Guns N‘ Roses :: Chinese Democracy
Bombast-Rock mit starkem 8oer-Einschlag, viel Leistung und wenig Inspiration.
Eine Grund tugend tönender Kunst ist das Weglassen, die Reduktion auf das Nötige. Im Hardrock gilt das Gegenteil: Wo Platz für einen zusätzlichen Dudelton, ein weiteres „Yeah, Baby, yeah!“ bleibt, muss er gefüllt werden, und wenn’s hinten hinaus eng wird, macht man’s eben länger. Das galt immer ganz besonders für Guns N‘ Roses, und es hatte seinen Reiz, solange die Songs solche waren, aus Riffs, Strophen, Mittelteilen, Übergängen, Refrains und Soli meist kreuzbieder, aber wirkungsvoll zusammengeschraubt und mit einer Schokoglasur aus Hallpathos und Orchesterpomp chartstauglich veredelt. Was immer Axl Rose und seine diversen Angestellten in den letzten zehn oder 15 Jahren getrieben haben – es war eine ganze Menge, aber das Songschreiben kam offenbar kaum zum Zug. Den Fehler findet man bei mangelnder Inspiration häufig: Da wird dann aufgefahren, was die Abteilung Technik (elektronisch und handwerklich) zu bieten hat, mit der abschließenden Erkenntnis, dass der fehlende Funke nicht durch ein Sperrfeuer von Effekten zu ersetzen ist. Davon gibt es hier jede Menge, abgefeuert und übereinander gehäuft mit einer Vehemenz, dass man sich die Haare raufen möchte, wenn Axl Rose desperat gegen Armeen von Gitarren und Synthesizern ankrallt und aus dem Zusammenklang hunderter Spuren einfach keine gemeinsame Musik entstehen will. Dabei sind Höhe- zugleich Tiefpunkte, „Madagascar“ etwa, großartig arrangiert, aus dem sich aber keine Melodie herauswringen lässt; die aus Millionen schönen, aber inkompatiblen Einzelteilen zusammengeklebten „Street Of Dreams“ und „If The World“, der Titelsong mit atmosphärischem Urban-Apocalypse-Intro und einer coolen „Owner Of A Lonely Heart“-Gitarre. Dazwischen schwappt viel gesichtslose Ursuppe, die nicht recht was wird, mal an Metallica, mal an Bon Jovi, vor allem aber an die 80er erinnert, auch an damalige, längst überholte Vorstellungen vom Sound des Jahres 2010, mit mancher textlichen Banalität garniert. So wälzen sich die Akkordwalzen in epischer Breite und Länge dahin, gefühlt noch länger (und breiter) als die Spielzeit (insgesamt über 71 Minuten!) verheißt, weitestgehend ohne dass irgend etwas im Ohr bliebe. Und über dem trägen Walzen zieht Axl Rose alle Register. Mag sein, dass der Mann einen beschränkten Umfang an stimmlichen Ausdrucksmöglichkeiten hat, diesen aber schöpft er total aus, vom Quäkpfeifen in unmittelbarer Nähe des Ultraschalls bis zum grimmigen Quäken und Kreischen, manchmal auch Grollen – man kennt das alles, hat es aber noch nie so perfektioniert gehört und zieht den Hut vor soviel Mühe und auch Wagemut. Leider gerät dabei eine echte Melodie aber kaum mal in Reichweite, und so verstrickt er sich zwischen den bretternden Riffs und Lawinen von Produktionsklimbim wie ein magenkranker Pitbull in einem Netz aus Gummistricken, wird dabei immer wütender und jämmerlicher, legt endlich eine Pause ein und lässt die Gitarren lossolieren. Das tun die auch mit hypermenschlicher Virtuosität, was anfangs beeindruckt (wenn man so was mag), aber irgendwann nur noch ermüdet, und dann endet alles in Erschöpfung. Es gibt viele interessante, gute, tolle Momente auf dieser Platte, aber sie ersaufen in einem Ozean von Bombast, Kitsch, Überproduktion, Angestrengtheit und Einfallslosigkeit. Schade um die Arbeit und die Jahre.
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