Vermischtes


Hauptstadt-Hype Version 2.0 Gerade als man dachte, das internationale Berlin-Fieber sei am Abflauen, ging's erst richtig los

BERLIN -Am Ende hätte der Berlin-Hype fast noch Franz Ferdinand erwischt. Nick McCarthy und Alex Kapranos verhandelten tatsächlich schon mit den Besitzern der Berliner Hansa-Tonstudios, bis ihnen einfiel, dass das ja mal ganz schöner Unsinn wäre. Daheim in Glasgow hatte sich die Band immerhin unter eigener Adresse behaglich eingerichtet, eine gute Flugzeugladung Equipment hätte nach Berlin geflogen werden müssen, und Geld hätte es vermutlich auch noch gekostet. Plattenmachen in Berlin ist the shit. Mit Snow Patrol und Keane machten sich 2008 gleich zwei britische Nummer-eins-Bands auf, um an der Spree aufzunehmen. Snow Patrol mieteten sich in den eben erwähnten Hansa-Studios ein, wo immerhin seinerzeit David Bowie heroes einspielte. Keane zog’s zu Teldex nach Lichterfelde, szenetechnisch gesehen nicht gerade der Mittelpunkt der Hauptstadt. Andere zogen gleich ganz an die Spree: Bloc-Party-Drummer Matt Tong spricht schon davon, hier Kinder großziehen zu wollen, und spart auch sonst nicht mit Lob. Neu-Berliner Fran Healy konnte zu den Interview-Terminen zum aktuellen Travis-Album ode to J.Smith bequem mit der Straßenbahn anreisen.

So manche Musiker haben in den letzten 15 Jahren in Berlin vorbeigeschaut. Doch wo bei Künstlern wie den Kills und Erlend Oye sicher auch die im Vergleich zu ihren Heimatstädten deutlich günstigeren Lebenshaltungskosten eine Rolle spielten, ist esjetzt so eine Art 2.0-Variante, die eben auch noch anderen Faktoren geschuldet ist – etwa der Tatsache, dass mit Universal und MTV in unmittelbarer Nähe die Wege kurz sind und die Infrastrukur in Sachen Aufnahmemöglichkeiten genauso stimmt wie die nippe Tradition: Wo Bowie, Lou Reed und Depeche Mode aufnahmen, kann’s so schlecht nicht sein.

Noch mehr Aufregendes: The Aim Of Design Is To Define Space fuhren für das Video des unverschämt guten „Geboren im Winter“ auf BMX-Rädern durch die Straßen der Stadt, Lützenkirchen, eigentlich Münchner, ließ die Visualisierung seiner Pillenhymne „3 Tage wach“ quasi im Berliner öffentlichen Raum stattfinden. Bonaparte – ihr Frontmann Thomas Jundt ist Schweizer – trugen Masken und die Hedonistenhymne „Too Much“ hinaus in die Welt. Smart verfrickelter Elektro kam von Bodi Bill. Und die beste Berliner HipHop-Platte, Prinz Pis neopunk, ging leider ziemlich unter. Ja, auch so was passiert manchmal in dieser Stadt.