5 K-Pop-Sängerinnen, die ihr eigenes Ding machen
Rosé von Blackpink gönnt sich gerade eine kleine Solokarriere und mischt mit der sehr amerikanisch klingenden Single „On The Ground“ die Charts auf. Im K-Pop gibt es jedoch auch einige Sängerinnen, die inzwischen eine Solokarriere dem Bandverbund vorziehen. Wir stellen Euch fünf von ihnen vor – darunter auch einige, die das etablierte, konservative, vom Male Gaze geformte Frauenbild auf ihre Weise herausfordern. Mit dabei sind: Jessi, IU, Sunmi, CL und Chungha.
Jessi
Sie ist Sängerin, Rapperin, Songwriterin, hin und wieder TV-Host und eine Künstlerin, die das auf niedlich getrimmte Bild der weiblichen K-Pop-Idols mit großer Freude sprengt. Aufgewachsen in New Jersey, zog Jessi im Teenager-Alter nach Korea und startete als Idol eine Solokarriere, zuerst unter dem Namen Jessica H.O. Nach diversen Ups and Downs und einer längeren Pause hat sie gerade mit Singles wie „NUNU NANA“ einen ziemlichen Lauf.
Außerdem ist Jessi bei K-Pop-Star Psy gesignt – der sich mit seinem Label P Nation anscheinend auf die Fahne geschrieben hat, das im K-Pop vorherrschende Konzept der Talent-Kaderschmiede sein zu lassen und auf Charakterköpfe wie Jessi, Dawn und Hyuna zu setzen. Jessi ziert mit Psy und ihren Labelkolleg*innen aktuell auch die allererste Ausgabe des koreanischen „Rolling Stone“. Spannend zu sehen, wie Jessi, die ihre Sozialisation in den Staaten erfahren hat, so gar nicht lieblich sein will, sondern bei ihren Auftritten und auch bei ihren Interviews gerne die angriffslustige Kodderschnauze gibt, die mit ihrer für koreanische Verhältnisse sehr offenen Art auch schon mal das ein oder andere Idol erröten lässt.
IU
Koreanische Idols, vor allem die Frauen, sind oft Allround-Talente: Das gilt auch und vor allem für IU, die singt, auch mal mit anderen Songs schreibt und die Hauptrollen in K-Drama-Serien wie „Pretty Man“, „Producer“, „My Sister“ und „Hotel de Luna“ spielte.
IU zählt seit Jahren zu den kommerziell erfolgreichsten Solokünstlerinnen in Korea und hat laut Rechnung der Billboard Charts dort die meisten Nr.1-Hits gelandet. Auch wenn ihr Image eher klassisch ist, steht IU doch in dem Ruf, mit viel Arbeit und einem guten Händchen für TV-Rollen, das Team, das sie umgibt, und die Idols, mit denen sie arbeitet, ihre eigene Karriere geformt zu haben. Auf die Frage, ob IU sich eigentlich eher als Idol oder als Musikerin sehe, antwortete sie einmal: „Eine Musikerin ist für mich eine Person, die auf der Bühne strahlt, ein Idol eine, die vor der Kamera aufblüht.“ Eine sehr spannende Definition, die zeigt, dass K-Pop eben nicht NUR Musik ist. Sie sähe sich übrigens meistens eher als Idol.
Sunmi
Wer K-Pop, seine Ästhetik und diese krasse Ambivalenz zwischen Verklemmtheit auf der einen und der oft eben doch sehr sexuell aufgeladenen Inszenierung auf der anderen Seite verstehen will, darf nicht vergessen, dass dieses Genre mit dem koreanischen, dem japanischen und dem chinesischen Markt vor allem ein Publikum bedient, das trotz allem technischen Fortschritt im Kern ultrakonservativ ist – und auch die Branche überwiegend männlich und konservativ geführt wird.
Das wird besonders deutlich, wenn es um LGBTQ-Belange geht. Einerseits ist die K-Pop-Fan-Community teilweise sehr divers, queer und offen, die männlichen Idols oft betont androgyn – andererseits wird von Seiten der Industrie die nicht sehr glaubhafte Illusion gewahrt, Idols seien allesamt Singles. Und natürlich Heten. Vor diesem Kontext hat Sunmi einen besonderen Status.
Sie startete ihre Karriere in der Girlgroup Wondergirls und ist seit 2013 erfolgreich solo unterwegs. Sunmi ist, wie Hyuna auch, eine „LGBT Queen“ für viele queere K-Pop-Fans – was erst einmal nur bedeutet, dass viele ihrer Fans zur LGBTQ-Gemeinde zählen. Sunmi spielt allerdings manchmal mit diesem Thema und ihrer eigenen Präferenz. Erst im März antwortete sie auf die Frage eines weiblichen Fans, ob sie sich auch in eine Frau verlieben könnte: „Das wäre möglich.“ Eine Antwort, die für koreanische Verhältnisse schon fast gewagt ist.
Weltweit Schlagzeilen machte Sunmi im Sommer 2019. Während einer Show in Amsterdam sagte Sunmi auf der Bühne: „I have many different sides of me like dorky and LGBT“. Viele ihrer queeren Fans feierten das als Coming-out, worauf Sunmi per Tweet zurückruderte: „Yeah, I support LGBT but don’t get me wrong guys.“ Ob das ein vorsichtiges Ausloten des Sagbaren ist oder ob sie mit diesen Aussagen einen starken Teil ihrer Fanbasis pleasen will, wird sich zwar noch zeigen müssen, dennoch ist Sunmis Karriere, ihr Auftreten und ihr Image eigenständig, offen, selbstbewusst – und damit nicht wirklich deckungsgleich mit dem weit verbreiteten Vorurteil gegenüber Frauen im K-Pop.
CL
James Corden umgarnt für seine „Late Late Show“ nicht nur die größten westlichen Popstars, die sich nur zu gerne in sein Auto oder seine Show setzen – Corden war auch früh dran, wenn es um das Einladen von K-Pop-Stars ging. Den Anfang machte Rapperin, Sängerin, Schauspielerin, Designerin und Model Lee Chae-rin alias CL, die 2016 mit Hilfe des Managers Scooter Braun schon mal den amerikanischen Markt mit gezielten englischsprachigen Releases, umfangreicher PR und einer Tour ins Visier nahm. Scooter Braun ist nicht nur das Feindbild von Taylor Swift, sondern arbeitete auch mit Justin Bieber, Ariana Grande, Psy und vielen anderen.
Die 1991 in Seoul geborene CL war zuvor Leaderin und Gründungsmitglied der Band 2NE1. 2018 spielte sie gar bei der Abschlussfeier der Olympischen Winterspiele. 2019 trennte sich CL von der Produktionsfirma YG Entertainment – eine der sogenannten „Big 3“ der koreanischen Musikindustrie, die zugleich Label, Management, Booking-Agentur und Musikmedium sind. Vor allem dieser Schritt ist interessant, denn CL wagt damit den Move, quasi „independent“ zu werden und gründete „Very Cherry“ – eine „all-compassing brand in itself born with the idea of creating a core team that has been ‚cherry-picked‘ for CL and by CL“. Schon diese Selbstdefinition kann man als starkes Statement gegen die bestehende Struktur verstehen. Mit ihrer Strahlkraft und ihrer Musik stehen die Chancen nicht schlecht, dass diese Rechnung für sie aufgehen könnte.
Chungha
Zum Abschluss ein weiteres Beispiel einer klassischen Idol-Karriere, die in einen gesunden Solo-Start mündete. Chungha war Teil der Girlgroup I.O.I, die in einer Show namens „Produce 101“ des Musik-TV-Senders Mnet gecastet wurde. Dieses Show-Franchise findet in China, Japan und Südkorea statt. Die so gecasteten Bands sind von Anfang an als temporäres Projekt angelegt – gerade erst hat sich die Band der dritten Staffel IZ*ONE relativ sang- und klanglos verabschiedet, obwohl die Band kommerziell sehr erfolgreich war und eine große Fanbase hatte. I.O.I war die Band der ersten Staffel und nur 2016 und 2017 aktiv. Chungha hat sich danach weiterhin auf der Bühne als Solokünstlerin und auch als Moderatorin einen Namen gemacht und Präsenz gezeigt – ähnlich wie ihr persönliches Vorbild IU. Anfang des Jahres erschien ihr erstes komplettes Album „Querencia“, das einen guten Spagat zwischen K-Pop und Handreichungen zum amerikanischen Markt hinlegt.