Was haben strippende Freundinnen, Bach, dröhnende Saxofone und Heino mit Conrad Keelys Musiksozialisation zu tun? Er hat es uns erzählt.
Der Song hat mich durch meine Kindheit begleitet …
Wings
Band on the Run
„Band On The Run“ ist der erste Song in meinem musikalischen Gedächtnis. Und er hat mich durch all die Jahre des anstrengenden Tourens begleitet. Er ließ mich verstehen, dass man als Band nicht nur dem Gesetz (Paul McCartney beschreibt die Idee des Songs als „kind of prison escape“ – Anm. d. Red.), sondern auch der Konvention immer einen Schritt voraus sein muss.
Als wir unsere Band gründeten, hörten wir …
Depeche Mode
Violator
Damals war ich mit einem Mädchen zusammen, das als Stripperin arbeitete und mich zur Musik von Violator anmachte. Sie strippte zu dem Song „Clean“. Außerdem hörten wir De La Soul Is Dead. De La Soul gehörten zu diesen Dingen, die wie ein extremer Wechsel des Luftdrucks förmlich spürbar sind. Sie rüttelten uns richtig durch, als wir ins Ungewisse Richtung Süden aufbrachen.
Mein liebster Klischee-Texas-Country-Hit …
Waylon Jennings
Luckenbach, Texas (Back to the Basics of Love)
Waylon Jennings‘ „Luckenbach, Texas“ wird immer wieder als ein Lied über eine Stadt missverstanden, aber Luckenbach ist kaum mehr als eine Kreuzung zweier Highways, neben der ein Gemischtwarenladen steht. Der Song beschwört den Geist des gemeinsamen Musizierens herauf. Heute gibt es das ja leider kaum noch: Leute kommen völlig zwanglos zusammen und machen Musik. Sie proben nicht, sie wollen auch keine Band sein, sie wollen nur einfach im Wohnzimmer sitzen, Gitarre und Geige spielen, in die Tasten hauen und Spaß am Musizieren mit Freunden haben.
Dieser Song half mir, Progrock zu verstehen …
The Beatles
Strawberry Fields Forever
„Strawberry Fields Forever“ ist meiner Meinung nach der erste populäre Art-Rock-Song. Er veränderte nicht nur den kreativen Spielraum einer Single, sondern dehnte die Vorstellung davon, wie weit ein Popsong gehen kann, und gab dadurch auf vielfältige Art den Anstoß für Genres wie Progressive und Art Rock.
Mein Soundtrack, als ich nach New York zog …
„Out To Lunch Jazz“-Radioshow
Die „Out To Lunch Jazz“-Radioshow auf WKCR lässt mich immer wieder den Puls dieser Stadt fühlen. Obwohl viele amerikanische Städte darum wetteifern, die Hauptstadt des Jazz zu sein – vor allem New Orleans, Chicago und Kansas – ist für mich nichts New-York-typischer als das Dröhnen eines Saxofons durch die dünnen Wände eines Wohnhauses. Wenn der Nachbar gerade nicht Saxofon übt, füllt „Out To Lunch“ diese Lücke.
Der Song, der mich beim Malen inspiriert …
Massive Attack
Teardrop
Wenn ich male, muss ich total entspannt sein. Deshalb vermeide ich es, dabei laute, lärmige Musik zu hören und wende mich beruhigenden, den Geist umspülenden Songs wie eben diesem Stück zu.
Dieses Stück ist eine intellektuelle Herausforderung …
Johann Sebastian Bach
Sonate in D-Moll
Bachs Sonate in d-Moll ist sowohl eine emotionale als auch mentale Herausforderung. Wer konzentriert zuhört, wird gezwungen, der Melodie Note für Note zu folgen. Dabei nimmt einen dieses bewegende Stück mit auf eine Reise, die uns sowohl unsere Seele erforschen lässt als auch intellektuelle Demut lehrt. Ich persönlich habe nichts gegen diese Art von Demut, die Werke von solcher Größe hervorrufen, und gebe mich mit der Einsicht zufrieden, dass ich, egal wie stark ich mich bemühe, niemals auch nur in die Nähe von Bach kommen werde.
Eine wunderbare Platte, die ich erst durch ihr großartiges Cover entdeckt habe …
Heino
Meine schönsten Lieder
Was gibt es dem hinzuzufügen?
Albumkritik ME 4/11
Randnotizen:
* Conrad Keely und Jason Reece, der Kern von … And You Will Know Us By The Trail Of Dead, lieben Mythen, und so ist auch bis heute nicht klar, wie wahrheitsgetreu ihre eigene Biografie ist. Demnach freundeten sie sich in Plano, Texas, im örtlichen Kirchenchor an. Später gründeten Conrad Keely, Jason Reece und Neil Busch in Austin zuerst ein Vokal-Ensemble, das auf kirchlichen Festen auftrat.
* … Trail Of Dead fordern nicht nur ihre Hörer, sondern auch sich selbst gern intellektuell heraus, so haben sie sich schon frühzeitig mit Theorien von Greil Marcus und Guy Debord beschäftigt und lassen diese immer wieder in ihre Musik einfließen. Zudem hat Conrad Keely einen Essay mit dem Titel „Death of the Enlightened Amateur – A Brief Summary of Key Developments in Western Music“ veröffentlicht.
* Conrad Keely ist nicht nur Musiker, sondern auch etablierter Zeichner und Maler. Über die Jahre arbeitete der Marvel-Comics-Fan an seiner eigenen Graphic Novel „Strange News From Another Planet – The Adventures of the Festival Thyme“, die in Auszügen der Limited Edition des aktuellen Albums Tao Of The Dead beigelegt ist und deren Charaktere auf dem Cover wiederzufinden sind.
