Wie Phoenix mit Kutte – zwei Pariser führen hinters Licht und auf die Tanzfläche.
Jamaica liegt in Paris. Es trägt keine Rastalocken, keine rotgelbgrüne Strickmütze und raucht auch nicht pausenlos Gras. Vor allem klingt es nicht nach dem, was man denkt: Reggae, weißen Stränden, Ska, Rum, Dancehall, Aufruhr. Antoine Hilaire und Florent Lyonnet heißen wie die Karibikinsel, weil sie gern mit Klischees spielen. Aber sie spielen auch gerne mit Gitarren, wie der Metalhead sie mag. Keiner der Songs des Debüts No Problem durfte das Presswerk ohne Gitarrensolo verlassen. Hilaire kann die Frage nach der Relevanz des Stilmittels nicht nachvollziehen: „Jeder liebt Gitarrensoli“, behauptet er und verweist auf die hoch geschätzten White Stripes, „eine extrem hippe Band, obwohl Jack einer der großspurigsten Gitarristen überhaupt ist.“
Cock-Rock-Geprotze liegt dem Duo jedoch fern. Das hoch ironische Video zur Single „I Think I Like U 2“ dokumentiert den eigenen Aufstieg und Fall: Groupies, Drogen, gefaketes Bono-Cameo und Absturz inklusive. Unwahrscheinlich, dass es so endet, denn Kevin-Bacon-Doppelgänger Antoine und Ex-Opernschauspieler Florent haben nicht nur Metalgitarren und flirrend-leichten Elektropop Marke Phoenix, sie haben auch Melodien. Doch Antoine, der früher bei einem Label arbeitete, ist vorsichtig: „Ich habe so viele Bands gesehen, die nachts mit Sonnenbrillen rumliefen und sich für die Kings hielten, bloß weil sie ein Album aufgenommen haben. Dann verkauften sie 200 Stück – und das war’s.“ Im unwahrscheinlichen Fall des Flops müssen Jamaica wohl weiter Pantera und Slayer (Florent) und Nirvana (Antoine) hören. Oder es mal mit Reggae versuchen.
CD im ME S. 21, Albumkritik S. 100
www.myspace.com/ithinkilikejamaica
2007 Unter dem Namen Poney Poney stellt die Band erste Songs ins Netz.
2009 Ausstieg des Drummers und Umbenennung.
2010 Xavier de Rosnay (Justice) und Peter J. Franco (Soundmann von Justice und Daft Punk) produzieren Jamaicas Debüt No Problem.
8/2010 No Problem erscheint bei V2/Cooperative Music.
