5 Fragen an Jeff Tweedy


1 Du hast Anfang 2006 eine Solo-Akustik-Tour gemacht, nun zu sehen auf der DVD „Sunken Treasure“. Was bedeuten solche Alleingänge für die Gesundheit der Band Wilco?

Zunächst mal hilft mir das, eine Verbindung zu meinem Job als Songschreiber aufrechtzuerhalten. Man dringt allein sehr viel riefer in das Wesen eines Songs ein, und das hilft mir dann wieder, wenn ich neues Material für Wilco schreibe. Ich habe auf der Tour auch alte Uncle-Tupelo-Songs und frühe Wilco-Sachen gespielt, das war ebenfalls wichtig, um wieder freier im Kopf zu werden. Songs kommen und gehen, was ihre Bedeutung für mich angeht, aber ich konnte auf diese Weise eine Beziehung zu Sachen herstellen, die mir weit weg erschienen. Es ist toll, zu merken, dass man einen uralten Song spielt, der heute eine vollkommen andere Bedeutung zu haben scheint. Wobei ich nicht hart an neuen Versionen oder so gearbeitet habe. Die Songs, die ich auf der Tour gespielt habe, waren einfach die, die mir unmittelbar in den Sinn kamen.

2 Es geht sehr intim und locker bei deinen Soloshows zu, aber du kannst auch anders: Im Film ist zu sehen, wie du dein Publikum regelrecht zusammenfaltest, weil zu laut geredet wird. Was geht in solchen Momenten in dir vor?

Ganz im Ernst: Ich glaube, ich mache da etwas vollkommen Neues. Ich meine das wirklich so, wie ich es sage. Das hat aber wohl mit meinem Charakter zu tun. Ich kann mich nicht einfach auf eine Bühne stellen, meine Songs spielen und so tun, als wäre das ganz normal. Also versuche ich mich reinzuhängen, und dann erwarte ich aber auch ein Mindestmaß an Respekt und Wertschätzung. Ich will niemanden beleidigen, und ich plane so was auch nicht. Aber wenn’s mir zu blöd wird, raste ich einfach aus und frage die Leute: Was verdammt noch mal erwartet ihr von mir? Was in Teufels Namen soll ich tun, um euch glücklich zu machen? Ich meine das nicht ironisch, aber ich bin als Musikerund Künstler auf Ermutigung aus dem Publikum angewiesen, und wenn jemand sich unbedingt unterhaken will, kann er das zu Hause.

3 Der Film rückt dir ziemlich auf die Pelle, wie schon die Wilco-Doku „lAm Trying To Break YourHeart“. Dein Leben ist somit ausgiebig und bis ins Detail fitmisch dokumentiert. Fühlst du dich wohl mit dieser Vorstellung?

Ich versuche nicht so viel darüber nachzudenken, dass es den kotzenden Jeff Tweedy auf DVD gibt. (lacht) So viel ist sicher: Ich gucke mir das Zeug nicht an. Okay, den Wilco-Film hab‘ ich tatsächlich mal angeschaut. Irgendwie hab‘ ich das Gefühl, das geht mich nichts an. (lacht) Dass es diese Filme gibt, hat zum Glück keinerlei Einfluss darauf, wie ich mich selbst wahrnehme. Ich würde da sowieso nur eine Verzerrung meiner selbst sehen. Andererseits habe ich den Machern dieser Filme vertraut, und die Regisseure haben einen guten Job gemacht. Es war ihr Anspruch, das zu zeigen, was sie gesehen haben. Meine Frau hat beide Filme mehrmals gesehen und mir versichert, dass sie im besten Sinne unterhaltsam seien.

4 2004 und 2005 waren turbulente Jahre für dich. Du hast mit Wilco zwei Orammys gewonnen, aber auch wegen Medikamentensucht einige Zeit in einer Entzugsklinik verbracht. War 2006 ein entspannteres Jahr?

O ja, ich bin sehr glücklich im Moment! Leider habe ich gerade meine Mutter verloren, und meine Familie macht eine schwere Zeit durch. Aber das gehört zum Leben, so sagt man doch, oder? Davon abgesehen fühle ich mich derzeit sehr wohl, und wer auch nur ein bisschen über mich weiß, ahnt, dass das nicht immer so war. Ich habe sogar meine letzte Droge, die Zigaretten, aufgegeben und kann das nur empfehlen. Ich bin wesentlich entspannter und konzentrierter seitdem, was sich auch auf die Arbeit mit Wilco auswirkt

5 Im Frühjahr erscheint das neue Wilco-Album. Es soll deutlich straighter klingen als die letzten…

Ja, gerade schreiben alle voneinander ab, dass unser neues Album wieder viel rockiger wird. Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, ob die Platte wirklich so straight wird, wir sind ja noch nicht ganz fertig. Viele meinen, wir hätten bei den letzten beiden Alben absichtlich versucht, seltsam zu klingen. Dabei machen wir immer das Gleiche: Wir versuchen so zu klingen, dass die Idee hinter den Stücken am besten rüberkommt. Diesmal haben wir viel zusammen im Studio geschrieben. Ein Song heißt „Impossible Germany“, aber es geht da eigentlich nicht um Deutschland. Es hat wohl irgendwie damit zu tun, wie es ist, an einem fremden Ort ohne Landkarte aufzuwachen und klarkommen zu müssen. Vielleicht aber auch nicht. Ich mag wohl das Mysteriöse an dem Song. www.wilcoworld.net