Morrissey

List Of The Lost (Roman)

Penguin Books, 24.09.2015

Ist das Romandebüt des „Mozzer“ wirklich so mies, wie alle sagen?

Morrisseys erster „Roman“ (mehr zu den Anführungszeichen später) war keinen Tag auf dem Markt und schon bezog der Autor Dresche – und zwar so richtig. Der „NME“ kritisierte die „bizarren“ Dialoge des Werks, der „Telegraph“ nannte es „schrecklich“ und trotz seiner nur 118 Seiten „zu lang“. Die Website „The Daily Beast“ unterstellte dem Buch Frauenfeindlichkeit, der „Guardian“ hackte auf grammatischen und Tippfehlern herum und bilanzierte: „well, it’s not very good“. Das erinnert an den geballten Hate, dem sich die Romandebüts hierzulande vergleichbar bedeutsamer Songschreiber wie Frank Spilker und zuletzt Jochen Distelmeyer ausgesetzt sahen. Universelle Ablehnung macht stutzig und wirft Fragen auf: Haben die Autoren diese gar persönlich zu nehmen? Waren die schlechten Kritiken die Quittung dafür, dass den jeweiligen Verfassern die späten Alben von den Sternen, resp. Blumfeld einfach nicht mehr so gut gefallen haben? Ist das „Schuster, bleib bei deinen Leisten“-Denken derart ausgeprägt, dass man insbesondere Künstlern keine Zweitkarriere gönnt? Oder sind das einfach allesamt schlechte Bücher?

Morrisseys wäre kein so schlechtes, wenn er es nicht als „Roman“, sondern als „Manifest“ bezeichnet hätte. An jeder noch so unmöglich wirkenden Stelle unterbricht er die klischeereiche Handlung um vier junge Bostoner Athleten, die 1975 aus Versehen einen Dämonen umlegen, der sich im weiteren Verlauf aufs Entsetzlichste an ihnen rächt, um auf seine altbekannten Herzensangelegenheiten hinzuweisen. Auf die Verwerflichkeit der Monarchie – die britische „Queen“ versieht er als Zeichen der Nichtanerkennung ausschließlich mit Anführungszeichen, auf die sinnlosen Qualen, die Religionen unweigerlich mit sich bringen, auf die unausweichliche Verlogenheit von Regierungen, sowie auf bewusste Verzerrungen in der Geschichtsschreibung, um etwa Glanztaten von Homosexuellen zu verschweigen. Vor allem aber kämpft er als Advokat der Fauna für den Tierschutz, immer und immer und immer wieder.

Dabei hat er ja Recht! Solange der Sonntagsbraten und die Wurstsemmel in der Mittagspause das Produkt grauenhaftester Misshandlungen jenseits der Vorstellungskraft sind, muss man dagegen angehen. Morrissey, der seit seinem zwölften Lebensjahr kein Fleisch mehr isst, hat sich nur eine verwunderliche Bühne dafür ausgesucht. Und so erinnert „List Of The Lost“ stilistisch eher an ein Werk des Marquis de Sade, der gerne vernachlässigbare Handlungen als Vehikel benutzte, um seine Überzeugungen zu verkaufen. Die schissen natürlich auf Moral. Das tut Morrissey nicht. Morrissey ist ein Guter. Aber (noch) kein guter Romanautor.