Man kann es drehen
... und wenden: Die Geschichte des DJing, die in Europa beginnt, lässt sich im Netz nachvollziehen.
Was für die Geschichte der Menschheit der „Urknall“ ist, das ist für die DJ-Kultur die erste Tonaufnahme: Am 9. April 1860 (ironischerweise an einem Montag, dem in der Clubszene traditionell bedeutungslosesten Wochentag) zeichneten Wissenschaftler in Paris zehn Sekunden des Volkslieds „Au Clair de la Lune“ über einen „Phonautograph“ auf. Die historische Aufnahme wurde erst dieses Jahr entdeckt und findet sich unter http://tinyurl.com/33gqhu . Dass der „Gesang“ auf dieser Aufzeichnung – „Zeichnung“ übrigens im wahrsten Sinne des Wortes: Schallwellen
wurden mit Hilfe eines Schweinehaars in eine zittrige Linie übertragen -, weniger nach einer menschlichen Stimme als nach einer Biene im Yoghurtbecher klang, wusste damals niemand – der Apparat konnte seine Aufnahmen nicht wiedergeben.
Wie es weiterging, lässt sich bestens in einer übersichtlichen, flashprogrammierten Zeitleiste bei www.djhistory.co.uk nachvollziehen: Thomas Edison war der erste Mensch, der eine Aufnahme seiner eigenen Stimme hörte. Er zeichnete 1877 den Text von „Mary Had A Little Lamb“ auf. (Das Audiofile hier ist irreführend – es ist nicht das Original, das inzwischen verschollen ist. 1927, zum 50-jährigen Jubiläum seiner Erfindung, sprach Edison das Gedicht noch einmal in den Phonographen.) In den 40er-Jahren tauchten die ersten DJs auf und reisten für ihre Auftritte bereits über den Atlantik: Da es zu teuer und umständlich war, ein ganzes Orchester nach Europa zu schicken, sandte die Army ihren Soldaten im Zweiten Weltkrieg Schallplattenunterhalter. Die Männer reisten mit einem Plattenspieler und Aufnahmen von Benny Goodman, Glen Miller und den Andrew Sisters an und beschallten Tanzflächen über einen 30-Watt-Verstärker. Die erste DJ-Konsole baute Ende der 40er-Jahre Ron Diggins – diese Geschichte wird am schönsten in der Rubrik „Features“ bei www.djhistory.com (nicht co.uk ) erzählt: Der DJ aus Boston benutzte Holz von Särgen (mangels Alternativen, nicht weil er so gothic war), baute zwei Plattenspieler und sogar einen selbst gelöteten Mixer ein.
Ende der 40er-Jahre begann auch die Soundsystem-Kultur auf Jamaika, die Revolution aber passierte 1972 in der New Yorker Bronx: DJ Kool Herc legte erstmals auf seinen zwei Plattenspielern die gleiche Platte auf, um, indem er von einem Kanal zum anderen schaltete und die Nadel dabei immer wieder zurücklegte, besonders ekstatische Breaks mehrmals hintereinander spielen zu können. Da Technics bereits zwei Jahre davor das 1200-Modell (als HiFi-, nicht als DJ-Plattenspieler!) entwickelt hatte, waren damit alle wichtigen Innovationen in der DJ-Kultur passiert – sowohl auf technischer als auch auf kreativer Seite. Wie fantastisch diese Erfindungen waren, zeigt sich an ihrer langen Lebensdauer: Selbst DJs, die heute mit Programmen von Serato und Traktor auflegen, steuern ihre MP3-Dateien noch mit „Kontrollvinyl“, das meist auf Technics-1200-Plattenspielern liegt.