20 Alben in sieben Jahren: Wie der Geisteskranke Wesley Willis zum Liebling der Alternative-Rocker wurde
Wesley Willis kann weder singen noch Keyboard spielen. Aber er veröffentlicht trotzdem Platten, auf denen er singt und Keyboard spielt. Das ist eigentlich nichts Besonderes im Musikbusiness. Woche für Woche werden neue Platten in die Läden gestellt, auf denen sich junge Menschen als Sänger betätigen, die nicht singen können. Aber Wesley Willis ist eine Besonderheit. Der ehemalige Straßenmaler aus Chicago begann im Oktober 1989 Stimmen zu hören. Die Diagnose: chronische Schizophrenie — die richtige Voraussetzung also, um eine Karriere als Musiker zu starten. Seither hat Wesley 400 Songs geschrieben, 20 Alben aufgenommen, von denen er zehn in weniger als einem Jahr veröffentlicht hat. Zu den Aufnahmen für ein einzelnes Album braucht Willis mit seiner Band Fiasco gerade mal fünf Stunden. Und das hört man dem Ergebnis auch an. Jedes Album klingt gleich, ja jeder Song innerhalb eines Albums klingt gleich. In seinen selbstgeschriebenen Werken lobt Willis vorzugsweise „große Rockstars“ wie Elvis Presley, Eazy-E oder Urge Overkill. Kostprobe: „About 3000 people watched the show. The show was terrific, the concert was a jam. Uuuurge Overkiiiill, Uuuurge Overkiiiill, Uuuurge Overkiiiill. The Rock’n’Roll was perfect, the Rock’n’Roll was excellent!“, tönt Willis aus vollem Hals und wechselt dabei dreimal die Tonart. Das muß Kult sein. Kein Wunder, daß sich Alternative-Bands wie Pearl Jam oder Violent Femmes darum reißen, Willis in ihr Vorprogramm zu bekommen, obwohl sie damit schon mal den vorzeitigen Abgang ihrer eigenen Fans riskieren. Trotz der Anerkennung aus dem alternativen Lager plagen Wesley große Selbstzweifel an der eigenen Kunst. Zumindest offenbarte er dies bei einem seiner seltenen Interviews dem US-Underground-Magazin ‚Subnation‘.
Willis: „Magst du meine Rock’n’Roll-Musik?“
‚Subnation‘: „Natürlich mag ich sie.“ Willis: „Glaubst du, daß ich ein Arschloch bin?“
‚Subnation‘: „Nein, Wes. Du bist kein Arschloch.“
Willis: „Aber die bösen Stimmen verfluchen mich mit obszönen Worten und sagen, daß mein Rock’n’Roll scheiße ist.“
‚Subnation‘: „Scheiß‘ auf die Stimmen, Wes. Scheiß‘ drauf.“
Willis: „Ja, scheiß‘ drauf.“