So Coldplay waren die Shins noch nie: James Mercer lässt das Prädikat „indie“ hinter sich und wird ganz Pop.

Ein halbes Jahrzehnt ist verstrichen, seit uns James Mercer das letzte Shins-Album geschenkt hat. Seine Bandkollegen hat er in der Zwischenzeit wegen kreativer Differenzen ausgetauscht, den Bandnamen hingegen behalten. Zu Recht: Die Shins waren und sind Mercers Baby, kümmerte sich der heute 42-Jährige doch stets um das Songwriting und spielte zuweilen einen Großteil der Songs im Alleingang ein. Dass die neue Inkarnation der Shins immer noch als jene Band zu erkennen ist, von der Natalie Portman im Film „Garden State“ behauptete, sie könne mit ihrer Musik Leben verändern, ist allerdings vor allem der prägnanten Stimme des Sängers geschuldet.

Stilistisch löst sich Mercer nach dem Wechsel von Sub Pop zum Majorlabel Columbia von der hemdsärmeligen Americana, mit der er die (Indie-)Welt vor zehn Jahren in Verzückung versetzte: Die von Greg Kurstin (Lily Allen, Foster The People) co-produzierten Mid-Tempo-Songs auf Port Of Morrow gehören ins Formatradio und in den Trailer zur nächsten Romcom mit Anne Hathaway. Nur wenig erinnert an die Verschrobenheit früherer Shins-Platten: „September“ , Mercers getragene Liebeserklärung an seine Ehefrau Marisa, klingt wie ein entfernter Cousin des Oh, Inverted World-Hits „New Slang“. Der knapp sechsminütige Titelsong und das aufgekratzte „Bait And Switch“ wiederum wären auch auf Wincing The Night Away von 2007 nicht aus dem Rahmen gefallen. Der Rest von Port Of Morrow aber präsentiert die Shins in einem anderen Licht: „It’s Only Life“ schmeichelt sich derart gefällig in die Gehörgänge, dass der kritische Indie-Fan zunächst „Ausverkauf!“ schreien möchte. Doch dann entfalten die sanften Falsettgesänge ihre Wirkung und treiben Tränen selbst in hinter Hornbrillen versteckte Augen: „You used to be such a little lion / Before you got into all this crying“. In „ For A Fool“ gibt Mercer den ausgelieferten Liebhaber, der in einer unglücklichen Beziehung gefangen ist: „Taken for a fool / Yes, I was, because I was a fool“.

Ja, das ist unverschämt eingängige Popmusik, aber die schönste, die man seit Langem gehört hat. Wie Ron Sexsmith in seinen besten Momenten, paart Mercer melancholisch-tröstliche Lyrics mit relativ simplen Akkordfolgen, die einem sofort vertraut vorkommen. Der „ Simple Song“ formuliert das Mission-Statement der Shins: „Well, this is such a simple song / To say what you done / I told you ’b out all those fears /And away they did run.“ Dass sich die Stücke trotz ihrer Zugänglichkeit nicht abnutzen, liegt nicht zuletzt an den meisterlichen Arrangements, den Gesangsharmonien, Trompeten, Synthesizern und Glockenspielen, mit denen die Shins den Kompositionen subtile Farbtupfer verpassen. Für viele Indie-Bands bedeutet der Schritt Richtung Kommerz den ersten in die Belanglosigkeit. Nicht für die Shins: Port Of Morrow breitet seine Arme weit aus und drückt uns alle an seine Brust. Und ja, diese Musik kann immer noch Leben verändern. Key Tracks: „40 Mark Strasse“, „It’s Only Life“, „Simple Song“