MC-Comeback

40 Jahre Walkman: Warum die Kassette der beste Tonträger aller Zeiten ist


Am 1. Juli 1979 wurde der erste Walkman verkauft. Unsere Autorin Julia Friese und unser Autor André Boße erzählen vom „besten Tonträger aller Zeiten“ und dem „wertvollen Pioniergeist“, der durch die Kassette entstand.

Der Rekorder ist wie du

Unsere Autorin Julia Friese wurde zwar erst nach der Markteinführung der CD geboren, hat dem Tape als Medium ihrer Kindertage aber bis heute nicht abgeschworen. Zu Weihnachten – ja, zu dem von 2017 – ließ sie sich einen neuen Kassettenrekorder schenken. Er ist brombeerfarben und hat keinen Aux-Eingang, aber Radio und CD an Bord, das genügt zum Aufnehmen. Ihre Leerkassetten ersteigert sie auf Ebay. Welche? Und warum sie das alles macht? Das verrät sie in ihrer Hymne auf den besten Tonträger aller Zeiten.

Warum ich die Kassette liebe? Wie kannst du sie nicht lieben?! Sie ist das einzige Musikspeichermedium, zu dem du in eine echte Beziehung treten kannst. Sie ermöglicht dir, dich der Musik zu ermächtigen. Macht sie anfass- und besabberbar.

Mein Lieblingstape: Musiker*innen stellen ihre Kassetten vor

Das Werk des Künstlers wird zu deinem Werk. Sie ist ein einziges Lob der Kopie! Deine Wut lässt ihre Bänder reißen, kleinste Schrauben fliegen. Dann tut sie dir leid, die Kassette. Wie konntest du sie zerstören?

Die Platte ist unnahbar und Aristokratie. Doch mach nicht den Fehler, in der Kassette das Einfache, das Volk zu sehen!

Denn auch sie hat ihre Herrlichkeit. Ich sage nur zwei Worte: Agfa Ferrocolor.

Wer so schön heißt, dem möchtest du ein Gedicht schreiben, und es in dein rosa Kindermikrofon singen, das mit einem Kabel von deinem Recorder hängt. Die Super Color von Agfa gibt es sogar in Kanariengelb und Himmelhellblau. Du zerreißt ihr Zellophan. Sie hängt am matt-goldenen Faden. Zum ersten Mal wirst du ihre Hülle öffnen. Immer ist sie störrisch, knackt und quietscht.

Deine Finger fahren über die Hüllenunterkante.

Ist sie geriffelt oder glatt? Und dann das Papier – all das gehört dir!

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Kassettenhören ist ein geheimer Akt. Streams und Computer verbinden dich mit allen. Mit der Kassette bist du allein.

Es ist ein neuer Anfang und es ist fast unmöglich, ihn leise zu beginnen. Da ist die große, dicke Taste. Du brauchst Kraft, sie löst fühlbar etwas aus. Die Kassettendeckklappe öffnet sich zögerlich. Du fasst hinein, alles hat Ecken darin. Die Kassette klappert beim Einlegen, jede anders, aber jedes Klappern klingt nach Kopfhörern mit Schaumstoff, klingt nach BASF und „BBC Radio 1“. Teenage Kicks, so hard to beat.

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Dann kommt das weiße Band, und das Rauschen dazu. Bei einer selbst aufgenommenen Kassette hörst du sogar den Moment, in dem die Record-Taste gedrückt wurde, als wäre das Band an dieser Stelle zerdrückt worden wie eine Getränkedose. Ankündigung und Erwartung, das fehlt jedem Stream und jeder MP3. Alles ist einfach nur noch da und eben doch nicht da. Es gibt kein Rauschen mehr vor der Musik heute.

Dumpf beginnt das erste Lied. Denn auf den Eisenbändern fehlen Höhen, und dem Chromband die Tiefen. Musik wird auf Kassette dreckiger. Manches monotoner. Sie knistert, wie von Sicherheitsnadeln zusammengehalten. Es gibt so unendlich viel Musik, die genau so etwas braucht. Neue Musik altert auf Kassette in fiktive Vergangenheiten hinein. Shut up, kiss me, hold me tight. Eine Angel Olsen ergießt sich aus dem Rekorder wie ein zäher, alter Nagellack. Bruch, Glanz und Geruch.

Und dann ist da die Attraktivität der Intimität. Kassettenhören ist ein geheimer Akt. Streams und Computer verbinden dich mit allen. Mit der Kassette bist du allein. Nirgends wird ein Protokoll erstellt. Diesen Moment teilt nur ihr beide. Außerdem ist der Kassettenrekorder wie du. Der geht nicht einfach aus, wie ein Notebook, Handy, iPod. Leiernd verlässt ihn die Kraft. Alles singt plötzlich langsamer und tiefer. Pass auf, dass er auf der Suche nach letzter Kraft nicht in das Band beißt, es aus dem Plastik reißt!

Drücke: Stop!

Und dann, vergiss alles, was man über Bleistifte sagt. Nimm deine Fingerkuppe, stecke sie zwischen die weißen Zähne und drehe die Zeit zurück. Es tut ein bisschen weh. Aber der Zahnkranz an deinem Finger, der bleibt dir eine Weile, und erinnert dich an das, was sich vor deinen Augen so mühelos selbst entknittert hat. Wenn sich doch nur alles im Leben so leicht glätten ließe.

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