Manic Street Preachers :: Kleine Markthalle, Hamburg, 13.5.2011

Sind wir Punk oder Glam? Die Manic Street Preachers bleiben unentschlossen.

„Der nächste Song“, ruft James Dean Bradfield in die Menge, „ist von unserem Album Gold Against The Soul, das genau“ – und jetzt zählt Bradfield die vor Verzückung hoch gestreckten Hände, „eins, zwei, drei… bis 16 Leute kennen!“. Er intoniert die Akkorde von „Life Becoming A Landslide“, und überhaupt lässt sich sagen: Die Manic Street Preachers spielen sich mit viel Humor durch ihren Backkatalog. Die Zwischenrufe der Fans, von denen einige aus Heimatverbundenheit mit walisischer Flagge gekommen sind, kontert Bradfield, er verstehe nichts: „Ihr klingt wie Max Cady aus Cape Fear: Ihr redet in Zungen!“

Als Liveband sind die Manic Street Preachers eine zwiespältige Erfahrung. Die Haltung der Musiker, alle drei Anfang 40, immer noch bekennende,  äh, „Punks“, wirkt zwar meist glaubhaft. Songs wie „Marlon J.D.“ und „Faster“, beide geschrieben vom verschollenen Gitarristen Richey Edwards („This was his fucking Masterpiece!“ ruft Bassist Nicky Wire vor Faster), haben die Kraft von Faustschlägen, die direkt ins Gesicht zielen. Aber James Dean Bradfield zählt leider auch zu den Performern, die sich selbst nicht im Griff haben. Seine Stimme, seine wie von Gott angestoßene Stimme, kommt heutzutage nicht mehr über 90 Minuten zur Geltung. Schon vom zweiten Song an nicht mehr. Das liegt nicht nur daran, dass der kompakte Bradfield das Publikum zu Luftsprüngen animiert und schnell aus der Puste gerät.

Er dreht sich ja auch fast immer vom Mikro ab, sobald er zu seinen Hardrock-Soli ansetzt, obwohl er gleichzeitig singen müsste. Diese Problematik beim Multitasking kennt man sonst nur von Amateurgitarristen.

Dass der Gospelchor aus „Some Kind Of Nothingness“ vom Band eigespielt wird – wen wundert es da noch, dass dieser Bombast zu einem der eindrücklichsten Hörerlebnisse wird?

Nein, am eindrücklichsten ist natürlich, wie immer, Nicky Wire. Was trägt die Manics-Diva an diesem Abend? Die Federboa hängt diesmal nicht um den Hals, sondern um den Mikrofonständer. Wire trägt einen Elvis-in-Vegas-Smoking. Und, nach einem Kostümwechsel – Kostümwechsel kennt man ja sonst eher von Madonna – ein Leopardenjacket und Kapitänsmütze.

Zum Umziehen hatte Wire fünf Minuten Zeit. So lange hatte Bradfield währenddessen Zeit, alleine auf der Akustikgitarre „The Everlasting“ zu spielen. War das zur Überbrückung gedacht? Welche Performance bedingte da die andere? Die Manic Street Preachers sind der Dramaturgie des Establishments wohl doch ein Stückchen näher gekommen, unfreiwillig.

Setlist:

1. Found That Soul
2. Your Love Alone Is Not Enough
3. Motorcycle Emptiness
4. (It’s Not War) Just The End Of Love
5. Life Becoming A Landslide
6. Enola / Alone
7. My Little Empire
8. Faster
9. Stay Beautiful
10. Postcards From A Young Man
11. You Stole The Sun From My Heart
12. Marlon J.D.
13. Motown Junk
14. If You Tolerate This Your Children Will Be Next
15. The Everlasting
16. The Masses Agains The Classes
17. Let Robeson Sing
18. Some Kind Of Nothingness
19. Suicide Is Painless (Theme from MASH)
20. You Love Us
21. A Design For Life

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