Richard Ashcroft – Keys To The World

Man kann sich ja jede Platte so richtig schönhören. Zum Beispiel die ersten beiden Soloalben von Richard Ashcroft. Zum Beispiel, wenn man ein 15jähriges Mädchen ist (jeden Alters und jeden Geschlechts), das die eigene Verlorenheit, das eigene Nichtklarkommen mit dem Leben sehnsuchtsvoll auf eine öffentliche Person projiziert, die diese Verlorenheit, dieses Nichtklarkommen so schäbig-elegant, so abgefuckt-edel öffentlich macht wie Richard Ashcroft mit seinem Auftreten und in seinen Songs. Da kann es schon leicht passieren, daß der Euphorieschub, den diese Problemabtretung durch Ikonisierung erzeugt, das Gehirn so benebelt, daß man nicht mehr in der Lage ist. einen richtig guten Song von einem mittelmäßigen zu unterscheiden. Die zehn besten Songs von Alone With Everybody und Human Conditions auf ein Album gepackt – es wäre das beste Richard-Ashcroft-Album der Welt. Aber so lange dieses Album nur als Mixtape von Freunden existiert, ist KEYS TO THE WORLD das beste Richard-Ashcroft-Album der Welt. Ashcroft ist immer noch auf der Suche nach der guten Seite, thematisiert die Dämonen, die ihn jagen, die Ängste, die ihn treiben, analysiert/hinterfragt die Liebe, der er immer noch mißtraut. Nach dem ein bißchen richtungslos dahin-rock’n’rollenden „Why Not Nothing?“ und dem souligen „Music Is Power“, das um ein (hoffentlich geklärtes) Curtis-Mayfield-Sample herum gebaut ist, folgt eine fast makellose Songsammlung, mit der Ashcroft seinen Hang zur Hymne, zum verhaltenen Pomp, zum Prog-Pop voll auslebt – inklusive der üblichen Streicherarrangements, die man je nach eigener Gemütslage als hoffnungslos verkitscht oder einfach nur wunderschön bezeichnen darf. Der Titelsong „Keys To The World“ ist nicht weniger als ein Hit. „Sweet Brother Malcolm“ ein wunderschöner, archaischer Folksong. „Cry Till The Morning“, das auf einer simplen Piano-Melodie aufgebaut ist, ist der zweitbeste Ashcroft-(Gänsehaut-)Song aller Zeiten. Und „Why Do Lovers?“ der beste. Noch eine Mitteilung an alle 15jährigen Mädchen (jeden Alters und jeden Geschlechts): Die Schlüssel zur Welt kann euch Richard Ashcroft vielleicht geben, aber aufschließen müßt ihr schon selber.

www.richardashcroft.co.uk