25 besten Alben des Britpop


25 Kula Shaker – K

1996

Auch auf Britpop-Partys gab es Überraschungsgäste, da machte die in Knebworth keine Ausnahme. Oasis hatten zur Live-Jubelfeier gebeten, an der Kula Shaker mit einem Auftritt teilnahmen. Die Band um Sänger Crispian Mills gab es erst seit 1995, aber das machte nichts. Die Euphorie war groß, ihr erstes Album verkaufte sich auf der Insel besser als alles seit Definitely Maybe. In „Grateful When You’re Dead“ und „Hey Dude“ steckte purer Rock’n’Roll. In Songs wie „Tattva“ und „Govinda“ beschritten die Novizen mit indischen Instrumenten und Sanskrit-Texten den Pfad der Völkerverständigung. Wie einst die Beatles. tw

24 Space – Spiders

1996

Weniger Beachtung als die Rückkehr von Pulp fand im vergangenen Jahr die Reunion von Space. Die Lads aus Liverpool konnten Mitte der 90er Achtungserfolge mit Singles wie „Neighbourhood“ und „Female Of The Species“ verbuchen. Das dazugehörige Album Spiders ist ein Artefakt aus der Zeit, als Kula Shaker für einige Monate indische Psychedelia im britischen Rock wieder salonfähig machten. Space vermengen diese Einflüsse mit Dance-Elementen und Kinks-Pop, und nehmen auf „Me And You Vs. The World“, dem besten Stück der Platte, noch vor Robbie Williams Anleihen bei John Barrys „You Only Live Twice“. rr

23 The Divine Comedy -Casanova

1996

Niemand hatte Neil Hannon auf der Rechnung. Der Sohn eines nordirischen Bischofs war unter dem Namen The Divine Comedy schon länger im Geschäft und hatte es vorher mit Gitarrenpop und Kammermusik probiert. Als Typ war er ein Bücherwurm. Dann lernte er die Frauen kennen: Er sang über Ferkeleien im Holzschuppen, identifizierte sich mit dem Lebemann Alfie aus dem gleichnamigen Filmklassiker von 1966 und entdeckte die Vorzüge von Paris und Venedig. Die Arrangements wurden üppiger und erinnerten an Burt Bacharach. Nicht unbedingt urbritisch, aber doch mittendrin. tw

22 Super Furry Animals – Fuzzy Logic

1996

Waliser sind anders. Ganz besonders die hier. Die Super Furries verwandelten einen Panzer in ein Techno-Gefährt und sangen davon, wie es ist, wenn man mit Howard Marks abhängt. Ihr Debütalbum war auf sympathische Art chaotisch. Man musste sich schon anstrengen, wenn man den Überblick behalten wollte. Glamrock, Psychedelisches aus Donovans Druidenstube, Noise-Punk, Folk und Synthie-Spielereien standen auf dem Programm. Aber man erkannte auch das Pop-Talent, von dem die Band bis heute profitiert. „Something For The Weekend“ und „If You Don’t Want Me To Destroy You“ sind echte Juwelen. tw

21 The Verve – A Northern Soul

1995

Auf ihrem Debüt A Storm In Heaven standen The Verve unter dem Einfluss eines gigantischen psychedelischen Trips. Wegen des unberechenbaren und wilden Gebarens kannten den Frontmann alle nur als „Mad Richard“. Doch plötzlich ging was. Das Quartett steigerte sich hier und da immer noch in einen Rock-Rausch, aber es gab auch Neues zu berichten. „On Your Own“ war der erste lupenreine Popsong der Band, im großen „History“ hörte man Streicher. Und Richard Ashcroft? Sang im Titelsong davon, dass er allein im Bett sterben werde, aber viel zu sehr damit beschäftigt sei, das Leben zu leben. Schon verrückt. tw

20 The Bluetones – Expecting To Fly

1996

Dem breitmäuligen Testosteron-Rock der Gallaghers setzten The Bluetones, ein Quintett um das Brüderpaar Mark und Scott Morriss, eine unfassbar sympathische Burschenhaftigkeit entgegen. Die manifestierte sich auch in den beseelten Songs des Debütalbums mit dem schönen Pfau vorne drauf. Statt Krawall gab’s krachigen, aber immer auch bedächtig shuffelnden Mersey Beat mit überlebensgroßen, aber clever getexteten Refrains, der in den Singles „Bluetonic“, „Slight Return“ und „Are You Blue Or Are You Blind?“ gipfelte. Würden Herman’s Hermits die Stone Roses covern – diese Platte wäre vermutlich das Ergebnis. jov

19 Gene – Olympian

1995

Wieso genau Martin Rossiter, der Mann mit dem schönsten Seitenscheitel des britischen Pop und der Vorliebe für Lacoste-Polohemden, kein Star wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Zu vermuten ist: zu viel Nähe zur großen Ikone Morrissey. Die stimmliche Ähnlichkeit ist nun mal frappierend, und sogar die Cover der Gene-Platten waren in der für The Smiths so typischen Monochrome-Optik gehalten. Trotzdem bleibt der Vergleich ein fauler: Rossiters Sehnsuchtstexte kommen ohne adoleszente Nostalgie aus, die Gitarren bedienen sich weniger bei Johnny Marr als bei Steve Marriott oder Paul Weller zu The-Jam-Zeiten. jov

18 Blur – The Great Escape

1995

Lange Zeit wurde das Album mit seinem Überangebot an Pauken und Trompeten als aufgeblasene Version des Vorgängers Parklife belächelt. Doch wer bei einem Tschingdarassabumm wie „Country House“ genau hinhört, der merkt, dass The Great Escape ein melancholisches Meisterwerk über Entfremdung und Sinnsuche ist. Eine Abrechnung mit dem PR-Zirkus, dessen Hauptattraktion die Band damals selbst war. „Blow, blow me out / I am so sad, I don’t know why.“ Späte Ehre wurde dem Album zuteil, als Blur ihre Comebackshows 2009 mit der umwerfenden, zweiten Single-Auskopplung „The Universal“ beendeten. scr

17 The Charlatans – Tellin‘ Stories

1997

Mitte der Neunziger war die Konvertierung der Band aus den West Midlands vom Madchester-Sound ihrer frühen Tage („The Only One I Know“) zum Britpop abgeschlossen. Prompt erreichte ihr im Zeitgeist stehendes 1995er-Album The Charlatans die Chartsspitze im UK. Doch erst der Nachfolger Tellin‘ Stories mit seinen drei Top-Ten-Hits – herausragend: das euphorische Riffmonster „How High“ – etablierte sie in der ersten Liga britischer Gitarrenbands. Ganz von ihrer psychedelischen Vergangenheit hatten sich die Charlatans allerdings nicht verabschiedet, was sie mit dem Instrumentalgroove „Area 51“ bewiesen. scr

16 Ocean Colour Scene – Moseley Shoals

1996

Ohne die Unterstützung der Speerspitze des Britpop wäre Ocean Colour Scenes zweite Platte wohl nie erschienen. Nachdem das Debüt des Quintetts aus Birmingham 1992 floppte, stand die Band kurz vor dem Aus – bis sich Paul Weller und Noel Gallagher öffentlich als Fans outeten. Eine Tour als Vorband von Oasis brachte OCS weitere Aufmerksamkeit und katapultierte Moseley Shoals auf Platz zwei der UK-Charts. Mehr noch als ihre Britpop-Kollegen bedient sich die Band darauf des musikalischen Erbes ihrer Vorväter: Songs wie „Get Away“ und der Hit „The Riverboat Song“ erinnern an die Small Faces circa 1966. rr

15 Ash – 1977

1996

Das Jahr 1977 war in vielerlei Hinsicht ein bedeutsames: Punkrock setzte in England zum Siegeszug an. George Lucas brachte „Star Wars“ ins Kino. Und in Nordirland erblickten Tim Wheeler und Mark Hamilton, die Gründungsmitglieder von Ash, das Licht der Welt. Der Titel ihres Debüts huldigt all dem. Die Musik dazu: bratende Rockgitarren, untersetzt von nostalgischen Streichern, zu denen Wheeler mit bubenhafter Stimme von warmen Sommernächten und Ex-Geliebten singt. Die Grätsche zwischen Punk, Alternative und Hard Rock geriet bei Ash später aus dem Gleichgewicht. Hier gelingt sie der Band problemlos. rr

14 Blur – Modern Life Is Rubbish

1993

Erst alberten sie herum und waren beeinflusst von tanzbarem Indie-Rock aus Manchester. Aus ihnen hätten leicht die zweiten EMF werden können. Doch Blurs zweites Album war eine ernstere Angelegenheit. In „For Tomorrow“ blitzte bei Damon Albarn zum ersten Mal Pop-Genialität auf. Wie sein großes Vorbild Ray Davies vertiefte er sich in die Beschreibung typisch britischer Charaktere und Rituale. Als kongenialer Partner erwies sich Punk-Quälgeist Graham Coxon, der die Songs überragend aufraute. Durch die Männerfreundschaft der zentralen Blur-Gestalten kam Britpop endgültig in Bewegung. tw

13 Suede – Dog Man Star

1994

Die Plattenfirma wollte das plakative „New Generation“ als Leadsingle, die Band das provokante „We Are The Pigs“. Suede konnten sich durchsetzen – und legten eine Bauchlandung hin: „We Are The Pigs“ hielt sich nur zwei Wochen in den Top 40. Das dazugehörige Album, das Suede zur führenden Rockband des Landes hätte machen sollen, floppte – und teilte die Band. Gitarrengenie Bernard Butler verließ Suede während der Aufnahmen im Streit. Dog Man Star changiert zwischen Zerfall und Aufbruch, ist bombastisch, intim, sexy und gespenstisch – sein Platz ist die Kunstausstellung, nicht der Plattenladen. scr

12 Shed Seven – Change Giver

1994

Und Noel sprach: „If we’re the Beatles, where’s the Rolling Stones? It’s not fuckin‘ Shed Seven!“ Shed Seven, die Band aus York, war die erste, mit der sich Oasis noch vor Blur einen Kleinkrieg lieferten. Mit dem eine Woche vor Change Giver veröffentlichten Definitely Maybe mögen die Gebrüder Gallagher in kommerzieller Hinsicht gewonnen haben. Das ohne deren Großmäuligkeit auskommende Change Giver hat jedoch mehr als nur seine Momente und vereint perkussive Nervosität in Manchester-Tradition (großartig: „Dolphin“) mit einem Gespür für die große Pop-Melodie („Ocean Pie“, „Casino Girl“). jov

11 Oasis – (What’s The Story) Morning Glory?

1995

Den „Battle of Britpop“ konnten Blur für sich entscheiden, als ihre Single „Country House“ vor dem gleichzeitig veröffentlichten „Roll With It“ der Erzrivalen Oasis an die Spitze der englischen Charts stürmte. Den Krieg jedoch gewannen die Gallaghers. Morning Glory? ließ die Konkurrenz weit hinter sich: Jede Single eine Hymne, selbst die B-Seiten und die Albumtracks waren verhinderte Voll-Hits. Die inflationäre Veröffentlichungspolitik sollte sich bald auf uninspirierten Alben rächen. 1995/96 jedoch waren Oasis unantastbar. Schätzungen zufolge verkaufte sich die Platte weltweit an die 20 Millionen Mal. rr

10 The Auteurs – Now I’m A Cowboy

1994

Luke Haines würde uns was erzählen, wüsste er, dass er in dieser Liste stattfindet. Denn in seinem Buch „Bad Vibes – Britpop und der ganze Scheiß“ lästert er unterhaltsam gegen alle, die wir hier sonst so erwähnen. Das mag daran liegen, dass der kommerzielle Erfolg der Auteurs stets überschaubar war, womöglich auch daran, dass er schlichtweg mit niemandem konnte. Und irgendwie hört man das diesem zweiten Auteurs-Album ziemlich an. Wunderbare Melodiebögen, die aber eine solche Morbidität in sich tragen, dass man Angst hat, irgendjemand würde einem im nächsten Moment ein Messer in den Rücken rammen. jov

9 Elastica – Elastica

1995

Die wichtigste der „Female Fronted Bands“ von damals. Vielleicht die einzige, die heute noch Gültigkeit besitzt. Songs wie „Connection“ und „Stutter“ waren knappe, auf ihre Essenz reduzierte Schnoddernummern, die auf alle genreprägenden Manierismen verzichteten und deren wichtigste Referenz Postpunk-Helden wie die Buzzcocks, The Stranglers und Wire waren. Letztere zogen Justine Frischmann, bis 1991 bei Suede, und ihre Kollegen übrigens vor Gericht, weil ihnen einige Gitarrenparts merkwürdig bekannt vorkamen. Trotzdem, womöglich sogar deswegen: auch heute noch im höchsten Maße hörenswert. jov

8 Pulp – His ‚N‘ Hers

1994

Fünfzehn frustreiche Jahre und drei erfolglose Alben hatte die Band aus Sheffield bereits im Rücken, als sie sich mit His ‚N‘ Hers in den Top Ten der britischen Charts wiederfand. Angefeuert vom Kritikerlob für die letzten Singles „My Legendary Girlfriend“ und „O.U.“ schrieb Jarvis Cocker los: „Babies“, „Do You Remember The First Time?“, „Razzmatazz“. Cocker hatte sein Metier gefunden: sich selbst, den Außenseiter, seine – gerne auch sexuellen – Sehnsüchte, die Seifenopern, die sein Nachtleben schreibt. Und auf einmal gelangen ihm auch die Melodien, die beschwingten Refrains, an denen er jahrelang gestrauchelt war. scr

7 The Verve – Urban Hymns

1997

Schon das 1995 erschienene A Northern Soul deutet das Massen-Potenzial von The Verve an. Urban Hymns spülte die Band mithilfe dreier wahnsinnig starker Singles ganz nach oben. Der entrückte „Mad“ Richard Ashcroft und seine Lamenti, Wahwah-Gitarren, bei Andrew Loog Oldham entliehene Klangmauern: Psychedelic im besten Sinne, der aber stets Raum ließ für allgemeingültige Songstrukturen. Dass die Band sich bald darauf endgültig auflöste, war nur schlüssig. Ashcroft konnte weder mit seinem Solowerk noch mit dem 2008 erschienenen Reunion-Album von The Verve, Forth, an diese Songs anschließen. jov

6 Supergrass  – I Should Coco

1995

Die Szene im Video zu „Alright“, in dem die Band in einem Bett am Strand entlangfährt, ist eine der ikonischsten der gesamten Britpop-Bewegung. Hedonismus, aber zutiefst britisch: surrealer Humor wie aus einem Film von Monty Python, ein höflicher Gegenentwurf zu den gängigen Motiven aus US-Videos: keine nackten Mädchen, keine XL-Autos, keine tätowierten Muskeln. Doch „Alright“ ist längst nicht der einzige Hit auf diesem Album: „Caught By The Fuzz“, „I’d Like To Know“, „Mansize Rooster“, allesamt Klassiker, zusammengehalten von der Jagger-Stimme des damals gerade erst 19 Jahre alten Gaz Coombes. scr

5 Manic Street Preachers – Everything Must Go

1996

Als ihr Gitarrist und Aushängeschild Richey Edwards 1995 verschwand – er wurde 2008 für „vermutlich tot“ erklärt -, galten die Manic Street Preachers als erledigt. Ein Jahr später kehrten sie zurück, in der geschützten Position als Oasis-Vorband – und mit Rückhalt ihres stärksten Albums. Die Single „A Design For Life“ kennzeichnete das im britischen Pop tief verankerte Bedürfnis, Herkunft zu betonen, und selten klang Unterschicht so stolz. Die Manics forderten das Recht auf Bildung und erhielten ihre Weihen von Streichern: Das Orchester schwillt an, als James Dean Bradfield lustvoll ankündigt, sich mit einem Flaschenhals das Gesicht zu zerkratzen. „Elvis Impersonator: Blackpool Pier“ beschreibt ein ebenso typisches Verlangen der Briten: die Isolation ihrer Insel zu verlassen, den Horizont zu erweitern. Everything Must Go war Richey Edwards gewidmet – ironischerweise war es gerade er, der sich bis vor seinem Verschwinden wünschte, die Band würde klingen wie The Velvet Underground, also destruktiv. Stattdessen wurden die verbliebenen Manics zur starken Schulter für alle, die einen Verlust beklagen. sn

4 Suede – Suede

1993

Man hatte erst so seine Zweifel. Vorher war es selten gut gegangen, wenn leicht begeisterungsfähige Insel-Schreiber die „beste neue Band in Britannien“ ankündigten, bevor überhaupt Musik von eben dieser Band in Umlauf war. In diesem Fall passierte aber wirklich was. Der Titelstory im „Melody Maker“ folgten rasch die Singles „The Drowners“, „Metal Mickey“ und „Animal Nitrate“, die eine klare Vorstellung von einem eigenen Sound erkennen ließen. Als Vorbilder drängten sich wegen Brett Andersons theatralischer Stimme David Bowie und wegen des Zusammenspiels mit dem sehr präsenten Gitarristen Bernard Butler The Smiths auf. Bei Veröffentlichung des Albums brachen alle Dämme, die Presse überschlug sich noch mal vor Begeisterung und die Käufer standen Schlange. Britpop wurde erst in den folgenden Monaten ein feststehender Begriff, und es gab natürlich Bands, die viel größer wurden. Mit ihrer Mischung aus Glam-Rock-Verweisen, düster-lasziver Poesie und überschwänglichen Melodien lieferten Suede jedoch den Stoff zum Träumen. tw

3 Oasis – Definitely Maybe

1994

Angeblich musste man sich damals entscheiden: Blur oder Oasis. Vordergründig taten Blur-Fans Oasis natürlich als Primitivrock ab, schnell war von Status Quoasis die Rede. Aber wem von ihnen stellte es beim heimlichen Hören von „Rock ‚N‘ Roll Star“ nicht die Nackenhaare auf? Wen ließen Zeilen wie „We’ll see things they’ll never see / You and I are gonna live forever“ kalt, wer konnte verneinen, dass „You gotta make it happen“ eine zwar simple, aber eine der allerwichtigsten Lebensformeln ist? Die Mehrheit durfte ihre Leidenschaft für diese Lads aus Manchester gottlob immer und überall ausleben: T-Shirts mit dem – wie die Band: einfachen, aber genialen – Bandlogo waren Standard in den Fußgängerzonen, sogar Antenne Dingenskirchen nahm „Live Forever“ in ihre Playlist auf. Zum Phänomen Definitely Maybe tragen das Album wie seine Geschichte gleichberechtigt bei: Was wären all diese Slogans, was wären all diese Ankündigungen, man würde die größte Band der Welt werden, wenn sie nicht Wahrheit geworden wären? Drei Jahre lang waren Oasis ab hier der kleinste gemeinsame Nenner, die Beatles ihrer Generation. scr

2 Pulp – Different Class

1995

Schwierig zu sagen, was der schönste Moment auf Different Class ist. Vielleicht die Gitarre, die in „Something Changed“ nach genau einer Minute und vier Sekunden die Frage nach der Existenz von nichts Geringerem als einem Gott einläutet. Vielleicht die Intensität, mit der Jarvis Cocker im epochalen „Common People“ das Aufeinandertreffen verschiedener Schichten der britischen Alltagskultur schildert und das Instrumentarium dazu ins atemlose Crescendo geht. Womöglich aber auch „Sorted For E’s & Wizz“, jene Hymne an die britische Ausgehkultur der 90er-Jahre oder „Disco 2000“, wohl der Song, der das Genre Britpop auf der Tanzfläche definierte. Auf Different Class trafen Pulp den Nerv der Zeit. Der linkisch-elegante Jarvis Cocker wurde fast über Nacht zum Spitzenreiter der britischen Hitparaden, aber auch zu einem Sexsymbol, das aus seiner Geekyness einen Vorteil generierte und dabei den britischen Alltag seiner Zeit nicht nur ausleuchtete, sondern so sehr in Form goss, dass dessen Beklemmungen und Bedrohungen auch in München, Barcelona und Tokio spürbar waren. jov

1 Blur – Parklife

1994

Blur waren nach der Veröffentlichung ihres zweiten Albums Modern Life Is Rubbish in eine schwierige Situation geraten: Die Platte verkaufte sich im Vergleich zum Top-Ten-Debüt Leisure nur mäßig. Dazu verwehrte ihnen Manager David Balfe, der die neue Kinks-artige Richtung der Band schon immer als „Fehler“ bezeichnet hatte, jeglichen Rückhalt. Doch die Tour zum Album war ausverkauft, das Publikum sang sogar komplexe Albumtracks wie „Colin Zeal“ mit, und als die Band zu ekstatischen Reaktionen ihre neuen Stücke „Girls & Boys“ und „Parklife“ live vorstellte, war klar, dass ihr nächstes Album einschlagen würde. Und tatsächlich: Parklife stieg auf Platz eins in die UK-Charts ein und erreichte in 90 Wochen Hitlistenzugehörigkeit Vierfach-Platin. Nur auf Papier liest sich die Platte zerfahren: Wie sollen Discopop, („Girls & Boys“), Punk („Bank Holiday“), Chanson („To The End“), New Wave („Trouble In The Message Center“) und ein instrumentaler Walzer wie „The Debt Collector“ zusammenpassen? Es ist Albarns Songwriting, mächtiger als Genregrenzen, und es sind die Gitarren von Graham Coxon, der sich mühelos den unterschiedlichsten Stilen anpassen kann, aber jedem Stück seine Handschrift verpasst. Britpop war ab hier nicht nur am Markt etabliert, es gab Zeiten, da übernahm er ihn. scr