Martha Wainwright
Goodnight City
[PIAS] Coop/Rough Trade
Die Singer/Songwriterin will etwas weniger persönlich texten. Klappt nicht immer.
Wer seinem Vater einen Song mit dem Titel „Bloody Mother Fucking Asshole“ widmet, vor dem sollte man sich hüten. Die Kritik von Tochter Martha an ihrem Vater Loudon Wainwright III fiel so deftig aus, weil Daddy in seinen eigenen Liedern überaus reflektiert und unmaskiert über die Familie sang, in vertrauter Runde aber nicht in der Lage war, Konflikte direkt anzusprechen. Martha Wainwright weiß: Sie ist keinen Deut besser als ihr 70-jähriger Herr Papa.
Ihre Soloalben boten Erzählungen aus ihrem Leben, nicht alle so direkt wie „Bloody Mother Fucking Asshole“ zwar, aber wer wollte, der konnte die Lyrics wie das Protokoll einer Familientherapie lesen. Irgendwann wurde es Martha Wainwright dann zu viel. Für SONGS IN THE DARK versteckte sie sich im vergangenen Jahr zusammen mit Halbschwester Lucy hinter dem Namen The Wainwright Sisters, GOODNIGHT CITY ist nun der Versuch, erstmals Songs zu schreiben, die wie Erzählungen funktionieren.
Martha Wainwright beging die Sünde, einen Song über das eigene Kind zu schreiben
Das Album beginnt mit eigenen Liedern, die Martha Wainwright mehr denn je im Stil von Kate Bush oder Tori Amos singt. Und wie gut sie das hinbekommt: „Around The Bend“ gibt einen Eindruck davon, wie Kate Bush als Folk- und Country-Sängerin klingen könnte. Dann die große Sünde – ein Lied über das eigene Kind (siehe etwa: „Little James“ von Oasis, wobei das von Liam Gallagher besungene Kind adoptiert ist; dennoch: grauenhafter Song). Francis Valentine Wainwright ist jetzt zweieinhalb. „Everything you do is glorious“, textet die Mutter, was – jede Mutter, jeder Vater weiß es – eine glatte Lüge ist. Der Song ist trotzdem toll, weil er den Bogen über die Generationen spannt. Wobei die Songwriterin damit schon beim zweiten Stück ihr Vorhaben nicht einhält, weniger Privates auszuplaudern.
Um sich davor zu schützen, hat Martha Wainwright für die Lieder im zweiten Teil Gäste als Songwriter organisiert: Beth Orton, Glenn Hansard, Merrill Garbus von den umtriebigen tUnE-yArDs sowie sein Bruder Rufus. Der wiederum konnte natürlich nicht anders, als seinem kleinen Neffen Francis ebenfalls ein Lied zu widmen. Auch er lobt den Kleinen in höchsten Tönen, bevor Onkel Rufus philosophisch wird und über die Schönheit der Kunst sinniert. Wenn Francis sich das zu Herzen nimmt, werden wir in 20 Jahren an dieser Stelle über ein sensationelles Debütalbum berichten.