Der Mann
Wir sind der Mann
Staatsakt/Rough Trade
Die Türen stehen wieder offen und herein treten Mitglieder der Band gleichen Namens. Ihr Anliegen: Diskurs-Pop zur veränderten Rolle von Männern in der heutigen Zeit.
Er hat nicht immer Grund, gut gelaunt zu sein. Der Mann steht unter Druck. Im Beruf macht er immer mehr für immer weniger. Ist er zu Hause, fängt das Chaos erst richtig an. Im schlimmsten Fall entzieht ihm die Gattin das Vertrauen und läuft fort. Zwei von drei Trennungen gehen von der Frau aus, so die Statistik. Darüber hinaus gibt es andauernd die Debatte um die Frauenquote in der Politik. Sportlich gesehen waren die Damen Fußball-Weltmeister, lange bevor es die Kerle wieder geschafft haben. Selbst in der Popmusik geht heute scheinbar alles von Ladys aus. Es ist alles anders geworden. Was tun?
Einige Herren der Schöpfung haben sich zusammengetan und betreiben eine Analyse. Um wen genau es sich handelt, erklärt eine offizielle Verlautbarung. „Mit der Hilfe von Freunden der 3D-Produktionsfirma Industriesauger-TV aus Köln und dem Berliner Maler Helmut Kraus haben wir uns dann an die Arbeit gemacht – und verschwanden mit unserer Libido und ihren Liedern endgültig im Netz: als virtueller Mann.“ Es handelt sich also um eine Kooperation von Vertretern verschiedener künstlerischer Disziplinen. Zuerst vermutet man auch einen fiktionalen Kontext, mit dem seit Auftauchen von Fraktus immer zu rechnen ist. Klar ist dann aber doch, dass vor allem Mitglieder von Die Türen mit Chef Maurice Summen über sich und ihre Geschlechtsgenossen sinnieren.
Sie beginnen das Album mit Hinweisen auf die Musik aus Bowies „,Heroes‘“, die aus einer Zeit stammt, als man noch an Übermänner geglaubt hat. Doch in ihrem Fall ist der Mann kein Held mehr, sondern nur noch Ernährer. Es zählen Job, Geld, Haus, Auto, Katz und Maus. Da ist man schnell frustriert. „Und die Nachbarn, die mich achten, werde ich bald vermutlich abschlachten, denn den Unsinn hält auf Dauer doch keiner aus“, lässt der Sänger wissen. Es kann nicht immer glatt laufen. „Menschen machen Fehler, und das ist immer ein guter Grund, schlecht drauf zu sein.“ Eingängigkeit ist dieser Band wichtig, das klingt immer wieder durch. „Ist alles keine Arbeit, es muss nur gemacht werden“, heißt es an anderer Stelle. Hier sind leibhaftige Gassenhauer-Qualitäten zu erkennen. Sie kommen auch in „Ich bin ein Mann“ zum Vorschein. Es geht darum, was an Menschen und Gegenständen so alles ärgerlich sein kann. Es sind simple Dinge. „Was mich an Facebook stört, sind die Freunde. Was mich an Partys stört, sind die Leute. Was mich am Fernsehen stört, ist das Programm“, heißt es in einer Aufzählung. Vom Tonfall her geht es sehr in die Richtung der frühen Foyer Des Arts.
Es ist erstaunlich, wie problemlos Der Mann bei all dem die Balance halten. Sie reden nicht um den Ernst der Lage herum, wissen aber auch, dass die Diskussion besser funktioniert, wenn man es mit Lockerheit angeht. So spricht sich die Band auch ausdrücklich für den Verbleib des Reformhauses aus. Deren Betreiber müssen sich gegen Supermärkte und Bio-Läden zu Wehr setzen und ihre Läden reformieren, wollen sie im Konkurrenzkampf eine Chance haben. Man(n) hat die akustische Liedform gewählt und hofft auf ein gutes Ende für das „Freudenhaus des Stuhlgangs“. Persönlicheren Inhalt entdeckt man in „Nur für dich alleine“. Die Musiker nehmen dem Single-Leben-Thema das Drama, indem sie Versatzstücke aus dem 70s-Rock integrieren. Andeutungen von barocken Soli, Prog-Sequenzen und der Disco-Drive aus „Miss You“ von den Stones spielen herein. Am Ende passt es, wie so vieles auf diesem famosen Album. Mit ihm geht für das von Summen betriebene Berliner Label Staatsakt ein sehr gutes Jahr (Ja, Panik, Dieter Meier, Jens Friebe, Chris Imler, Die Sterne) zu Ende.