Back for very good: Das sind die 50 besten Comeback-Alben
Von Blur über Aphex Twin bis John Cale: Wir teilen mit euch 50 großartige Comeback-Alben.
Cibo Matto
HOTEL VALENTINE
2014
Im Grunde genommen waren Cibo Matto ein Fall für die subkulturellen Geschichtsbücher – das exzentrische Artefakt einer exzentrischen Ära. In der zweiten Hälfte der Neunziger landeten Miho Hatori und Yuka Honda kleine Radiohits über Hühnchen und Zuckerwasser. 15 Jahre nach STEREOTYPE A kehrten sie aus heiterem Himmel mit einem Konzeptalbum über ein Hotel im Jenseits zurück. Schon unter Ansicht von Songtiteln wie „10th Floor Ghost Girl“, „Empty Pool“ und „Housekeeping“ erstrahlen Bilder im Kopf, beim Hören läuft vor dem inneren Auge ein bizarrer Film übersinnlicher Natur ab: Ein rätselhafter Geist schwirrt darin in glückseliger Anarchie und frönt jeder nur erdenklichen Lust. Nach wie vor ist es ein Ding der Unmöglichkeit, Cibo Matto einem einzigen Genre zuzuordnen, lose verortet werden können ihre Stücke im Spannungsfeld zwischen TripHop, Alternative Rock und Jazz. Wie im alten Jahrtausend verbiegt das Duo geltende Gesetze der Popmusik auf die wundersamste aller Weisen. (Martin Schüler)
Aphex Twin
SYRO
2014
Abgesehen von einer Reihe an EPs unter seinem Zweit-Alias AFX veröffentlichte Richard D. James keine neue Musik seit dem 2001er-Album als Aphex Twin, DRUKQS, das auf beiden Seiten des Atlantiks höchst unterschiedlich aufgenommen wurde: Vergab der britische „NME“ fast die Höchstwertung, watschte es der „Rolling Stone“ mit einem von fünf Sternen ab. SYRO brachte die Welt wieder zusammen – die der Kritik, aber auch die der Fans: So ist es doch erstaunlich, dass eine Platte mit einer Lead„single“ namens „minipops 67 [120.2]“ auf Platz 11 der USA einsteigt. Tatsächlich ist SYRO das zugänglichste Album James’ seit seinem Ambient-Debüt, reich an Melodien und arm an der Brutalität, mit denen uns Horror-Tracks wie „Come To Daddy“ den Schlaf raubten. Wer sich Songs erwartet, wird von dem Album freilich um den Verstand gebracht. SYRO ist wie der Soundtrack zu einer Reisereportage über einen fantastisch bewucherten fremden Planeten. (Stephan Rehm Rozanes)
Faith No More
SOL INVICTUS
2015
So wie der FNM-Schriftzug auf dem Cover in Gold strahlt, so wird mit dieser Platte der Ruf als Überband manifestiert. Mike Patton beißt sich an den breitbeinigen Hymnen fest wie ein Pitbull. Für ihren ersten Tonträger nach 18 Jahren (und bis dato letzten) verließen sie sich auf kein Label, sondern gründeten selbst „Reclamation“. Alles an diesem Welcome-Back-Werk ist exzentrisch. Wuchtig. Selbstbewusst. Ein Hardrockalbum, dass Rage mit Eingängigkeit koppelt und trotzdem nicht mit Mainstreamtauglichkeit in Verbindung zu bringen ist. Denn zu oft schlagen sie dafür in alle Richtungen aus, verfransen sich, schicken Quatsch-Songs heraus und liefern dann wieder dramatische Sechs-Minüter (siehe „Matador“), lassen Gedanken an System of a Down und Queensrÿche zu und machen zu guter Letzt einfach einen ziemlich heißen Kopf von der ganzen Zuhören-und-Headbangen-Kombination. (Hella Wittenberg)
Blur
THE MAGIC WHIP
2015
It really, really, really did happen: 20 Jahre nachdem sie mit Oasis die Vorherrschaft in Cool Britannia ausfochten – und 16 Jahre nach ihrem letzten Album mit Gitarrist Graham Coxon – zementierten Blur ihren Status als wandlungsfähigste aller Britpop-Bands. Mit Stücken wie „Ong Ong“ und „Lonesome Street“ kehrten sie zu den Pub-Singalongs der 90er zurück, „My Terracotta Heart“ hätte wunderbar auf das abgründige Heartbreak-Album 13 gepasst. Mit „I Broadcast“ kamen sie ihrer Tradition des Ein-Punkprügler-pro-Platte nach und ausgerechnet das sperrige, wie eine B-Seite des experimentellen „Music Is My Radar“ von 2000 wirkende „Go Out“ war die Leadsingle. Nebenbei zeigten sie wie ein Comeback funktioniert – wurden allen Erwartungshaltungen gerecht, hatten mit Songs wie „There Are Too Many Of Us“ aber auch ein Auge auf die Gegenwart – und eine sehr wahrscheinlich sehr bedenkliche Zukunft – gerichtet. Great, Briten! (Stephan Rehm Rozanes)
Dr. Dre
COMPTON
2015
Eineinhalb Dekaden rechneten HipHop-Jünger in aller Welt mit dem Erscheinen eines neuen Dr.-Dre-Albums namens „Detox“. Wiederholte Male wurde die Veröffentlichung verschoben – so oft, dass sich irgendwann Mythen zu ranken begannen. Bis heute ist es eine Platte mit sieben Siegeln: Am ersten Augusttag des Jahres 2015 gab der HipHop-Impresario bekannt, dass „Detox“ nie erscheinen würde, schlicht weil es seinen Ansprüchen nicht genüge. Im selben Atemzug kündigte er sein drittes und finales Studioalbum COMPTON als eine Art Soundtrack zum N.W.A-Biopic „Straight Outta Compton“ an. Auf insgesamt sechzehn Stücken erzählen – um nur einige Namen zu nennen – Anderson .Paak, Kendrick Lamar, Eminem, Ice Cube und Snoop Dogg an Dr. Dres Seite aus ihren Leben – von der Gewalt auf den Straßen, früh gehegten Träumen und ihren wahr gewordenen Märchen. (Martin Schüler)
Swervedriver
I WASN’T BORN TO LOSE YOU
2015
Als die Band aus Oxford sich Ende der 90er zunächst einmal zurückzieht, hinterlässt sie eine vier Alben starke Schatztruhe, Songs wie „Son Of Mustang Ford“, „Duel“ oder „These Times“ boten süchtigmachenden Stoff zwischen Shoegaze, Grunge und Psychedelia. Pophistorisch jedoch bleibt ihnen lange Zeit nur ein Platz in der zweiten bis dritten Reihe hinter Granden wie My Bloody Valentine oder Ride, file under Insidertipp. 2008 folgt das Live-Comeback, nach einer 17-jährigen Unterbrechung mit I WASN’T BORN TO LOSE YOU schließlich ein neues Album. Swervie-Fans steigt das Wasser in die Augen, Tracks wie „English Subtitles“ oder „Deep Wound“ knüpfen nahtlos an einstige Großtaten an, hypnotisch flirrend, melodisch as f***. Kein Zufallstreffer von Adam Franklin & Co, vier Jahre später folgt mit FUTURE RUINS ein Longplayer, der dieses Album sogar noch toppt. (Ingo Scheel)
The Libertines
ANTHEMS FOR DOOMED YOUTH
2015
Gut, die titelgebende Jugend (eine Anspielung auf ein Gedicht Wilfred Owens) erreichten die längst in der zweiten 30er-Hälfte angekommenen Indie-Heroen mit den Anthems ihres ersten Albums seit elf Jahren wohl nicht mehr. Gerade mal sechs Wochen hielt es die Platte in den britischen Charts aus. Und vielleicht wirkte es auch etwas peinlich, wie die angegrauten Herren im Video zur Leadsingle „Gunga Din“ besoffen durch ein Rotlichtviertel der thailändischen Stadt Pattaya torkelten, als würden sie ein Sequel zu „The Hangover“ drehen. Leider lenkte das von der eben doch hymnischen Qualität des Songs ab, in dessen Refrain die lange Jahre zerstrittenen Likely Lads Carl Barât und (damals noch ohne Abschluss-„r“) Doherty ihren Frieden miteinander machten: „You’re a better man than I“. Noch fester wurde die Umarmung in „You’re My Waterloo“, einem endlich fertiggestellten Uralt-Song der Band. Dazwischen lauert auf der Tracklist mit „Fame And Fortune“ ihr wohl bester Mitgröler, den bedauerlicherweise kaum jemand mitgrölte. (Stephan Rehm Rozanes)
Shirley Collins
LODESTAR
2016
Die 1935 geborene Folksängerin assistierte dem Amerikaner Alan Lomax bei seinen berühmt gewordenen Field Recordings Ende der 1950er, da hatte sie gerade ihr erstes Album veröffentlicht. Sie singt uralte Lieder, oft von einem Banjo begleitet, reicht die Songs der einfachen Leute an ein junges Publikum weiter, bringt Jazz und arabischen Blues in ihre Musik – eine Vorbotin der vielen Variationen des Folk-Booms ihrer britischen Heimat. Mitte der 1970er kämpft sie mit dem Verlust ihrer Stimme und kehrt 2016 erst wieder mit einem Album zurück: LODESTAR, zu Hause in East Sussex aufgezeichnet, lässt die Verbindung, die Collins zwischen traditionellem Folk und Avantgarde von jeher zu knüpfen wusste, in eindrucksvollen Songepen neu aufscheinen. Eine große Dame, eine Mutter Courage des Britfolk, mit einer Stimme, die mindestens um eine Oktave gefallen war. (Frank Sawatzki)