dem Soul, die sich im Gesang Glasgows entladen. Und unter der Oberfläche brodelt eine musikalische Experimentierlust, die ahnen lässt, dass Glasgow und White ihre Lektionen in aktueller elektronischer Musik gelernt haben. Albert Koch
34
Zola Jesus
Conatus
Souterrain Transmissions/Rough Trade
Nika Roza Danilova, 22 Jahre junge Amerikanerin mit russischen Wurzeln, darf sich auf die Fahnen schreiben, bereits zu einer Zeit am Goth-Revival gearbeitet zu haben, als noch niemand davon zu (alb)träumen wagte. Das dritte Zola-Jesus-Album Conatus macht Goth zum mehrheitsfähigen Ding. Mit den dunklen Synthesizer-Flächen, den Maschinenbeats, den Synthie-Streichern, den unheilvollen Hallräumen und dem theatralischen Gesang. Wir suhlen uns im Schmerz über die Sinnlosigkeit unserer Existenz und begrüßen die neue Königin des Goth: Zola Jesus. Albert Koch
33
Little Dragon
Ritual Union
Peacefrog/Rough Trade
Nicht zuletzt die Zusammenarbeit mit Opinion Leaders wie Damon Albarn und David Sitek sorgte dafür, dass Little Dragon schon länger ein Sachverständigen-Thema sind. Doch bislang blieben die Schweden zu verhalten, um nachhaltig Eindruck zu hinterlassen. Ritual Union ist auf den ersten Blick gar nicht so viel anders als seine beiden Vorgänger. Trip-Hop, 80s-Pop, Electronica, Funk und Soul werden in Tracks kombiniert, die sich nicht zwischen Popsong und Clubtrack entscheiden wollen. Aber diesmal stimmte der Drive, der hatte einfach noch gefehlt. Oliver Götz
32
Justice
Audio, Video, Disco
Ed Banger/Warner
Justice trieben 2011 das auf die Spitze, was sie schon 2007 mit ihrem Debüt auf den Punkt brachten: Das Verwischen der Grenzen zwischen Rock und Electronica, musikalische Gesetze aushebelnde Symbiosen, sich am Ende dann aber doch mehr und mehr dem Glam Rock verpflichtet fühlende, hymnenartige Tracks – gleichermaßen geeignet für Indie-Röhrenjeansträger, Metal-Addicts und lasergeflashte Elektroanhänger. Schubladen sind eben nur was für Musikjournalisten, und für dieses Album lässt sich keine finden, außer jene mit folgender Aufschrift: Grandios! Nicole Ankelmann
31
Andreas Dorau
Todesmelodien
Staatsakt/Rough Trade
Die Themen des deutschen Schlagers sind die großen Themen des menschlichen Daseins: Liebe, Freundschaft, Glück und Leid. Seltsamerweise bislang eher selten: der Tod. Diese Lücke hat Andreas Dorau, das Ableben der eigenen Mutter verarbeitend, mit Todesmelodien geschlossen. Das ist ein großes Verdienst. Überraschend ist es, dass der Tod selbst im Angesicht des Schlagers nichts von seinem Schrecken verliert. Und sogar den Humor von Dorau und die wundervoll billigen Elektro-Beats unbeschadet übersteht. Was man vom deutschen Schlager zum Glück nicht sagen kann. Thomas Winkler
30
Modeselektor
Monkeytown
Monkeytown/Rough Trade
Wenn, wie bei Modeselektor, in ein Album immer ganz viel mit hinein muss – Ideen, Styles und Gäste -, kann dieses nur bis zu einem gewissen Maß stringent sein. Der Drittling des Berliner Duos erhält allerdings gleich mit dem aus dem Jungle ins Synthielicht schwappenden Opener „Blue Clouds“ ein zugkräftiges Theme, das einen weit hinein schleudert in die Affenstadt. Dort kriegt dann auch jeder sein eigenes Klettergerüst: Thom Yorke, entrückt. Busdriver, verrückt. Miss Platnum, so low. Etc. Und über allem leuchtet der Himmel melancholisch dunkelblau. Oliver Götz
29
Bright Eyes
The People’s Keys
Polydor/Universal
Das zehnte könnte auch das letzte Album von Bright Eyes sein. Was schade wäre, sehr schade. Denn plötzlich (oder endlich) lässt Conor Oberst sich nicht mehr von Spinnereien ablenken und seine großartigen Ideen versanden, sondern schreibt Songs und nimmt sie dann auf. Songs wie die süßliche Piano-Ballade „Ladder Song“ und das sommerliche „Jejune Stars“, die zum Besten gehörten, was Oberst je veröffentlicht hat. Songs, die man nicht missen möchte. Songs, wie man sie noch viele hören möchte. Jetzt, da Bright Eyes ihr Potenzial (endlich) nutzen. Thomas Winkler
28
Kasabian
Velociraptor!
Columbia/Sony Music
Man will sie nicht wirklich mögen, weil sie sich mit einer Penetranz inszenieren, die gemessen am Talent schlichtweg übertrieben ist. Aber es hilft alles nichts. Das hier ist schon das zweite gute Kasabian-Album in Folge. Die Rechnung der Lads aus Leicester, die britische Rock-Tradition am Leben zu halten und aktuellere Einflüsse einzuarbeiten, geht auch dieses Mal wieder auf. Sie stürzen sich im heißen türkischen Bad in brodelnde Led-Zep-Rock-Suppe, beherrschen in unterkühlterem Ambiente aber auch den Umgang mit analogen Synthesizern.
Thomas Weiland
27
Tyler, The Creator
Goblin
XL/Beggars/Indigo
HipHop? Ja, den gibt es noch. Impulse setzen vermehrt Einzeltäter, die sich etwas trauen. Tyler Okonma etwa wird sich wundern, warum er in den Jahresbestenlisten auftaucht, wo er doch alles tut, um das zu vermeiden. Die Beats sind träge und primitiv, der darum kreisende Sound minimal und düster. Seine Ansagen sind so etwas von böse und unkorrekt, dass man besser nichts davon seiner Freundin oder Familie vorspielt. Aber Tyler ist ein Kobold, kein grimmiger Gangster. Sein Humor ist offensichtlich. Man darf das Gemüt nur nicht auf sensibel stellen. Thomas Weiland
26
Lady Gaga
Born This Way
Streamline/Interscope/Universal
Das Mutigste an diesem Album war seine Masse. Die Welt stand ohnehin schon vor dem Gaga-Overkill, da veröffentlicht Mother Monster ein Album, das in seiner Expanded Edition – und nichts anderes kauft der Fan – 17 neue Songs auf mehr als 73 Minuten Spielzeit präsentiert (die Remixe auf der zweiten CD nicht dazugerechnet). Doch Qualität siegte über Quantität: Lange, mindestens seit „Bad Romance“, gab es keinen so perfekten Popsong wie „The Edge Of Glory“ mehr, lange fand man auf Mainstreamalben keine Scheiß-auf-alles-Exzentrik wie, eben: „Scheiße“. Stephan Rehm
25
Fucked Up
David Comes To Life
Matador/Beggars/Indigo
Solange der dicke Mann brüllt, ist die Oper nicht zu Ende! Ja, das dritte Album der mitteilungswütigen Kanadier ist eine amtliche Rockoper über Liebe, Träume, Klassenkampf, Krieg, mit unterschiedlichen Erzählperspektiven und verwirrenden Storylines. Auf diesem langen Weg das Energielevel fast ununterbrochen gefährlich hoch zu halten, unzählige Gitarrenriffs und -bögen übereinander zu legen, bis alles lodert und dabei eigentlich nichts als Hits produzieren – das ist große Kunst. Über Hardcore wie wir ihn kannten, weit hinausgeschossen.
Oliver Götz
24
Toro Y Moi
Underneath The Pine
Carpark/Indigo
Soul möchte den Hörer umarmen, Gemeinschaften erschließen. Umso erstaunlicher, was Chazwick Bundick alias Toro Y Moi mit dieser Platte gelungen ist: ein Soulalbum, das nur ihn selbst zum Thema hat, Introspektion, die Reise ins Ich. Es geht um Verlustängste und die Furcht vor dem Verlieben. Im Kontrast dazu steht die vollexpressive Musik – Songs wie „New Beat“ und „Go With You“ verursachen augenblicklich das Bedürfnis jemanden zu küssen. Nach dem Low-Key-Debüt Causers Of This hat der 25-Jährige den Gang angezogen. Das dritte Album wird sein bestes werden. Sassan Niasseri
23
Martyn
Ghost People
Brainfeeder/Ninja Tune/Rough Trade
Das Highlight des Brainfeeder-Labels kam dieses Jahr von Neuzugang Martyn. Der verließ sich für den Nachfolger seines fantastischen Albums Great Lenghts stärker auf seine Wurzeln, entfernte sich noch weiter vom Dubstep und bescherte uns ein fast schon klassisches Technoalbum mit dezenten Ausreißern in alle verwandten Genrerichtungen á la Garage, House und Acid. Mit dem Gedanken „do whatever makes you happy“, Beats der etwas härteren Gangart und dem Überhit „Twice As“ sollte sich der Tanzboden optimalerweise von alleine gefüllt haben. Christopher Hunold
22
Hercules & Love Affair
Blue Songs
Moshi Moshi/Coop/Universal
Wenn alle Retromanen so arbeiten würden, ließe sich kaum irgendein Popkulturverfall daraus ableiten. Einer wie Andrew Butler baut aus dem besten Gestern mit dem Wissen und den Möglichkeiten von heute eine Gegenwart zusammen, die dem Geist der Sache huldigt und einen Mehrwert zu dieser darstellt. Auf dem ersten Album war diese „Sache“ noch 70er-Jahre-Disco, nun zog es Butler und sein Team in die New Yorker House-Clubs der 80er. Eindeutiger können die Bezüge kaum sein, und doch klingen Hercules & Love Affair vor allem nach sich selbst. Oliver Götz
21
Nicolas Jaar
Space Is Only Noise
Circus Company/Rough Trade
Mehr als einmal hat sich der 21-jährige New Yorker mit den chilenischen Wurzeln zur Musik des Berliners mit den chilenischen Wurzeln bekannt: Ricardo Villalobos. Ähnlichkeiten liefern die Beats: komplex, verschachtelt und in Zeitlupe. Darauf setzt Jaar simple Pianofiguren, seine Stimme, eine einsame Gitarre, ein Saxofon. Leerstellen im musikalischen Raum, Sounds nahe der Stille. Ist das noch House? Ist das schon Ambient? Vor allem ist Space Is Only Noise ein Album-Album, ein künstlerisches Statement, das am Stück genossen werden will, nicht in Scheiben. Albert Koch
20
John Maus
We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves
Upset The Rhythm/Cargo
Die Meta-Musik für die gerade mal aktuellsten Trends der Saison 2010/2011 kam vom Philosophie-Doktoranden aus Minnesota. John Maus isoliert auf seinem dritten Album die Hauptbestandteile der schicken 80er-Jahre-Retro-Trends Neo-Goth und Chillwave, vertraut dabei auf die Kraft des Lead-Synthesizers, fügt seinen Songs Echo und Hall im Übermaß dazu und lässt eine billige Drum-Machine endlos pluckern. Zusammen mit Mausens Ian-Curtis-Gedächtnisstimme ergibt das ein Werk von erhabener, pastoraler Schönheit. Albert Koch
19
The Strokes
Angles
RCA/Sony Music
Nach fünf Jahren Abstinenz, die mit einem Album ohne Langzeitwirkung eingeläutet wurde, und sehr durchwachsenen Soloprojekten der Bandmitglieder war von den einstigen Heilsbringern nicht viel zu erwarten. Entsprechend zurückhaltend gestalteten sich die Verkäufe. Schade, denn die New Yorker kamen mit einem frischen Sound, der wie das Bindeglied vom Post-Punk der späten 70er zum New Wave der frühen 80er wirkt, von ihrem ermüdenden Holzweg ab und glänzten mit Songwriting, das das auf ihrem ach so unantastbaren Debüt teilweise sogar überragte. Stephan Rehm
18
Iron & Wine
Kiss Each Other Clean
4AD/Beggars/Indigo
Ungefähr so wie eine Fahrt auf dem elterlichen Autorücksitz in den 70er-Jahren, so sollte sich dieses Album anhören, hatte Sam Beam versprochen. Also warm und geborgen und wundervoll und voller Bläser, mit liebevoll hingetupften Klavierklängen und leise schaukelnden Rhythmen und mächtig großen Melodien. Und genau so kam es: Iron & Wine wären wohl niemals in Versuchung geraten, einen Hybrid zu fahren. Aber am Steuer eines solch fetten Cadillacs, der 15 Liter frisst, aber dafür stolz seine Flossen trägt, saß Sam Beam bislang noch nicht. Thomas Winkler
17
Ja, Panik
DMD KIU LIDT
Staatsakt/Rough Trade
Selten war sich die Kritik so einig: Die Österreicher aus Berlin hatten das beeindruckendste (mehrheitlich) deutschsprachige Album seit Jahren, vermutlich Jahrzehnten aufgenommen. Ein schwindelerregend interpertierfähiges Meisterwerk, voller Leidenschaft und Inszenierung, ein wunderschöner Widerspruch, ein Alles und ein Nichts. Eine Woche auf Platz 82 der Charts war der Dank. Der Band, die sich in ihrem Theaterstück „Eine Entgiftung“ schon 2010 mit beißendem Humor über sich als Personen, ihr Werk und ihre Unterstützer lustig machte, konnte das egal sein. Stephan Rehm
16
Danger Mouse & Daniele Luppi
Rome
Capitol/EMI
Hommage, ja, aber auch die bis in die letzte Halbnote perfekte Rekonstruktion der Soundästhetik italienischer Filmmusik aus den 60er- und 70er-Jahren. Umgesetzt von Danger Mouse und dem italienischen Komponisten Daniele Luppi mit Musikern, die schon für Ennio Morricone und Piero Umiliani gearbeitet haben. Warme Streicher, psychedelische Chorgesänge, twangy Gitarren und das gewisse Etwas, das das ungewöhnlichste Gesangsduo der jüngeren Popgeschichte manchen Liedern verleiht: Jack White und Norah Jones. Albert Koch
15
EMA
Past Life Martyred Saints
Souterrain Transmissions/Rough Trade
Spätestens bei „Anteroom“, dem dritten Song auf dieser Platte, erkennt man, wo die DNA von EMA sitzt: In den Frühneunziger-Produktionswerken von Steve Albini, vielleicht auch beim Riot-Grrl-Rock von Sleater-Kinney oder Le Tigre. Trotzdem wäre es fatal, Erika M. Anderson als reine Wiederkommerin zu bezeichnen: Auf ihrem Solodebüt kläfft und rumpelt sich die frühere Gowns-Sängerin durch einen Katalog intensiv und durchaus vielfältig inszenierter Songs, die eine Gefühlspalette von Wut („California“) bis Resignation („Breakfast“) darlegen. Jochen Overbeck
14
Wilco
The Whole Love
dBpm/Anti/Indigo
Wilco haben sich im Laufe ihrer langen Karriere um die Aufarbeitung der Popgeschichte ausdrücklich verdient gemacht.Vielleicht ist The Whole Love ja der Moment in der Popgeschichte, der rückblickend als jener identifiziert werden wird, in dem Wilco tatsächlich ein gänzlich eigenes Klangbild gefunden haben, mit dem sie in die Popgeschichte eingehen werden. Sicher aber ist immerhin: Schon lange nicht mehr klang die Band aus Chicago so verspielt und zugleich konzentriert, so eingängig und zugleich eigen, so schwerelos – und doch nach großem Moment. Thomas Winkler
13
Destroyer
Kaputt
Merge/Cargo
Synthesizer, Querflöten, Saxofone! Das kanadische Songwriter-Bäumchen-wechsel-dich Dan Bejar kochte für sein neuntes Album Roxy Music, New Order, Steely Dan aus und noch einige Zutaten mehr aus Softrock, Jazzpop und New Wave, die man besser nicht so genau benennt. Die Grenzen zum Kitsch sind fließend, die Texte wohl zu ironisch, um als aufrichtig durchzugehen. Natürlich ist Kaputt ein Spiel. Aber es weiß um die Macht des Pop, Sehnsüchte zu transportieren. Und das Songwriting ist dermaßen durchtrieben, dass man dieser Platte nur schlecht auskommt. Oliver Götz
12
Jamie Woon
Mirrorwriting
Polydor/Universal
2011 hatten wir lernen müssen, dass die Zukunft des Soul nicht zwangsläufig in seiner Vergangenheit liegt. Neben James Blake und Art Department war Jamie Woon ein weiterer gewichtiger Vertreter dieser These. Der 28-jährige Londoner mit Dubstep/Bassmusik-Hintergrund verbindet auf seinem Debütalbum klassischen Soulgesang mit postmodernen Arrangements. Zu minimalistischen, halbdunklen elektronischen Backings, die sich teilweise mit den spooky Aspekten des frühen Dubstep auseinandersetzen, singt Jamie Woon wie ein alter Soulster. Albert Koch
11
Tom Waits
Bad As Me
Anti/Indigo
Auf einmal ist es eine kleine, aber immerhin über den Fankreis hinausreichende Sensation, wenn der Kalifornier ein neues Album veröffentlicht. Ein Album, das genau so in den vergangenen 38 Jahren hätte erscheinen können. Waits heult und rülpst sich, mal berührend, mal mitreißend, durch einen Sumpf aus Blues, Akkordeons und Rock’n’Roll. Warum also jetzt diese hohen Chartsränge? Weil man nach Jahren zwischen Entfremdung und Selbstfindung erkennt, wie wichtig Verlässlichkeit ist. Wie 2006, da stand Bob Dylan nach 30 Jahren erstmals wieder auf Platz 1 in den USA. Stephan Rehm
10
Shabazz Palaces
Black Up
Sub Pop/Cargo
Während sich der Hauptstrom der HipHop-Jünger 2011 allen Ernstes Großes versprach von der Zusammenarbeit von Jay-Z und Kanye West, spielten sich die aufregenden Dinge woanders ab. Ishmael „Butterfly“ Butler (Ex-Digable Planets) schuf ein Album, das sich der Geschichte des Genres bewusst war. Black Up funktioniert als Identitätsstifter für die afroamerikanische Kultur und verlagert mit abstrakten Beats und Sphärensounds den Schwerpunkt des HipHop dorthin, wo er schon einmal in den 90ern gewesen ist. An die psychedelischen Ränder seines eigenen Universums. Albert Koch
9
Metronomy
The English Riviera
Because/Warner
Wie kann man nur so schnell erwachsen werden wie dieser Joe Mount? Metronomy, zuletzt noch im Irgendwas-Rave verortete Leuchtstabhedonisten-Bediener, zeigen sich auf ihrem dritten Album als kühlen 80er-Bass klöppelnde und hübsch falsettierende Popper, die Hits verfassen, die sich nicht, wie oft behauptet, direkt neben Steely Dan, sondern eher zwischen Phoenix und den Junior Boys ansiedeln, aber ungleich eleganter klingen. Irritierend sind lediglich die titelgebenden Möwen und die Brandungsgeräusche, aber die verzeiht man bei so einer guten Platte gerne. Jochen Overbeck
8
Anna Calvi
Anna Calvi
Domino/Good To Go
Jeder Saison sei ihr eigenes weibliches Art-Pop-Singer/Songwriter-Wunderkind gegönnt. 2011 war das die Italo-Britin Anna Calvi, die mit ihrem gleichnamigen Debütalbum halbdunklen Drama-Pop mit Blues-Twang und Flamenco-Untertönen zusammenbrachte und damit ein kleines Kunstpop-Wunderwerk in die Welt setzte – wie Nick Cave in weiblich und jung. Damit wurde die 29-Jährige nicht nur zum Feuilleton-Liebling, sondern auch zum Favoriten des anspruchsvollen, reiferen Hörers, der seine Musikempfehlungen vom ZDF-Kulturkanal bezieht. Albert Koch
7
The Rapture
In The Grace Of Your Love
DFA/Coop/Universal
Labelchef James Murphy durfte stolz sein auf seine frühen Schützlinge. Mit ihrem vierten Album brachten The Rapture das alte Rezept vom tanzbaren Post-Punk zu einer Tiefe und Reife, die kein Album der New Yorker bisher erreichte. Dazu hie und da ein Schuss Soul und Funk und ein paar vereinzelte Ausbrüche in die reine Clubmusik wie mit dem Piano-House-Superhit „How Deep Is Your Love?“ und in „Come Back To Me“. The Rapture zogen neue Schlüsse aus ihrer eigenen Vergangenheit. Oder so: In der allgemeinen Retromanie war sich diese Band selbst genug. Albert Koch
6
Fleet Foxes
Helplessness Blues
Coop/Universal
Nein, allzu viel hat sich nicht geändert bei den Fleet Foxes. Nach wie vor zärtelt sich Robin Pecknold durch seine Songs wie einst Graham Nash, und nach wie vor polstert seine Band diese Zärteleien mit süffigen Folkrock-Arrangements ab. Allerdings findet gleichzeitig eine Art Emanzipation von all jenen statt, mit der man die Band anfangs verglich: Auf Helplessness Blues wird kühner konstruiert als noch auf dem Debütalbum. Das viel Raum lassende „The Plains/Bitter Dancer“ mag da als Beispiel dienen, oder auch „Lorelai“ mit seinem Walzer-Rhythmus. Jochen Overbeck
5
Bon Iver
Bon Iver
4AD/Beggars/Indigo
Das zweite Album des im Falsett sirrenden Einsiedlers Justin Vernon ist reiner Next-Level-Shit. Metamorphose happens, nein, dieser Künstler bleibt nicht stehen. Aber wo geht er hin? Vernons Sound ist auf seinem Weg aus der Hütte über die Bühnen und durch die Begegnung mit anderen Musikern (u.a. Kanye West) gewissermaßen orchestral geworden. Aber was letztlich auf Bon Iver davon zu hören ist, klingt wie ein Nachhall von alledem – all die feinen Ornamente, Chöre, Bläser, Steel Guitar, reichlich seidenweiche Synthesizer dringen kaum bis an die Oberfläche vor. Am Ende kehrt Justin Vernon dann eben doch in seine Hütte zurück, mit seiner Stimme und seiner Gitarre. Und die Welt, die leuchtet von draußen hinein in den schönsten Farben. Oliver Götz
4
Radiohead
The King Of Limbs
XL/Beggars/Indigo
The World Won’t Listen. Nach fünf Nummer-eins-Alben im UK in Folge verbrachte Radioheads Achte eine lächerliche Woche in den britischen Top Ten (auf einem armseligen Platz sieben!) In Deutschland erreichte ein Album der Band aus Oxfordshire zum ersten Mal seit 1997 nicht mehr die vorderen zehn Chartsplätze. Als der Musikexpress in seiner Titelgeschichte vom Mai Radiohead zur „wichtigsten Band der Welt“ ausrief, hagelte es verständnislose Leserbriefe, wurde auf Facebook über „die Emerson, Lake & Palmer unserer Tage“ geschimpft und dem Musikexpress die Fähigkeit zur kritischen Beobachtung abgesprochen. Auf diesen Shitstorm war niemand vorbereitet. Radiohead? Everybody’s Darlings Radiohead? Passiert das den Kollegen vom „Rolling Stone“ auch, wenn sie die Beatles zur besten Band der Musikgeschichte erklären? War die Platte nach dem friedlichen Vorgänger In Rainbows zu fordernd? Oder war es einfach mal wieder an der Zeit to kill your idols? Denn schließlich stand das Schlachten der heiligen Kuh vor der Diskussion über das Album. The King Of Limbs war nicht mehr oder weniger zu verstehen als der Backkatalog der Band seit Kid A / Amnesiac. Das Album zeigte bei anhaltender Trendresistenz, wie Musik zur Zeit funktionieren kann. Offensichtlich waren aber nicht alle Hörer auf Höhe dieser Zeit. Stephan Rehm
3
Feist
Metals
Polydor/Universal
Es kommt vor, dass Musiker nach einer erfolgreichen Etappe auf kompliziert machen, weil sie ihr künstlerisches Ego befriedigen wollen. Am Ende lässt das Ergebnis dann aber zu wünschen übrig, weil Verkrampfung in diesem Leben nie ein guter Begleiter ist, auch nicht im Studio. Beim ersten Feist-Album seit vier Jahren hatte man auch so seine Befürchtungen. Allein schon das Cover! Ein verkohlter Baumstamm in karger Landschaft und dazu der harte Titel Metals. Das signalisierte zunächst einmal Distanz. Aber wer es wagt, an dieser Frau zu zweifeln, der verliert. Es hat einfach nur eine Akzentverschiebung stattgefunden. Die schüchterne Niedlichkeit früherer Tage ist größerer Reife und Selbstüberzeugung gewichen. Wer auf Stücke nach Art von „1234“ wartete, die sich problemlos für die Werbung einsetzen lassen, wurde enttäuscht. Wer die Kanadierin wegen ihrer Coverversionen, Kollaborationen und Samples schätzte, durfte sich ebenfalls umstellen. All original material! Nur an der Zusammenarbeit mit den alten Mitbewohnern Gonzales und Mocky hat sich nichts geändert. In dieser Konstellation gelingen Feist echte Gänsehautmomente. Die Geschichte über die Toten auf dem Friedhof, die man doch bitte alle wieder zum Leben erwecken möge, ist ergreifend und in viele Richtungen deutbar. Ganz großes Theater ist der strenge Männerchorgesang in „A Commotion“, bei dem man ruhig an die Einstürzenden Neubauten denken darf. Aufruhr, Unruhe und Tumult bei Feist. Ein Muss. Thomas Weiland
2
James Blake
James Blake
Atlas/Polydor/Universal
In der Ablehnung dieses Albums gab es zwei grundlegende Schulen, und die gingen von den denkbar weitest entfernten Rezeptionstypen aus. Die Ahnungslosen und die Überinformierten waren sich einig: James Blake ist kein gutes Album. Die Ahnungslosen, die ohne den internationalen Chartserfolg der Platte (Nummer 27 in Deutschland, Nummer 9 in Großbritannien, Nummer 1 in Belgien), ohne das Airplay des Feist-Covers „Limit To Your Love“ im Mainstream-Radio niemals auf James Blake aufmerksam geworden wären, konnten in den gemorphten und zerhackten, bassmächtigen Soundkonstruktionen, in der Arhythmie, über der diese komische, bearbeitete Stimme lag, überhaupt nichts Musikalisches erkennen. So wie ihre Hazy-Osterwald-geschulten Großeltern damals bei den Beatles.
Die Überinformierten, die schon im Jahr 2009 stolze Besitzer von Blakes erster Single „Air & Lack Thereof“ gewesen sind, witterten dagegen den kommerziellen Ausverkauf, wähnten ungute Tendenzen (zu viel Gesang!) zu erkennen in der Musik des 23-jährigen Briten, die auf seinen – zugegeben – großartigen EPs CMYK und Klavierwerke noch nicht da waren. Es ist die alte Geschichte vom beleidigten Kind, das sein Spielzeug jetzt mit den anderen teilen muss.
Die Wahrheit ist: James Blake ist und bleibt ein großartiges Debütalbum, das freilich unter Vorkenntnis der Geschichte von Dubstep, zu dessen Entwicklung und Diversifikation es einen entscheidenden Beitrag geleistet hat, mehr Sinn ergibt. Ganz zu schweigen vom Umgang mit Raum und Stille in Blakes Minimal Music, der wegweisend ist für diese neue Kontemplation, die sich im Jahrgang 2011 plötzlich quer durch alle Genres zog. Albert Koch
1
PJ Harvey
Let England Shake
Island/Universal
Ein „Album des Jahres“ sollte etwas erzählen können über das Jahr, in dem es gekürt wurde, im besten Fall steht es gewissermaßen für dieses Jahr. Also, was hat das zehnte Album von Polly Jean Harvey von 2011 zu berichten? Die Künstlerin hat über zweieinhalb Jahre daran gearbeitet, an einem Konzept von verhängnisvoller Zeitlosigkeit: Let England Shake zeichnet ein Bild ihres Heimatlandes im Dauerzustand des Krieges. Es erzählt vom Sterben, seinen unauslöschbaren Bildern und von den Landschaften, in dem sich all das trotzdem schnell verliert. PJ textet in einer gewaltigen Sprache, schließlich singt sie über die Nation und ihren Untergang und so zwangsläufig auch zur Nation. Lange hat sie nach Stimmen gesucht, mit denen sich vortragen lässt, was kaum sagbar ist. Sie singt als Erzähler, sie singt wie in alten Weisen, sie singt in überhöhter Schönheit und altertümlichen Akzenten. Mit langjährigen Weggefährten wie John Parish und Mick Harvey zog PJ schließlich in eine Kirche, um im akustischen Ensemble das Konzept Musik werden zu lassen. Die wiederum baut auf die grobe Unmittelbarkeit des Blues und des Folk. Und die ganze reiche Tradition dieser Stilformen, die ja genau dem Zweck dienen, von Menschen und ihren Schicksalen zu erzählen, schwingt mit in den zwölf Songs. Dazu gehört auch, dass diese Musik Trost zu spenden vermag, gegen jedes bessere bzw. bittere Wissen. Aber zurück zur Frage: Was erzählt diese Platte denn nun vom Jahr 2011? Es war das Jahr, in dem eine der größten Künstlerinnen der Rockmusik der letzten 20 Jahre ein Album von zeitloser Gewaltigkeit und Schönheit veröffentlicht hat. Eine Art Album, wie es sie eigentlich heutzutage gar nicht mehr gibt. Sagen die Älteren. Man sollte den Älteren Let England Shake vorspielen. Und morgen dann den Jungen. Dann wissen die auch: 2011 kann kein schlechtes Popjahr gewesen sein. Oliver Götz
Die Top-5-Platten der ME-Mitarbeiter
Marcel Anders
1 Adele: 21 2 Black Keys: El Camino 3 Lykke Li: Wounded Rhymes 4 Kasabian: Velociraptor! 5 Anna Calvi: Anna Calvi
Nicole Ankelmann
1 Fink: Perfect Darkness 2 Elbow: Build A Rocket Boys! 3 Justice: Audio, Video, Disco 4 James Blake: James Blake 5 The Rapture: In The Grace Of Your Love
Sabrina Bärthel
1 Florence And The Machine: Ceremonials 2 Beirut: The Rip Tide 3 Boy: Mutual Friends 4 Coldplay: Mylo Xyloto 5 Clueso: An und für sich
Thomas Bohnet
1 Aidan Moffat & Bill Wells: Everything’s Getting Older 2 Metronomy: The English Riviera 3 Ernst Molden: Weida foan 4 Herman Düne: Strange Moosic 5 Keren Ann: 101
Annett Bonkowski
1 Bright Eyes: The People’s Key 2 IAMX: Volatile Times 3 Radiohead: The King Of Limbs 4 CANT: Dreams Come True 5 John Vanderslice: White Wilderness
Davide Bortot
1 The Weeknd: House Of Balloons 2 Jamie Woon: Mirrorwriting 3 Tiger & Woods: Through The Green 4 The Rapture: In The Grace Of Your Love 5 AraabMuzik: Electronic Dream
Ralph Buchbender
1 Forest Swords: Dagger Paths 2 Tom Waits: Bad As Me 3 Dum Dum Girls: Only In Dreams 4 Wilco: The Whole Love 5 PJ Harvey: Let England Shake
Simone Deckner
1 Metronomy: The English Riviera 2 Dillon: This Silence Kills 3 Niels Frevert: Zettel auf dem Boden 4 The Miserable Rich: Miss You In The Days 5 Serengeti: Family And Friends
Heinrich Dubel
1 Lady Gaga: Born This Way 2 Brian Eno: Drums Between The Bells 3 Wanda Jackson: The Party Ain’t Over 4 Baby Dee: Regifted Light 5 Peter Licht: Das Ende der Beschwerde
Peter Felkel
1 Matana Roberts Coin Coin Chapter One: Gens De Couleur Libres 2 Wilco: The Whole Love 3 The Walkabouts: Travels In The Dustland 4 June Tabor & Oysterband: Ragged Kingdom 5 Noel Gallagher’s High Flying Birds: Noel Gallagher’s High Flying Birds
Arno Frank
1 PJ Harvey: Let England Shake 2 Zwanie Johnson: I’m A Sunshine 3 Radiohead: The King Of Limbs 4 Bright Eyes: The People’s Key 5 Eleanor Friedberger: Last Summer
Oliver Götz
1 PJ Harvey: Let England Shake 2 Feist: Metals 3 Wild Beasts: Smother 4 Tied & Tickled Trio And Billy Hart: La Place Demon 5 Destroyer: Kaputt
Stephanie Grimm
1 PJ Harvey: Let England Shake 2 Connan Mockasin: ForeverDolphin Love 3 Iron & Wine: Kiss Each Other Clean 4 TV On The Radio: Nine Types Of Light 5 Feist: Metals
Christopher Hunold
1 Toro Y Moi: Underneath The Pine 2 Seekae: +Dome 3 James Pants: James Pants 4 Clams Casino: Instrumentals 5 FaltyDL: You Stand Uncertain
Albert Koch
1 Love Inks: E.S.P. 2 James Blake: James Blake 3 Peaking Lights: 936 4 Nicolas Jaar: Space Is Only Noise 5 The Rapture: In The Grace Of Your Love
Kristina Koch
1 Brian Lopez: Ultra 2 Lykke Li: Wounded Rhymes 3 Chilly Gonzales: The Unspeakable Chilly Gonzales 4 Gucci Mane: Return Of Mister Zone 6 5 Housse de Racket: Alesia
Mike Köhler
1 EMA: Past Life Martyred Saints 2 Kreidler: Tank 3 Tamikrest: Toumastin 4 Kasabian: Velociraptor! 5 Noel Gallagher’s High Flying Birds: Noel Gallagher’s High Flying Birds
Marina Krün
1 PJ Harvey: Let England Shake 2 Danger Mouse & Daniele Luppi: Rome 3 Laura Marling: A Creature I Don’t Know 4 James Blake: James Blake 5 Jessica 6: See The Light
Hanspeter Künzler
1 PJ Harvey: Let England Shake 2 Hollie Cook: Hollie Cook 3 St. Vincent: Strange Mercy 4 Anna Calvi: Anna Calvi 5 Phall Fatale: Charcoal From Fire
Michael Lössl
1 My Morning Jacket: Circuital 2 Cold War Kids: Mine Is Yours 3 dEUS: Keep You Close 4 Kasabian: Velociraptor! 5 Portugal.The Man: In The Mountain In The Cloud
Severin Mevissen
1 Danger Mouse & Daniele Luppi: Rome 2 Makossa & Megablast: Soy Como Soy 3 John Tejada: Parabolas 4 Munk: The Bird And The Beat 5 Mickey Moonlight: And The Time Axis Manipulation Corporation
Maj Mlakar
1 Bon Iver: Bon Iver 2 John Maus: We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves 3 Richard Swift: Walt Wolfman 4 Destroyer: Kaputt 5 The Rapture: In The Grace Of Your Love
Kristina Nagel
1 Beastie Boys: Hot Sauce Commitee Part Two 2 The Rapture: In The Grace Of Your Love 3 Radiohead: The King Of Limbs 4 PJ Harvey: Let England Shake 5 Fleet Foxes: Helplessness Blues
Thomas Neukum
1 Tim Hecker: Ravedeath 2 John Maus: We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves 3 Destroyer: Kaputt 4 Washed Out: Within And Without 5 The War On Drugs: Slave Ambient
Sassan Niasseri
1 Toro Y Moi: Underneath The Pine
2 The Strokes: Angles 3 Smith Westerns: Dye It Blonde 4 Matt Berry: Witchazel 5 Eleanor Friedberger: Last Summer
Sven Niechziol
1 James Blake: James Blake 2 Fleet Foxes: Helplessness Blues 3 Tom Waits: Bad As Me 4 Nicolas Jaar: Space Is Only Noise 5 13 & God: Own Your Ghost
Ralph Niemczyck
1 Destroyer: Kaputt 2 Tyler, The Creator: Goblin 3 John Maus: We Must Become … 4 Raphael Saadiq: Stone Rollin‘ 5 Jamie Woon: Mirrorwriting
Jochen Overbeck
1 Ja Panik: DMD KIU LIDT 2 Lykke Li: Wounded Rhymes 3 Iron & Wine: Kiss Each Other Clean 4 The Cool Kids: When Fish Ride Bicycles 5 Jamie Woon: Mirrorwriting
Dirk Peitz
1 Nicolas Jaar: Space Is Only Noise
2 James Blake: James Blake 3 Metronomy: The English Riviera 4 Jamie Woon: Mirrorwriting 5 Washed Out: Within And Without
Stephan Rehm
1 Ja, Panik: DMD KIU LIDT 2 James Blake: James Blake 3 Shabazz Palaces: Black Up 4 Roll The Dice: In Dust
5 PJ Harvey: Let England Shake
Reiner Reitsamer
1 Gruff Rhys: Hotel Shampoo 2 Ernst Molden: Es Lem 3 Frankie & The Heartstrings: Hunger 4 Destroyer: Kaputt 5 Noah & The Whale: Last Night On Earth
Verena Reygers
1 Casper: XOXO 2 EMA: Past Life Martyred Saints 3 Ghost Of Tom Joad: Black Musik 4 Joan As Police Woman: The Deep Field 5 St. Vincent: Strange Mercy
Frank Sawatzki
1 Peaking Lights: 936 2 SBTRKT: SBTRKT 3 Nat Baldwin: People Changes 4 Beirut: The Rip Tide 5 Bill Wells & Aidan Moffat: Everything’s Getting Older
Volker Schadt
1 Noel Gallagher’s High Flying Birds: Noel Gallagher’s High Flying Birds 2 The Horrors: Skying 3 The New Division: Shadows 4 Washed Out: Within And Without 5 Kasabian: Velociraptor!
Matthias Scherer
1 Bon Iver: Bon Iver 2 Fucked Up: David Comes To Life 3 Ron Sexsmith: Long Player, Late Bloomer 4 Shabazz Palaces: Black Up 5 EMA: Past Life Martyred Saints
Rainer Schmidt
1 Art Department: The Drawing Board 2 The Rapture: In The Grace Of Your Love 3 Modeselektor: Monkeytown 4 PJ Harvey: Let England Shake 5 Dillon: This Silence Kills
Vanessa Schneider
1 The Rapture: The Grace Of Your Love 2 EMA: Past Life Martyred Saints 3 Who Made Who: Knee Deep 4 Bombay Bicycle Club: A Different Kind Of Fix 5 Lady Gaga: Born This Way
Tomasso Schultze
1 Uncle Acid And The Deadbeats: Blood Lust 2 Justice: Audio, Video, Disco 3 Fujiya & Miyagi: Ventriloquizzing 4 Graveyard: Hisingen Blues 5 Munk: The Bird And The Beat
Franz Stengel
1 Africa Hitech: 93 Million Miles 2 SBTRKT: SBTRKT 3 GhostPoet: Peanut Butter Blues 4 Gil Scott-Heron & Jamie XX: We’re New Here 5 Modeselektor: Monkeytown
Thomas Weiland
1 PJ Harvey: Let England Shake 2 John Maus: We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves 3 Tom Waits: Bad As Me 4 Sepalcure: Sepalcure 5 Metronomy: The English Riviera
Josef Winkler
1 Fleet Foxes: Helplessness Blues 2 PJ Harvey: Let England Shake 3 Wilco: The Whole Love 4 Feist: Metals 5 James Blake: James Blake
Thomas Winkler
1 Beirut: The Rip Tide 2 Spank Rock: Everything Is Boring And Everyone Is A Fucking Liar 3 PJ Harvey: Let England Shake 4 Blitzen Trapper: American Goldwing 5 The Pierces: You & I
Michael Wopperer
1 The Strokes: Angles 2 Radiohead: The King Of Limbs 3 Tom Waits: Bad As Me 4 TV On The Radio: Nine Types Of Light 5 Tom Vek: Leizure Seizure
Geschenkt: Drei mal 50
Wir verlosen je drei Sätze der 50 Platten des Jahres 2011. An der Verlosung nimmt teil, wer die folgende Frage richtig beantwortet: „Welche 12 Platten wählte die Musikexpress-Redaktion in den Ausgaben Januar bis Dezember 2011 zur jeweiligen Platte des Monats?“ Antworten per Postkarte an:
Musikexpress, „Her mit den CDs!“, Mehringdamm 33, 10961 Berlin
oder in einer E-Mail an verlosung@ musikexpress.de
Einsendeschluss ist der 9. Januar 2012. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Die Songs des Jahres
1. Ja, Panik „DMD KIU LIDT“
Oder doch das kompakte „Nevermind“? Eine Entscheidung wie „Bohemian Rhapsody“ gegen „We Will Rock You“. In diesem Jahr gewann die Kunst.
2. Lady Gaga „The Edge Of Glory“
Refrain wie von Bonnie Tyler, Strophe wie von Billy Joel, Mittelteil wie von den Vengaboys. Gleichermaßen Guilty Pleasure und Geniestreich.
3. James Blake „Limit To Your Love“
Dubstep? Viel mehr! Luftig klöppelnder, gefühlvoller Pop aus der Feder von Leslie Feist.
4. Lana Del Rey „Video Games“
Ein einziger Song und ein Hype gingen um die Welt. Hoffen wir, dass das Album mithalten kann.
5. The Rapture „How Deep Is Your Love“
Der Indietronic-Konsens-Hit. Denkt bei dem Titel moch irgendjemand an die Bee Gees?
6. Austra „Lose It“
Der „Spiegel“ rief den Song vorschnell zum „Macarena“-artigen Sommerhit aus. Zur Clubhymne reichte es aber allemal.
7. The Kills „Satellite“
The Kills sind nach wie vor dann am besten, wenn sie vergessen, die Handbremse zu lösen.
8. Feist „Graveyard“
Gutes Jahr für Feist: zwei Kompositionen in unseren Top Ten. Ist das hier Gothic-Gospel?
9. The Naked And Famous „Young Blood“
Kam schon Mitte 2010 raus. Aber ehrlich: Vor 2011 haben Sie dazu auch nicht getanzt!
10. The Strokes „Under Cover Of Darkness“
Frische Riffs, euphorischer Refrain und ein selten so wach klingender Julian Casablancas.
11. Tyler, The Creator „Yonkers“
Genialer Erneuerer oder reaktionärer Frauen- und Schwulenfeind? Große Kunst polarisiert.
12. Hercules And Love Affair „Painted Eyes“
Mit dieser Brücke zum ersten Album ließ Andy Butler die Discokugel wieder rotieren.
13. M83 „Midnight City“
Schön geschichteter Stimmungskuchen für die Nacht.
14. Thees Uhlmann „& Jay-Z singt uns ein Lied“
Der nationale Radiohit des Jahres – unbedingt in seiner Version ohne den Kläffer Casper.
15. Jai Paul „BTSTU“
Wirre Harmonien, wackelige Synths und trotzdem geht die Popmelodie nie verloren.
16. Fucked Up „Queen Of Hearts“
Gastsängerin Madeline Follin brilliert im Duett mit Hardcore-Schreihals Pink Eyes.
17. Metronomy „The Look“
Joe Mount spielt Steely Dan.
18. Noel Gallagher’s High Flying Birds „The Death Of You And Me“
Dafür, dass das Album erstaunlich mittelmäßig war, kann ja die superbe Leadsingle nichts.
19. Foster The People „Pumped Up Kicks“
Cooles Video Nr. 1: Gewalt in „Mad Max“-Ästhetik. Dazu amtlicher Indie-Rock.
20. Anna Calvi „Desire“
Selten strahlte ein Newcomer solche Entschlossenheit aus.
21. Florence + The Machine „Shake It Out“
Schön, dass Frau Welch in all ihrem Bombast auch immer wieder einen Song versteckt.
22. Destroyer „Kaputt“
Neben Lady Gaga maßgeblich für das Comeback des Saxofons verantwortlich.
23. Is Tropical „The Greeks“
Cooles Video Nr. 2: ordentlich Gewalt in „Roger Rabbit“-Ästhetik. Dazu Technopop.
24. Adele „Someone Like You“
Große Mainstream-Schnulze, kommender Castingshow-Standard. Geht trotzdem klar.
25. Blood Orange „Champagne Coast“
Lightspeed Champion unter neuem Namen, aber mit verlässlichem Popjuwel.
26. Jay-Z / Kanye West „Otis“
Sie hätten einander neutralisieren können, aber das Dream Team gewann.
27. Wild Beasts „Albatross“
Keine Kopfstimme ging 2011 mehr ins Herz.
28. The Raveonettes „Forget That You’re Young“
Berührend und verstörend, wie der „Twin Peaks“-Soundtrack.
29. Justice „Civilization“
Das besungene „beating of a million drums“ ließen die Franzosen allerdings hinter sich. Gitarren überholten die Drums.
30. Beth Ditto „I Wrote The Book“
2012 erscheint das neue Gossip-Album. Nach diesem Disco-Brett ist Großes zu erwarten.
31. The Vaccines „If You Wanna“
Rock’n’Roll auf eine seiner Ur-Formeln gebracht: „Baby, Come Back“ – funktioniert auch 45 Jahre nach den Equals noch.
32. Matias Aguayo „I Don’t Smoke“
Die Polyrhythmik von Ay Ay Ay verschwand, die Hooks blieben.
33. TV On The Radio „Will Do“
Tatsächlich: ein Schmuseschieber der Indie-Avantgardisten.
34. Katy B „Katy On A Mission“
Spätestens mit dem Postergirl des Genres wurde Dubstep zum Mainstream-Thema.
35. CSS „Hits Me Like A Rock“
Obwohl man auf den Sommer verzichten musste, einen Sommerhit gab’s trotzdem.
36. Björk „Crystalline“
Auf Albumlänge verzettelte sich die Isländerin etwas, dieser Song auf dem iPod genügt.
37. Munk „La Musica“
Wie eine Italo-House-Version von Jackos „Thriller“.
38. Cults „You Know What I Mean“
Die Hipster-Popper beweisen Grandezza: die schönste Blue-Eyed-Soul-Nummer der Saison.
39. St. Vincent „Cruel“
Tanztee-geeigneter Ambitionen-Elektropop.
40. Yelle „Que veux-tu“
Wieso musste diese Liste eigentlich jahrelang ohne Beiträge aus Frankreich auskommen?
41. Smith Westerns „All Die Young“
Hübsch verschwommener Psychedelic-Pop. Eine der Überraschungen des Jahres.
42. Beastie Boys „OK“
Fetziges Synthriff, Punkgitarre, staubtrockene Beats und Roboterstimme: ein Song wie ein Best-of der Beasties.
43. Zomby „Natalia’s Song“
Eher ein Frankenstein – bei den vielen Samples, aus denen dieser Elektropop gebastelt ist.
44. Boy „Little Numbers“
Manchmal klingt Hamburg eben nach Paris.
45. Arctic Monkeys „Suck It And See“
Das Album war eigenartig bocklos, aber der sehnsuchtsvolle Titelsong hielt den Glauben an Alex Turner am Leben.
46. Michaela Meise „Preis dem Todesüberwinder“
Wenn Duettpartner Dirk von Lowtzow „Halleluja, Jesus lebt!“ singt, wird das Kirchenlied zum Stimmungshit.
47. Bon Iver „Holocene“
Auf einmal stand Justin Vernon mit seinem barocken Folk auf Platz zwei der US-Albumcharts.
48. Wolfram feat. Paul Parker „Out Of Control“
Staffelübergabe on the Dancefloor: Hi-NRG-Ikone trifft auf Discowuschel aus Österreich.
49. WU LYF „Dirt“
Die mysteriösen Blog-Lieblinge als dunkle Version von U2.
50. Retro Stefson „Kimba“
Isländer spielen Van Halen und träumen von Afrika. Hoch die internationale Solidarität!