„50 Jahre Musikexpress – Das Festival“: Am Ende wird es Konfetti regnen
Wir haben am 13. August 2019 in der Berliner Max-Schmeling-Halle 50 Jahre Musikexpress gefeiert – mit Bands, die tief in die Geschichte der Rock- und Soulmusik hineinlauschen. Hier unser Nachbericht samt Fotos. Schön war's!
Ein bunter Flitterschauer ergießt sich zum Finale auf die Besucher, die in die Max-Schmeling-Halle gekommen sind, als hätte man eine spacige Piñata zerkloppt. Ergibt Sinn, immerhin sind rund 10.000 Geburtstagsgäste versammelt – denn zu feiern gibt es, wenn man so will, den 50. Geburtstag des Popjournalismus in Deutschland: Der Musikexpress, das am längsten bestehende Musikmagazin des Landes, wird ein halbes Jahrhundert alt.
Wie feiert man das Jubiläum einer Publikation, das sich immer als Beobachter der Gegenwart (in seinen besten Momenten sogar: als Seher der Pop-Zukunft!) verstanden hat? Am besten wahrscheinlich so: mit Acts, die tief in die Geschichte der Rock- und Soulmusik hineinlauschen, um das Erbe schließlich – verdreht, dekonstruiert, neu zusammengesetzt – in die Gegenwart zu transportieren.
Yeasayer sind so eine Gruppe, und eine Band, die der Musikexpress seit ihren Anfängen begleitet, noch dazu. Labelte man ihr Debüt ALL HOUR CYMBALS noch als Ethno-Rock, drifteten sie im Laufe ihrer Karriere immer mehr gen Pop. In Berlin blasen Yeasayer sowohl ältere, Psychedelic-lastige Stücke als auch Songs ihres neuen Albums EROTIC RERUNS, das campy klingt wie bislang nichts von den New Yorkern, auf Hallenformat auf. Eine Videoinstallation zeigt die Gesichter der Band in kaleidoskopartiger Optik – ein seltsames Bild, das im Gedächtnis und im Raum schweben bleibt wie der Mund der Grinsekatze aus „Alice im Wunderland“, selbst dann, als das Licht schon längst erloschen ist und der nächste Act die Bühne betritt: Auftritt Blood Orange.
Warum der Musikexpress, aber eigentlich die ganze Welt die Songs des Briten Devonté Hynes so liebt, erklärt wenig besser als eines seiner Konzerte: So berührende, zärtliche, zugleich hochpolitische Songs über Rassismus und schwarze Identität singt derzeit kein zweiter Künstler. Hynes trägt seine Songs, die selbst aus dem wuchtigsten Soundsystem noch luftig klingen, gelassen vor, beinahe bescheiden, während die Bilder auf der Videoleinwand seine Botschaften mittragen und verstärken: nächtliche Straßenszenen, intime Alltagssequenzen.
Nun wäre man bereit gewesen, Hynes in die Nacht zu folgen – hätte nicht Kevin Parker die Licht- und Weltfluchtmaschine angeworfen. Auf der Bühne lässt er das Publikum die Verwandlung seiner Band Tame Impala – von der Neo-Psychedelic-Gruppe zur Synthie-Pop-Formation – quasi umgekehrt nachvollziehen, unterstützt von den trippigsten, buntesten, Visuals des Abends: mal morphen geometrische Muster zu Blumen, mal wächst Parkers zigfach dupliziertem Gesicht ein Auge auf der Stirn, mal badet der Zeremoniemeister in regenbogenbuntem Licht. Als dann noch die Space-Piñata platzt, jubeln alle Geburtstagsgäste und -kinder gemeinsam der Pop-Zukunft entgegen.