Depeche Mode: Im Olympia- Stadion, München
Was macht sie so großartig? Ist es Dave? Ist es Martin? Tipp: Fletch ist es nicht.
Sie tragen aus alter Verbundenheit Schwarz und die zumeist mittelalten Männer maschinengeschnittene Kurzhaarfrisuren, die bald 30 Jahre später noch direkt von der ersten New Wave beeinflusst sind. Dass ihr Idol Dave Gahan für ein paar Jahre mal ein strähniger, trademarkiger, aber auch lebensgefährlich authentischer Rockstar war, wird vernachlässigt. Sie kommen in Massen, und da, wo Massen hingehen, wissen die meisten unter den vielen meist ziemlich genau, was sie erwartet. Bei Depeche Mode heißt das: Die drei, die inklusive Gastmusiker auf der Bühne fünf sind, werden sehr viele ihrer Hits spielen, aber selbst ein paar der großen aussparen, damit das Konzert hinten nicht länger wird als vorn. Depeche Mode werden allerdings auch ein, zwei Songs hervorkramen, die nicht zu ihren Standards gehören. Den wahren Fans zuliebe. Diesmal sind dies der konsequent monotone Black Celebration-Track „Fly On The Windscreen“ und das alte Wave-Discobrett „Master And Servant“. Zudem wird Martin L. Gore wieder zwei seiner Balladen vortragen, ohne Dave Gahan. Eine davon, „Home“, zwölf Jahre alt, ist inzwischen ein Klassiker und ein anrührender Höhepunkt des Konzerts. Da möchte man ihm fast verzeihen, dass er ansonsten wieder ohne Unterlass Guitar-Man-Action zelebriert, ohne nur einen besonderen Guitar-Moment hören zu lassen – von den essentziellen Riffs von „I Feel You“ und „Personal Jesus“ einmal abgesehen. Gahan indessen singt gut. Weitaus besser als Gore Gitarre spielt. Er wird allerdings wieder sehr oft „Oi!“ und „That’s right!“ brüllen und das Stadion strikt bis hinüber in die Südkurve rocken. Dieser Gahan hat erst vor ein paar Tagen einen Blasentumor entfernt bekommen, die „Tour Of The Universe“ stand vor dem Abbruch. Seine Verfassung ist unter diesen Umständen erstaunlich. Die neuen Songs, von den Singles „Wrong“ und „Peace“ abgesehen, sorgen dafür, dass die Veranstaltung nur schleppend in die Gänge kommt. Doch wenn dies dann passiert, bekommen wir die vielleicht erstaunlichste Stadionband des Planeten in ihrer ganzen prächtigen Widersprüchlichkeit vorgeführt: Denn größer noch als ihre beiden, an diesem Abend tausende Male beim Namen gerufenen Stars sind diese mollenen, monophonen Keyboardmelodien. Fast lächerlich banal, fahren sie tief in uns hinein. In jeden ganz für sich allein.